Als sie am Horizont die schiefe Pyramide von Hawiku entdeckten, freuten sich die Männer. Doch von der Armee war nichts zu sehen. Als sie die Stadt durch die geflickte Eingangstür betreten wollten, wurden sie von einem, ihnen unbekannten Pater und ein paar Indianern begrüßt.
„Guten Tag, meine Herren Offiziere! Man hat uns gesagt, dass ihr kommt und wir haben euch schon erwartet! Wir sind vor einigen Tagen mit Tristán de Arellano und dem Tross hier eingetroffen. Weil er nicht nur mehrere Hundert Soldaten und Offiziere mitgebracht hat, sondern auch über eintausend Rinder, sechshundert Schafe, Ziegen, Mulis, Schweine und Azteken, ist die Armee nach Tiguex gegangen. Hier in Hawiku war es unmöglich, alle Leute unterzubringen. Außerdem war das Gras der Umgebung bereits nach wenigen Tagen abgeweidet."
García unterbrach den Redeschwall des Paters. „Wo liegt Tiguex und wie lange brauchen wir bis dort hin?"
„In zwei oder drei Wochen seit ihr in Tiguex. Es liegt östlich von hier, General Coronado hat mir einen Brief und eine Karte für euch gegeben. Darin steht, dass ihr ihm sofort nach Tiguex folgen sollt."
„Woher wisst ihr, was in dem Brief steht? Habt ihr ihn etwa gelesen?"
Der Pater grinste ihn offen an und zeigte seine schlechten Zähne. „Er war nicht versiegelt."Mit einem Griff in seine Kutte holte er die Dokumente hervor und überreichte sie García.
„Wollt ihr hier in Hawiku überwintern, Pater?"
„Wir werden hier nicht nur überwintern, mein Sohn. Wir bleiben für immer!"García schaute noch einmal zurück, als sie die Stadt verließen.
Zum Abschied lächelte der Pater García an und befahl den Indianern wieder an die Arbeit zu gehen. Die Kirche neben der Stadt war fast fertig und brauchte nur noch frische Farbe.
Viele Einwohner von Hawiku waren zurückgekehrt und hatten ihre Häuser wieder in Besitz genommen. Die Stadt bot wieder ein Bild des Friedens, aber sie sah immer noch etwas mitgenommen aus. Einige Häuser waren beschädigt und bedurften einer Reparatur. Nach der nächsten Ernte würde der Wohlstand hier sicher wieder einziehen. Doch bis dahin mussten die Menschen zusehen, wie sie mit ihren leeren Vorratsspeichern durch den Winter kamen.
Bis nach Tiguex benötigten die Männer viele Tage und unterwegs holte sie der Winter endgültig ein. Es begann leicht zu schneien und ein kalter Wind fuhr ihnen unter die Kleider. In dieser Nacht war die Kälte kaum auszuhalten und die Spanier froren bitterlich. Rabe und Stab erging es nicht viel besser, obwohl sie inzwischen beide steife Antilopenfelle unter dem Poncho trugen.
Die Stadt Tiguex erwies sich als noch kleiner als Hawiku. Doch das Reich der Tigua bestand aus mehreren Städten. Eine dieser Städte nannten die Indianer Hiatautle. Sie war die größte im Reich und nahm viele Soldaten auf. Die restlichen Soldaten wurden auf die anderen Städte verteilt. Zwischen den Städten lagen viele kleine Dörfer, mit ausreichend Platz und genug Weideland für die vielen Tiere. Hier stand das Gras auch sehr viel höher und dichter als in Hawiku.
Als sie die Pferdeherde entdeckten, wurden Rabe und Stab von García entlassen und von Felipe freudig begrüßt. Der Azteke saß mit einer Decke um den Schultern auf seinem Pferd und bot ein Bild des Jammers. Nie zuvor in seinem Leben hatte er eine solche Kälte erlebt. Trotzdem schien er guter Dinge.
„Señores, wie ist es euch ergangen? Seid ihr gesund? Ich freue mich so sehr, dass ihr wieder da seid!"
Stab tat es leid, ihn mit blauen Lippen und klappernden Zähnen zu sehen. „Ich freue mich auch dich zu sehen, jüngerer Bruder. Wie geht es den Pferden?" Er hatte seine Zeichen langsam und sehr deutlich gemacht und es schien als hätte Felipe ihn verstanden.
„Bis jetzt geht es ihnen gut, aber wenn noch mehr Schnee fällt, weiß ich nicht, wie sie ihr Futter finden sollen."
Rabe ritt nah an Felipe heran. „Mach dir keine Sorgen wegen des Futters. Genau wie alle anderen Tiere werden die Pferde lernen, den Schnee mit den Hufen wegzuscharren. Ich mache mir eher Sorgen um dich."
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Wie der Große Geist den Indianern das Pferd schenkte
Ficción históricaZwei junge Krieger hören von einem Händler eine unglaubliche Geschichte, von Männern mit Haaren im Gesicht, die in der Lage sein sollen auf großen Tieren zu reiten. Noch halten sie diese Geschichte für eine Lüge. Trotzdem machen sie sich auf die Suc...