Kapitel 1

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Nurie sprang gerade noch rechtzeitig zur Seite, bevor Janok sie mit seinem Skeatboard um fuhr. „Sorry Nuri, ich hab nicht aufgepasst.“ sagte er beschwichtigend, als sie ihren Spind mit voller Wucht zu schlug. „Hab ich bemerkt.“ entgegnete Nurie grimmig. „Wieso bist du so mies drauf? Du hast doch Geburtstag.“ meinte Janok. Nurie schnaufte spöttisch. „Ja und den 17. Geburtstag sollte man feiern dürfen, aber Dad meinte, ich soll doch wann anders feiern und das nur, weil seine neue Freundin Mona ihm das eingeredet hat. Die Frau kotzt mich so an!“ machte Nuri ihrem Ärger Luft. „Wir könnten später zusammen ins Kino gehen, wenn du willst.“ bot Janok hoffnungsvoll an. Nurie seufzte und meinte betrübt „Ne, lass mal. Ich übersteh den Tag lieber allein.“ „Wenn du meinst.“ erwiderte Janok enttäuscht.
Alle Jungen in ihrem Jahrgang wollten mit Nurie ausgehen, was kein wunder war, denn sie war, wie ihre Verehrer sagten, das schönste Mädchen an der ganzen Schule. Dass diese Behauptungen stimmten, sah man ziemlich deutlich. Nuri hatte dichtes, ebenholzfarbenes Haar, hohen Wangenknochen, volle Lippen und mandelförmige, grüne Augen. Das einzige Problem bei Nurie war, dass sie sich für keinen der Jungen interessierte. Für die meisten von ihnen war es schon eine Ehre, dass sie sich mit ihnen sehen ließ. Janok war da eine Ausnahme. Mit ihm war Nuri schon seit sie denken konnte befreundet, aber in letzter Zeit schien er sich auch sehr für Nurie zu interessieren. Das war auch der Grund, weshalb sie nichts mit ihm unternehmen wollte.
Endlich klingelte die Schulglocke und forderte somit alle Schüler, die noch in den Gängen waren, auf, ins Klassenzimmer zu gehen. Nurie schnappte sich ihre Bücher und beeilte sich ihr Klassenzimmer zu erreichen.
Sie fiel nicht gern auf, denn dann wurde sie nämlich von allen angestarrt. Von den Mädchen eifersüchtig und von den Jungs beinahe sabbernd.
Schnell flüchtete Nurie auf ihren Einzelplatz in der letzten Reihe. Dort schlug sie ihr Buch auf und versuchte dem Unterricht zu folgen, was auch klappte, bis sich der Typ auf dem Platz vor Nurie zu ihr umdrehte. Es war Alec, der beliebteste Junge der Schule. Bis jetzt hatte er sich noch nicht getraut, Nurie um ein Date zu bitten. Er wollte seinem Ruf ja nicht schaden. Das alles ist jetzt aber nebensächlich, denn jetzt fragte er Nurie endlich. „Hi, Nuri. Ich hab gehört, dass du heute Geburtstag hast.“ fing Alec flüsternd an. Als ob das irgendwer hier drin nicht wusste, dachte Nurie. Sie setzte ein falsches Lächeln auf und erwiderte „Ja, aber mein Vater hat mir eine Feier verboten.“ „Das ist schade.“ entgegnete Alec grüblerisch und fragte dann, als wäre die Idee ihm gerade erst gekommen, „Wir könnten als Entschädigung ja zusammen ins Kino gehen.“ Nuri musste sich sehr beherrschen, um nicht in spöttisches Gelächter aus zu brechen. Als ob das eine Entschädigung für mich wäre, dachte sie bei sich. „Ich weiß nicht, ich hab Janok schon vorhin eine Absage erteilt. Es wäre unfair, wenn ich dir jetzt zusage.“ meinte Nurie scheinheilig. Alec mustertet Nurie scharf und fragte dann unbehaglich „Sind Janok und du zusammen?“  Ein belustigtes Grinsen konnte Nurie nun nicht mehr zurück halten. „Nein, wir sind nur befreundet, aber es wäre trotzdem nicht fair.“ Nurie überlegte kurz, was sie noch erwidern konnte, damit sie nicht mit Alec ausgehen musste, dann fuhr sie fort „Was ist mit Cassie? Ihr gefällt das bestimmt auch nicht.“ „Wie meinst du das?“ fragte Alec sichtlich verwirrt. „Sie ist deine Freundin und kann mich nicht leiden.“ erklärte Nuri und betonte jedes Wort einzeln. „Das ist doch Quatsch. Natürlich kann sie dich leiden.“ sagte Alec etwas zu laut. Alle im Klassenzimmer sahen uns an. Ich wollte im Erdboden versinken. Als Alec bemerkte, dass uns jeder anstarrte, drehte er sich wieder um und Nurie konnte endlich wieder dem Unterricht folgen.

Als es zur Pause klingelte, sprang Nurie auf, schnappte sich ihre Bücher und flüchtete zu ihrem Spind, wo wie gewöhnlich Janok auf sie wartete. Er merkte sofort, vor wem Nuri flüchtete, denn Alec rannte ihr hinter her. Schnell packte Janok sie am Arm und zog sie in die nächst beste Besenkammer. Er schloss die Türe ab und stellte Nurie zur rede. „Was hat er gemacht?“ Nurie rollte mit den Augen. Janok verhielt sich immer so beschützerisch, dabei musste Nurie gar nicht beschützt werden, sie war mittlerweile alt genug. Das wollte Nuri ihm sagen, doch dann sah sie sein besorgtes Gesicht, seufzte und antwortete dann doch. „Er wollte mit mir ins Kino.“ „Und?“ fragte Janok ungeduldig. „Und, was?“ forderte Nurie. „Und, hast du zugestimmt?“ fuhr Janok fort. „Nein, natürlich nicht. Das wäre dir gegenüber doch total unfair gewesen und außerdem hat Alec eine Freundin und weiß nicht, wie man sich benimmt.“ Meine Antwort schien Janok zu belustigen, denn er meinte nur „Du bist gestört und anscheinend bin ich der einzige, der es bemerkt.“ Nurie boxte ihm spielerisch auf die Schulter. „Sag das bloß nicht noch mal, sonst muss ich dir das Maul stopfen!“ rief Nuri und stürzte sich auf ihn. Eine Zeit lang rangen sie miteinander, dann ging Janok wie immer die Puste aus und sie fingen an laut zu lachen. „Na gut, du hast gewonnen.“ sagte Janok schließlich und Nurie und er gingen wieder zu Nurie´s Spind. Als sie dort ankamen, tauschte Nurie ihre Bücher der letzten Stunde mit denen der nächsten. Kaum hatte sie ihren Spind wieder verschlossen, kam auch schon Alec. „Ich hab dich schon gesucht. Du warst so schnell weg, aber egal. Kommst du jetzt mit ins Kino oder nicht?“ fragte er. Nuri sah hilfesuchend zu Janok, dieser zuckte als Antwort leicht mit den Schultern. Na toll. Improvisieren, dachte Nuri leicht säuerlich. „Wie wär´s, wenn Cassie und Janok mit gehen?“ schlug ich vor. „Hab ich da nicht auch ein Wort mit zureden?“ fragte Janok erschrocken. „Nein!“ sagte ich im selben Moment in dem Alec „Ja.“ sagte. Ich warf ihm einen bösen Blick zu und er war still. „Du hast mich vorhin gefragt, ob ich mit dir ins Kino will, also kommst du jetzt gefälligst auch mit. Außerdem dürfen wir Cassie nicht außen vorlassen.“ erklärte Nurie bestimmt. „Am besten fragst du sie Alec und wehe ich find heraus, dass du es nicht gemacht hast.“ fuhr sie drohend fort. Dann klingelte endlich die Schulglocke und Nurie verschwand im nächsten Klassenzimmer, wo Alec ihr immer wieder unauffällige Blicke zuwarf.
Als es zur nächsten Pause klingelte, wusste jeder, dass Nuri mit Janok, Alec und Cassie  am Nachmittag ins Kino gehen würde. Was sie noch nie zuvor gemacht hatte. Okay, zumindest sagten alle, dass Nurie das noch nie gemacht hatte. Janok wusste, dass sie eben schon öfters mit anderen ins Kino gegangen war, mit ihm zum Beispiel oder mit ihrer Freundin Lila.
Nurie ging von ihrem Klassenzimmer direkt zu ihrem Spind, wo wie immer Janok schon auf sie wartete. „Jetzt bekommst du deine Feier wahrscheinlich doch noch.“ meinte Janok, als er Nurie erblickte. „Hä?“ machte Nurie verwirrt. Janok rollte mit den Augen. „Die ganze Schule wird ins Kino kommen.“ erklärte er. Nuri sah sich um und merkte, dass die meisten anderen Schüler über das Kino redeten. Sie seufzte dramatisch auf und meinte zustimmend „Da hast du wohl Recht.“ Während Janok seinen Gedanken nach hing, dachte Nurie sich einen Plan aus. Schließlich brach sie das Schweigen. „Kannst du mir einen Gefallen tun, Janok?“ fragte sie schüchtern. Janok runzelte die Stirn. Sonst war Nuri kein bisschen schüchtern. „Was für einen?“ fragte er schließlich skeptisch. „Versprich mir erst, nicht zu lachen.“ verlangte Nurie sofort, da merkte Janok, wie ernst ihr der Gefallen war. „Gut.“ stimmte er zu. „Sag 'Ich verspreche es.'“ Janok seufzte, doch er tat, was Nurie wollte. „Ich verspreche es.“ Nuri war sichtlich erleichtert. Nun lächelte sie wieder schüchtern, packte Janok am Arm und zog ihn in die Abstellkammer. Dort schwieg sie unbehaglich. „Und? Was willst du?“ fragte Janok ungeduldig. „Könnten wir eine Zeit lang so tun, als wären wir zusammen?“ platzte Nurie schließlich heraus. Janok starrte sie ungläubig an, dann runzelte er die Stirn und meinte mit einem hinterlistigen Grinsen „Und was machst du, wenn ich nein sage?“ Nuri´s Augen verengten sich zu Schlitzen, dann entspannte sie sich wieder und lächelte scheinheilig. „Dann mach ich das.“ sagte sie, reckte sich und küsste Janok direkt auf den Mund. Dieser  versteifte sich vor Überraschung und als der erste Schock abebbte, schob er Nurie sanft von sich. „Ich weiß nicht Nuri. Ich will unsere Freundschaft nicht kaputt machen.“ erklärte er und trat noch einen Schritt zurück, als Nurie einen auf ihn zuging. „Das tun wir ja auch nicht, wir sind ja nicht wirklich zusammen nur zur Show. Damit ich eine Zeit lang meine Ruhe hab.“ meinte Nuri mit einem leicht flehendem Unterton. „Seh es als dein Geburtstagsgeschenk an mich.“ fügte sie hinzu, als Janok immer noch nicht zustimmte. Schließlich gab Janok auf, nahm Nurie´s Hand und sagte skeptisch. „Dann schaun wir mal, wie gut wir schauspielern können.“ Fröhlich, dass Janok es versuchen wollte, umarmte Nuri ihn freundschaftlich, dann wurde sie wieder ernster und meinte „Wenn du das Gefühl hast die eifersüchtigen Blicke der anderen Jungs nicht mehr aus zu halten, dann sag´s mir, okay?“ „Natürlich, Schatz.“ entgegnete Janok schief grinsend. Auch Nurie fing an zu grinsen, nahm Janko´s Hand und ging mit ihm zurück zu ihrem Spind. „Aber wir müssen schon glaubhaft spielen.“ flüsterte Nurie Janok zu. Dieser nickte leicht, nahm Nuri´s Kopf vorsichtig in die Hände und küsste sie sanft. Sofort brach überall lautes Getuschel aus. Nuri löste sich kurz darauf wieder von Janok und meinte lächelnd „Das mit dem Kino wird interessant werden.“ „Da hast du wohl Recht, Schatz.“ stimmte Janok ihr zu und lächelte dabei ebenfalls. Als es zum Ende der Pause klingelte, gab Nurie Janok noch  einen Abschieds-Kuss und lief schnell ins Klassenzimmer. Dort angekommen, wurde sie von allen neugierig Gemustert. Auf Ihrem Platz, hielt Nurie ihr Buch so, dass der Rest der Klasse sie nicht sehen konnte und folgte dem Unterricht.

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