Nine • Ecstatic Shock

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Das Treffen mit Hyunjin hatte mich zurück aus dem Loch geholt, in welchem ich beinahe versunken wäre. Er hatte den dichten Nebel gelichtet und die Dunkelheit verjagt, um mir einen neuen Weg zu zeigen, einen Weg ins Licht. Das war ein neuer Hyunjin, ein besserer Hyunjin. Als wir nur Nachrichten miteinander ausgetauscht hatten, war er nichts weiter als ein Anker gewesen, ein Anker auf stürmischer See, der mich Wrack noch irgendwie festgehalten hatte, bevor mich die Wellen davon zerrten. Doch jetzt war er ein Lichtblick. Ein Lichtblick, den ich ehrlich gesagt nie wieder aus den Augen verlieren wollte.

Allerdings bedeutete das auch, dass mich ich endlich von meiner Opferrolle lösen musste. Die Geschehnisse mit Chan waren verdammt lange her und es wurde an der Zeit, dass ich lernte, damit klarzukommen. Eigentlich sollte ich es auch können. Doch das stetige Gefühl, allein mit dieser Last zu sein, hatte mich um den Verstand gebracht. Wäre Hyunjin gestern nicht für mich da gewesen und hätte mich getröstet... wahrscheinlich wäre es niemals besser geworden. Er hatte mir bewiesen, dass er trotzdem für mich hatte da sein können, dass er dennoch ein Trostspender war. Ganz gleich, ob er verstehen konnte, wie sehr mich dieses Erlebnis mitgerissen hatte – er hatte dennoch zugehört.

Es wurde an der Zeit, Jisung eine zweite Chance zu geben. Vorausgesetzt, er gab mir überhaupt eine zweite Chance, nachdem ich ihn so herzlos behandelt hatte.

Schwer seufzte ich auf und schaute in Richtung des niedlichen Jungens, welcher allein in einer Ecke saß und sich mit seinem Handy beschäftigte. Es zerbrach mir das Herz zu wissen, wie einsam er eigentlich ohne mich war. Bestimmt hatte er auch nicht länger die Kraft dazu, Minho gegenüber zu treten. Wer weiß, was sein Schwarm über mich gesagt hatte, als ich ihn versehentlich gedatet hatte. Gott, ich war so ein schrecklicher Freund.

‚Konzentrier dich, Felix. Es geht hier nicht um dich, sondern um Jisungs Gefühle. Er ist derjenige, der verletzt worden ist.'

Verunsichert schaute ich mich um. Mitten auf dem Hof befand sich Hyunjins Freundesgruppe und der hübsche Tänzer war geradewegs in meinem Sichtfeld. Ich konnte sein Seitenprofil ausmachen, dass mich mal wieder ganz in seinen Bann zog. Dann schüttelte ich hastig meinen Kopf. Zu ihm würde ich später noch gehen können, Hyunjin würde auf mich warten. Aber Jisung nicht.

"Uhm... Jisung...?" Etwas unbeholfen blieb ich vor dem gutgläubigen Jungen stehen, der bei dem Klang meiner Stimme regelrecht hinaufschnellte. Offenbar hatte er keinesfalls mit mir gerechnet, denn aus Schreck warf er sein Handy in die Luft, das ich gerade so im letzten Moment noch auffangen konnte. Glück gehabt. Das hätte sonst böse enden können. Mit großen Augen musterte er mich, er war in seinen Bewegungen gänzlich erstarrt. Wie ein verunsichertes Eichhörnchen sah er mich aus seinen tiefbraunen Augen an und erneut fühlte ich mich schlecht, ihn nicht so behandelt zu haben, wie er es eigentlich verdient hatte.

"Können wir bitte reden?"

"Ich dachte, du willst nicht mehr mit mir reden", erwiderte Jisung bloß. Ich konnte ganz genau hören, wie verletzt er darüber war, ganz gleich, wie sehr er auch versuchte, es zu verstecken. Vorsichtig ließ ich mich neben ihm nieder. Er rückte zur Seite, um mir Platz zu machen, schien aber nicht flüchten zu wollen. Auch sein Handy gab ich ihm zurück.

"Das war kein Nein", stellte ich fest. Von der Seite musterte ich Jisung. Dieser schaute einen kurzen Augenblick lang noch zu mir, bis er hastig den Blick abwandte, sichtlich verunsichert. Wie ich es bereits erwartet hatte - Jisung konnte einfach kein Raubtier sein. Er war eher die Beute, hilflos und viel zu herzensgut. Ein Segen und ein Fluch zugleich.

