XXI

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Louis sieht Harry am nächsten Tag nicht.

Er kommt eher zur Nachhilfe, seine Angst betäubt seine Fingerspitzen. Den ganzen Tag hat er an diesen Moment gedacht, bei jedem nicht enden wollenden Kurs und jedem halbherzigen Gespräch. Bei jeder Notiz, die er aufschrieb, bei jedem Umblättern in seinen Lehrbüchern und bei jedem Versuch, die geflüsterten Gerüchte zu ignorieren, die Harry umgaben und die Jungs betrafen (einmal behauptete ein Mädchen süffisant gegenüber ihrer Freundin, Zayn und Harry hätten sich wegen ihr geprügelt - Louis schnaubte so laut, dass der Professor mitten im Satz erschrocken innehielt). Er hatte nur halb aufgepasst, seine Gedanken und das Klopfen seines Herzens waren irgendwo in Harrys Räumen gefangen und die unbeantworteten Fragen lagen ihm auf der Zunge. Tatsächlich hatte er sich so sehr auf die heutige Sitzung mit Harry gefreut, dass er sogar Nialls Einladung zu Steak und Wein in seinem Lieblingsrestaurant ausgeschlagen hatte. So ernst war es ihm.

Aber jetzt ist er angekommen, und als Louis Harrys Tür öffnen will, ist sie verschlossen.

Als Louis klopft, öffnet niemand.

Und als Louis ihm eine SMS schreibt: "Wo bist du?", bleibt sie unbeantwortet.

Und so entleert sich Louis' Inneres.

Er geht zurück in seine Wohnung, Enttäuschung und ein neues Gefühl des Grauens, setzten sich in seinen Knochen fest und lassen ihn Erschaudern.

Ausgezeichnet.

**

"So wahr mir Gott helfe, wenn er schon wieder verschwunden ist!" grüßt Louis donnernd, sobald er die Wohnung betritt.

Niall blickt von seinem Schlagzeug auf, den weiten, blassen Pullover bis zu den Ellbogen hochgeschoben, die Drumsticks über dem Kopf, bereit, auf das Schlagzeug einzuschlagen. "Hm?", fragt er und wird hellhörig.

"Harry. Er ist nicht in seinem Zimmer. Er ist weg, stimmt's? Er ist schon wieder weg, und wir sitzen alle nur herum und sehen hübsch aus, während er irgendwo in einem Graben liegt, wahrscheinlich tot, und niemand wird auch nur..."

"Wovon zum Teufel redest du da, Kumpel?" fragt Niall mit fassungslosem Gesicht, während er die Drumsticks zur Seite wirft und seine volle Aufmerksamkeit einem sehr aufgeregten Louis schenkt, der sich gerade mit mehr Kraft als nötig die Jacke vom Leib reißt.

Vielleicht ist er heute ein bisschen zu angespannt. Angstgefühl und all das.

"Ich schreibe Zayn!" sagt Louis plötzlich in den Raum, während über seinem Kopf eine Glühbirne zum Leben erwacht. Er huscht ins Nebenzimmer, zieht dabei seine Schuhe aus und lässt sie auf dem Boden verstreut zurück.

"Ihm was schreiben?" ruft Niall ihm hinterher.

"Dass Harry verschwunden ist!"

'Wo ist Harry?', er hämmert unbarmherzig auf seinem Handy herum, und das in einer alarmierenden Geschwindigkeit.

"Du solltest es einfach in Ruhe lassen", ruft Niall, hebt einen der vergessenen Drumsticks auf und dreht ihn in seinen Fingern.

"Zu spät!" singt Louis. Er huscht zurück ins Zimmer, jetzt in einem kompletten Trainingsanzug, und starrt hungrig auf sein Handy, das vibriert.

Die Antwort:

'Keine Ahnung, Kumpel.'

"Verdammt noch mal", haucht Louis und rollt verärgert mit den Augen, während er sein Handy auf die nächstgelegene Oberfläche wirft. "Natürlich weiß er es nicht. Weiß hier irgendjemand irgendetwas?", fragt er und stürmt dann zurück in sein Zimmer.

Young & BeautifulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt