Kapitel 6

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Sonntag der, 11.07.2024

Ein weiterer Knall ertönte, die Schreie von draußen wurden lauter, hinter ihnen knisterte das Feuer und man hörte das Umfallen der Zeltstangen. Der Rauch wurde immer dichter, Elena und Rahel stießen zunehmend öfter gegen Betten, Menschen rannte an ihnen vorbei, rempelten sie an, trampelten über Verletze, welche auf dem Boden lagen, schreie von verbrennenden Menschen übertönten schon fast das Geräusch der erneut herankommenden Bomberflieger. „Elena...", hustete Rahel neben ihr, „Lass mich los... du bist schneller ohne... mich..." „Nein!", knurrte Elena, sie würde Rahel nicht zurücklassen, nicht jetzt, wo sie das Mädchen endlich wieder gefunden hatte und wusste das sie lebte! „Aber...", keuchte die Brünette erschöpft. Elenas griff verstärkte sich. „Wir schaffen das! Zusammen!"

Mühsam kämpften sie sich weiter, die paar Meter aus dem Zelt hinaus zogen sich in die Länge wie ein Kaugummi. Elena spürte wie ihre Hände immer schwitziger wurde, und es immer schwerer wurde Rahel zu stützen. Die Hitze hinter ihrem Rücken wuchs mit jedem Schritt, und ihr war klar, dass sich das Feuer rasend schnell näherte. Sie biss die Zähne zusammen und kämpfte weiter, ihre Augen tränten und ihre Lunge brannte, ihr Hals war staub trocken, aber sie mussten weiter!

Sie taumelten aus dem Zelt ins freie und kaum waren sie einige Schritte weiter, stürzte das Gerüst ein. Kurz konnte man noch zappelnde Gestallten unter der Plane ausmachen, doch ziemlich schnell verstummten die Schreie und die Bewegungen hörten auf. Elena starrte traumatisiert auf das eingestürzte Zelt. Erst ein Husten und Keuchen riss sie aus der Starre. Sie drehte sich zu Rahel, welche leichenblass war, sie taumelte gegen Elena, welche das Mädchen nicht mehr richtig halten konnte und sie stürzten beide auf den staubigen Boden.

„Rahel! Sieh mich an!", Elena drehte den Kopf der Jüngeren mit ihrer Hand zu sich. Rahels Augen fanden ihre. Sie konnte die Erschöpfung, Angst und Erleichterung, darüber es lebend aus der Todesfalle heraus gekommen zu sein, darin lesen. „So ist es gut, ganz ruhig atmen... kannst du mir sagen, wo es am meisten weh tut?" „Mein... Bauch... meine Lunge...", hustete Rahel entkräftete. Elena ließ ihren Blick zum Bauch des Mädchens schweifen, Blut sickerte durch den Verband. Sie Atmete tief durch, das war nicht gut, eine der Wunden war wieder aufgegangen. „Okay, dass wird jetzt schwer werden, aber wir müssen hier weg, bevor ich etwas machen kann, hier sitzen wir wie auf dem Präsentierteller." Suchend sah sich die Ältere um. Unter den Trümmern der nahe stehenden Gebäude konnten sie sich vor den Bombern verstecken. „Siehst du das Gebäude? Es ist nicht weit, wir können dort Schutz suchen..." erklärte sie ihren Plan, keuchend und nach Luft ringend setzte Rahel sich auf und blickte in die angezeigte Richtung, schwach nickte sie.

Zusammen rappelten sie sich vom Boden auf und liefen so schnell und so gut wie möglich zu dem Gebäude, andere Überlebende hatten offenbar auch die Idee, und so rannte eine Schar verängstigter Menschen in die Trümmer.

Elena erkannte einen braunen Schopf in der Menge: „Marvin!" brüllte sie. Marvin drehte sich zu ihr um, er war leichenblass, trotz der Entfernung, konnte sie es gut ausmachen. Elena winkte ihm panisch zu das er zu ihr kommen solle, damit er ihr mit Rahel helfen konnte. Der Mann blickte sie an, dann Rahel, dann blickte er zu dem Gebäude, welches näher bei ihm war... er senkte beschämt seinen Kopf, schüttelte diesen dann und rannte weiter ohne auf Elenas rufe zu reagieren und verschwand in dem Gebäude. Elena fluchte im Stillen vor sich hin, einerseits verstand sie ihn, andererseits konnte sie nicht glauben, dass er sie einfach zurückgelassen hatte.

Ein Beben der Erde unterbrach ihre Gedanken, und entsetzt musste sie mit ansehen, wie das Gebäude in welches so viele Menschen geflohen waren, und zu welchem sie unterwegs waren, rumpelt und mit einer gigantischen Staubwolke nun vollkommen einstürzte. Wie versteinert blieben Elena und Rahel stehen, doch ihnen blieb keine Zeit um über das geschehene nach zu denken, sie mussten in Sicherheit. Zwar konnten sie durch den Staub kaum was sehen, aber dies bot die Chance ungesehen Schutz zu finden. Elena dirigierte Rahel in eine andere Richtung und sie tasteten sich hustend durch die Wolke. Vor ihnen tauchten die grauen Mauern einer weiteren Ruine auf. Sie tasteten sich an der Wand entlang bis sie eine Lücke fanden, durch welche sie sich ins Haus quetschen konnten.

Drinnen war die Luft nicht mehr so staubig, und durch ein Loch in der hinteren Ecke der Decke fiel auch ausreichend Licht in den, noch recht gut ausgestatteten Raum, es schien als wäre es mal ein Wohnzimmer gewesen. Mit ein wenig Glück war das Haus noch nicht geplündert worden.

Elena bugsierte Rahel zu einer roten Couch und legte sie auf die verstaubten Polster. „Leg dich hin, ich schau mich kurz um...", Elena wollte sich umdrehen, doch Rahel packte sie am Arm: „Nicht... bitte... bleib hier..." Elena konnte die blanke Angst in den Augen des Mädchens sehen, trotz des schwachen Lichtes: „Keine Sorge, ich komme wieder versprochen, ich lass dich nicht zurück..." In Rahels Augen blitzen kurze Zweifel auf, beschämt wandte das Mädchen den Blick ab, bewusst das Elena den Ausdruck gesehen hatte. „Ich komme zurück, ich lass dich nicht alleine...", versprach Elena erneut und hoffte das Rahel ihr glauben schenken würde. „Ich weiß, tut mir leid..." „Du musst dich nicht entschuldigen...", wisperte Elena, Rahel ließ sie los und Elena begann die Wohnung zu erkunden.

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