"Was möchtest du?", fragte er mich dann. Noch immer sah er mich nicht an, scheinbar war der Boden sehr viel interessanter als ich. Meine Lippen aufeinanderpressend überlegte ich, wie ich meine nächsten Worte am besten formulierte, damit ich ihm das sagen konnte, was er verdient hatte zu hören. Fast schon automatisch wanderte mein Blick zurück zu Hyunjin. Überrascht stellte ich fest, dass er auch zu uns blickte und sobald er bemerkte, dass ich ihn anschaute, begann er zu lächeln. Ermutigend nickte er mir zu und streckte einen Daumen nach oben. Er wusste davon, dass ich mit Jisung sprechen wollte, er hatte mir die Kraft dazu gegeben, es wirklich zu tun. Mein Herzschlag beschleunigte sich etwas und ich fühlte die Energie durch meine Adern fließen. Es war unglaublich, wie gut es tat zu wissen, dass dieser Junge an mich glaubte. Selbst wenn dieses Gespräch scheitern würde, wenn ich fallen würde, er konnte mich auffangen. Er wollte mich auffangen.

Wieder atmete ich tief durch.

"Ich will wieder dein bester Freund sein, Jisung. Ich weiß, ich hab mich wie ein Arsch verhalten und ich habe dich verletzt und das war nicht okay. Aber ich möchte es wieder gutmachen! Ich will dir helfen und für dich da sein und... und dir vertrauen. Es tut mir alles so schrecklich leid, Jisung, ich wollte dich niemals verletzen. Bitte... verzeih mir... Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren." Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, ihn anzuschauen, glitt mein Blick zu Boden. Fest presste ich meine Lippen aufeinander, wiederholte in meinem Kopf meine Worte. Gott, ich klang so verzweifelt, das war ja traurig. Es würde Sinn ergeben, wenn er nichts mehr mit mir zu tun haben wollte.

Jisung sagte auf meine Worte hin nichts. Ich konnte spüren, wie er mich musterte, doch wagte ich es nicht, zu ihm zu sehen. Ich war ein Feigling, nichts weiter als ein großer Feigling. Hatte ich überhaupt eine zweite Chance verdient?

"Okay."

Direkt schnellte mein Kopf in die Höhe und ich starrte Jisung an, so als hätte er gerade einen Geist beschworen. Es fiel mir schwer, zu glauben, dass er es ernst meinte, meine Selbstzweifel zerrten zu sehr an mir. Aber da war so ein warmes, freudiges Funkeln in seinen Augen. Beinahe schien es mir so, als würde er sich über meine Entschuldigung freuen; als hätte er sie regelrecht erwartet.

"Ich verzeihe dir, Felix. Unter der Bedingung, dass du dich nicht mehr in mein Liebesleben einmischt, ohne mich vorher zu fragen", schmunzelte Jisung. In seiner Stimme schwang so viel Leichtigkeit mit, ich hatte das Gefühl, ich könnte jeden Moment abheben. Er war wirklich nicht böse? Er trug mir nicht nach, was ich getan hatte?

Mehrfach blinzelte ich, noch immer fassungslos darüber, dass das tatsächlich funktioniert hatte. Doch sein liebevoller Blick löste so viele positive Emotionen in mir aus, ich konnte nicht in Worte fassen, wie unglaublich erleichtert ich gerade war.

"Danke, Sungie... du bist einfach der Beste", strahlte ich und fiel ihm kurzerhand um den Hals, drückte mich fest an ihn heran. "Ich verspreche dir, ich werde nichts mehr hinter deinem Rücken machen! Ehrenwort!"

Es dauerte einige Sekunden, bis Jisung meine Umarmung erwiderte. Erst glaubte ich, dass er nichts mit mir zu tun haben wollte, dass er meine Entschuldigung vielleicht nicht angenommen hatte, jedoch begann er leise zu kichern. Sanft drückte er mich an sich, wuschelte im nächsten Augenblick durch meine Haare. Mir entfloh ein schmollender Laut, allerdings musste ich lächeln. Ihm erlaubte ich das. Aber auch nur ihm.

"Du bist so süß, Felix. Keine Angst. Wir sind beste Freunde für immer und ewig, ja?~"

★★★

Ecstatic Shock:
The surge of energy you feel upon catching a glance from someone you like.

~~~

I ALMOST FORGOT TO UPLOAD, SORRY ;-;
~Cookie

Eudaemonia ★ HyunlixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt