Seven • Mauerbauertraurigkeit

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Jisung und ich saßen nicht länger nebeneinander.

Nach meinem Date mit Minho hatte ich beschlossen, mich wegzusetzen. Jisung schien es nicht zu stören, denn die ersten zwei Stunden hatte er mich nicht einmal angesehen. Auch in der ersten Pause war kein Wort von ihm gefallen, weshalb ich mich weiter zurückgezogen hatte. Verständlicherweise ging ich Minho ebenfalls gänzlich aus dem Weg. Noch immer glaubte ich, alles ruiniert zu haben, was zwischen den beiden hätte stattfinden können. Ich war der schlechteste Freund, den man nur kriegen konnte.

Doch im Laufe des Tages änderte sich etwas. Zur Mittagspause lief Jisung mir hinterher und versuchte sich mir in den Weg zu stellen.
"Felix! Warte doch, ich möchte mit dir reden!" Die Stimme meines besten Freundes löste ein erneutes Stechen in meinem Herzen aus und sturköpfig ging ich weiter. Ich wagte es nicht, eine Reaktion zu zeigen, viel zu sehr redete ich mir ein, wie wenig ich ihn verdient hatte. All die Zeit über hatte dieser Junge mich nicht aufgegeben, und was machte ich? Undankbar sein, ihn ignorieren, ihm nicht zuhören und ihm seine Chancen bei seinem Schwarm nehmen. Ich hatte ihn nicht verdient. Ich war nicht gut genug für den Titel eines besten Freundes.

Jisung startete noch zwei weitere Versuche, ließ mich nicht einfach so entkommen. Schließlich aber merkte er, dass es nichts nützte; Egal, was er auch probierte, ich würde weitergehen. Ich wollte seine Freundschaft einfach nicht mehr. Zumindest... machte ich ihm das vor. Wie mein Herz in Wirklichkeit empfand, war doch sowieso egal. Meine Wünsche und Entscheidungen brachten immerhin bloß Schmerz mit sich. Schmerz, Verlust, Hass... und ein schweres Stechen in meiner Brust, welches mir die Tränen in die Augen trieb.

'Es tut mir so leid, Jisung. Du hast so viel Besseres verdient.'

Schließlich gab er auf. Vermutlich hatte er eingesehen, dass es einfach nichts brachte. Das war wahrscheinlich besser so, denn ansonsten würde ich ihn nur weiter verletzen. Aber das würde ich nicht ertragen. Ich sollte der Einzige sein, der litt. Bloß ich sollte die Last meiner Taten fühlen müssen und darunter zerbrechen. Jeder andere war zu gut dafür. Sie alle trugen das Gute im Herzen, wohingegen ich das wandelnde Pech war.

Als ich allein an einem Tisch in der hintersten Ecke saß, die Geräusche der Mensa mit meinen Kopfhörern ausblendete und lustlos in meinem Essen herumstocherte, bemerkte ich auf einmal eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Ich wagte es nicht, den Kopf zu heben, allerdings beobachtete ich die Person, die sich näherte, so gut ich nur konnte. Schnell bemerkte ich die großen Hände, an welchen Venen gut erkennbar waren. Sie kamen mir bekannt vor, zu bekannt. Deswegen hob ich nun langsam den Kopf an, wodurch ich einem hübschen Jungen ins Gesicht blickte, welcher ein verschmitztes Grinsen auf den Lippen trug. Mein Herzschlag, der eben noch angefangen hatte zu rasen, beruhigte sich wieder.

Es war nicht er.

"Hey Felix~", konnte ich an seiner Lippenbewegung ablesen. Langsam schob ich eine Seite meines Kopfhörers nach hinten, damit ich ihn mustern konnte. Doch mein Blick blieb leer, emotionslos. Es war zu anstrengend, mein Leben zu führen. Ich konnte mir kein Lächeln aufzwingen.

"Was willst du, Minho?" Es lag keine Kraft in meiner Stimme, so scharf meine Worte auch hätten klingen können. Stattdessen waren sie ebenso schwächlich, wie der Rest meines Ichs. Ich war erbärmlich. Was fand er bitte so toll an mir? Konnte er nicht einfach verschwinden?

"Du hast mir nicht auf meine Nachricht geantwortet. Dabei hatten wir doch ein so schönes Date", lächelte er mich an. Schweigend senkte ich wieder meinen Blick. 'Nein, unser Date war nicht schön. Ich wünschte, ich wäre nie dort gewesen.' Meine Gedanken formulierten perfekt die Reue, die ich dadurch noch immer empfand. Aber ich brachte kein Wort hervor, mein Hals war wie zugeschnürt. Ich war ein reines Desaster.

Eudaemonia ★ HyunlixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt