Den Blick zu Boden gerichtet rauschte sie durch die Gänge. Es machte sie wahnsinnig, nichts tun zu können. Allerhöchstens heimlich aus den Fenstern starren - solange niemand anderes in der Nähe war.
In die Bibliothek wagte sie sich nicht, um sich die Zeit zu vertreiben. Außerdem sahen die Diener sie, wenn auch nicht umgekehrt. Die Gefahr bestand immer, dass einer von ihnen dem Herrn etwas erzählte. Lieber blieb sie gelangweilt und gereizt, als dass ihre Normalität auffiel."Verzeihung", haspelte sie schnell, in einem Sturm aus Papier. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass noch jemand den Gang benutzte und sie unweigerlich zusammenstoßen mussten. Aber wer nutzte eigentlich die Gänge?
Eilig bückte sie sich und sammelte die Unterlagen auf. Nur keine Aufmerksamkeit erwecken, hatte sie sich versucht zu merken - und jetzt das.
"Das ist das Mindeste." Ein Schauer jagte ihr über den Rücken. Die Stimme hatte sie zwar nur einmal gehört, trotzdem zögerte sie für einen Moment in ihrer Handlung. Nur vorsichtig hob sie den Kopf, um in die roten Augen des Mannes zu sehen, der regungslos auf sie herabstarrte, die Arme vor der Brust verschränkt."Verzeihung Herr", wiederholte sie und reichte ihm die Blätter nach oben, wandte den Blick dabei schnell wieder ab.
Eilig erhob sie sich und hechtete an ihm vorbei, den Blick auf den dunklen Teppich gerichtet.
Sie wollte nicht auffallen, und nun das. Malia verfluchte sich selbst, dass sie nicht aufgepasst hatte. Vor betreten des Ganges um die Ecke gesehen, wie sonst auch."Malia, richtig?"
Wie angewurzelt blieb sie stehen, sah jedoch nicht zurück. Er erinnerte sich an ihren Namen? Nach all den Jahren, in denen eine Frau nach der anderen gekommen war.
"Ja Herr.", brachte sie nur mit Mühe hervor, zwang sich ihre Emotionen zu unterdrücken. Angst, dass etwas Schlimmes passieren würde. Wut, dass er sie einfach ignoriert hatte. All die Jahre...Ihre Hand ballte sich zur Faust. Ungesehen, da sie die Hände vor der Brust hielt. Nun den grünen Anhänger ihrer Kette umklammernd.
"Du hast mir gestern mein Essen gebracht.", fuhr der Andarr fort, worauf sie den Druck auf den Stein erhöhte.
"Ja. Wie jeden Abend.", antwortete sie höflich und erlaubte nur ihren Augen die Bewegung. Sie musste schnell von ihm weg, sonst würde sie die Beherrschung verlieren. Wo war nur der nächste Geheimgang..."Dann bis heute Abend." Sie hörte das Rascheln der Unterlagen, die Schritte, die sich entfernten.
Erst als es still war wagte sie es, sich umzublicken. Der Gang war wieder leer, als wäre der Zusammenstoß nie passiert.Nun entspannte sie sich wieder, ließ den Anhänger los und in ihrem Kleid verschwinden. Leider hatte der Herr sie tatsächlich erkannt. Ein Umstand, der einen Gedanken an die Oberfläche drängen ließ, vor dem sie sich noch mehr gefürchtet hatte...
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Gestohlenes Herz
FantasyTeil 2 der "Herz"-Reihe Anda. Ein dunkles, hoffnungsloses Land. Verflucht seit Jahrtausenden. Malia kam wie viele andere Frauen in diese Welt, doch zweifelte schon früh an der Wahrheit. An den Geschichten. Nach langen Jahren im Schatten eines Palast...