Nachdenklich rührte Ariaric in der Teetasse. Der Zucker hatte sich längst aufgelöst, das Getränk war erkaltet. In seinen Gedanken existierte nur noch die Frau, die durch die Gänge eilte.
Er erinnerte sich nur noch schwach an die Wahl. Euric, der Herr des Deltas, hatte die Wahl veranstaltet, Ian, Herr der Quelle, die Frau gefunden.
Damals war sie zurückhaltend, ihre Gefühle hingegen wild. Ihr Herz hatte sie direkt zu seinem Geschenk gezogen, eine silberne Kette mit einem großen, grünen Stein.Danach hatte er sie wohl irgendwie verloren. Zumindest hatte er sie übersehen. War er davon ausgegangen, dass sie ebenfalls seine Dienerschaft verstärken würde? Immerhin hatte sie das Licht nicht zurückgebracht.
Unauffällig lauschte er in die Stille. Keine Türen knarrten, keine leisen Schritten drangen aus den Botengängen.
Es war längst Abend, wo also blieb die Frau, die seine Gedanken einnahm."Euer Mahl, Herr.", riss ihn eine Stimme aus der Stille und ein Tablett wurde auf den Tisch vor ihm gestellt.
Sein Freudenfunken erstarb jedoch, als er die Dienerin ansah, während diese sich in Schatten auflöste. Es war nicht Malia, wie üblich. Es war eine Namenlose.
"Warte!", befahl der Mann und stand auf. Die Schatten formten sich zurück. "Wo ist Malia? Sie kommt doch sonst immer."Die Dienerin nickte und antwortete kühl: "Malia hat den Palast verlassen. Sie hat mit niemandem über ihr Ziel gesprochen."
"Sie ist weg?" Ariaric warf die Tasse gegen die Wand, seine Stimme blieb jedoch ruhig. "Warum hat sie niemand aufgehalten?""Eure Worte, Herr. Jeder kann gehen, wann immer er möchte. Niemand ist ein Gefangener."
Ariaric verspürte den Drang sie anzuschreien und der Frau nachzuschicken, doch hatte die Dienerin leider recht. Die Gesetze besagen, dass niemand gegen seinen Willen in einem Palast gehalten werden darf. Jeder muss jederzeit gehen können - ein Grund, warum die Tore der Paläste nie verschlossen werden.
Und das hatte die Frau genutzt um in eine wesentlich gefährlichere Welt zu fliehen.
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Gestohlenes Herz
FantasyTeil 2 der "Herz"-Reihe Anda. Ein dunkles, hoffnungsloses Land. Verflucht seit Jahrtausenden. Malia kam wie viele andere Frauen in diese Welt, doch zweifelte schon früh an der Wahrheit. An den Geschichten. Nach langen Jahren im Schatten eines Palast...