Endlich daheim, dachte Nurie lächelnd, dann kam Talion durch das Portal. „Soll ich es wieder schließen, oder kann ich es dann nicht wieder öffnen?" wollte Nu wissen. „Es ist deine Insel und somit kannst du ein Portal dorthin jeder Zeit öffnen" erklärte Talion lächelnd. Nurie schloss das Portal und sah sich um. Ihr Zimmer sah immer noch genauso aus, wie sie es vor zwei Tagen verlassen hatte. „Wessen Zimmer ist das?" fragte Talion neugierig. „Meines" antwortete Nurie lächelnd und ging zur Tür. Daneben hing ihre schwarze Lederjacke, die sie sich schnell über zog. Talion folgte ihr. Er hatte ein Foto in der Hand. Nu sah über seine Schulter und erkannte das Bild, das auf ihrem Nachtkästchen gestanden hatte. Darauf sah man Nurie, wie sie auf Janok's Schultern saß und dem Sonnenuntergang entgegen lief. „Das hat meine Freundin Lila gemacht." erklärte Nurie lächelnd. „Wer ist das?" wollte Talion wissen und zeigte auf Janok. Grinsend erklärte Nurie „Das ist Janok. Mit ihm bin ich schon Ewigkeiten befreundet. Er würde wahrscheinlich alles für mich tun." Etwas blitzte in Talion's Augen auf. War das etwa Eifersucht? Nurie lächelte belustigt. „Was ist?" fragte Talion verwirrt. „Nichts, nichts." meinte Nu und wandte sich wieder zur Tür. „Wir sollten meinen Vater suchen gehen." sagte sie leise und ging auf den Gang hinaus. Lauschend schlichen die zwei Elfen erst durch den oberen Stock, dann teilten sie sich auf und suchten im Erdgeschoss. In der Küche fiel Nurie's Blick sofort auf den Esstisch und unerwarteter Weise lag dort ein Zettel.
Meine liebe Nurie,
wenn du das liest, bist du anscheinend wieder nach Hause gekommen
und um ehrlich zu sein, kann ich das nicht verstehen. Es tut mir
leid, das ich an einem so wichtigen Tag nicht bei dir war und
Mona dir vorgezogen habe. Ich weiß zwar nicht, wo du bist, aber
bitte ruf mich an, sobald du das gelesen hast. Ich habe überall nach
dir gesucht und Lila und Janok machen sich fast so viele Sorgen wie
ich. Janok glaubt sogar, das du entführt wurdest, aber wir beide wissen
ja, warum das unmöglich ist.
Ich vermiss dich sehr.
Dein VaterEs hatten sich unbemerkt ein paar Tränen aus Nurie's Augen gelöst. Schniefend legte sie den Zettel wieder auf den Tisch und setzte sich dann auf einen Stuhl. Nach einiger Zeit kam Talion herein. Ohne ein Wort zu sagen, las er den Brief durch und setzte sich dann neben Nurie. Vorsichtig nahm er sie in den Arm und dann fing Nurie richtig an zu weinen, doch nach ein paar Minuten hatte sie sich wieder beruhigt. Talion lies sie los und sah sich suchend um. Er griff hinter Nurie und reichte dieser dann das Telefon. „Ruf ihn an." sagte er sanft und ging aus der Küche in Richtung Wohnzimmer. Schnell wählte Nu die Nummer ihres Vaters. Zittrig wartete sie darauf, das er abnahm, was er auch schon nach dem zweiten Klingeln tat. „Hallo, wer ist da?" fragte er an der anderen Seite der Leitung. „Ich bin es Dad." erklärte Nu. „Nurie." sagte ihr Vater atemlos. „Ja." bestätigte sie ruhig. „Wo warst du?" wollte ihr Vater wissen. „Das möchte ich nicht am Telefon sagen, deshalb komm bitte nach Hause. Ich warte noch eine halbe Stunde, dann geh ich zurück." erklärte Nu und legte schnell auf. Sie bekam angst. Was ist, wenn er nicht kommt oder noch schlimmer, wenn er doch kommt und Nurie nicht mehr gehen lassen will? Nurie's Atem geht schneller. Wie sollte Nu ihm alles erklären? Wird er mit zur Insel kommen? „Beruhige dich, Nu." sagte Talion plötzlich. Anscheinend hat er mitbekommen, das Nurie nicht mehr telefonierte. Nu konzentrierte sich darauf wieder normal zu atmen. Talion lächelte sie an und meinte „Wenn du nicht mit deinem Vater reden willst, kann ich das gern übernehmen." „Auf keinen Fall." sagte Nurie bestürzt. Talion runzelte verwirrt die Stirn. „Wieso nicht?" fragte er. Nurie lächelte leicht und erklärte schnell „Wenn mein Vater dich sieht, wird er mich nicht einmal zu Wort kommen lassen. Er ist sehr speziell, wenn es um Jungen geht, die ich mit nach Hause bringe." „Das versteh ich nicht." sagte Talion immer noch durcheinander. „Geh einfach ins Wohnzimmer und pass auf, das mein Vater dich vor erst nicht sieht." verlangte Nurie und stand auf. Talion blieb stehen, tat dann jedoch seufzend, was Nu wollte. Lächelnd kochte Nurie Tee und gerade, als er fertig war, ging die Haustür auf. Schnell lief Nu zur Tür und erblickte ihren Vater, der die Tür schloss. Als er auf sah, erkannte er Nurie und lief auf sie zu. Sie schlossen sich in die Arme. „Ich hab mir solche Sorgen gemacht." flüsterte er ihr ins Ohr. Nurie war erleichtert. Ihr Vater hatte nicht vor sie zu bestrafen. Zumindest jetzt noch nicht. Lächelnd nahm Nu die Hand ihres Vaters, führte ihn in die Küche und schenkte ihm eine Tasse Tee ein. Ohne alles, wie er es gern hatte. „Wo warst du?" fragte er ruhig und nippte an seinem Tee. „Ich war auf einer Insel." antwortete Nu und formulierte es extra vorsichtig. „Auf welcher Insel?" wollte ihr Vater wissen und Nu erkannte, das er wusste, wovon sie sprach. „Du weißt es." sagte sie und hoffte er würde nicht ausrasten. Seufzend stand er auf und fragte mit einem traurigen Ton „Wie hast du von der Insel erfahren?" „Durch mich." sagte Talion, der plötzlich in der Tür stand. Nu biss sich auf die Unterlippe und sah ihren Vater neugierig an. Dieser drehte sich zu Talion, stutze und sagte überrascht „Talion." Mit dieser Reaktion hatte Nu nicht gerechnet. Woher kannte ihr Vater Talion? Er war nicht viel älter, als Nu selbst, also woher. Gerade machte Nurie den Mund auf, da kam Talion ihr zuvor „Woher kennt Ihr meinen Namen?" fragte er. So wie es aussah, hatten er und Nu den gleichen Gedanken gehabt. „Darylia hat mir von deinem Vater erzählt, und das er ihr bester Freund war und gestorben ist... und das du jetzt ein Waise bist." fing Nurie's Vater zögernd an. Talion nickte langsam und Nu's Vater fuhr fort „Ich hab ihr versprochen, ein Auge auf dich zu haben und dir ihm Notfall mit Hilfe von Magie zu helfen, was aber nicht notwendig war." Nurie und Talion starrten ihn ungläubig an und er wurde leicht nervös. „Wirst du mit zurück zur Insel kommen?" änderte Nurie das Thema schnell. Eydrim lächelte leicht und meinte ruhig „Ich bin rechtmäßiger Anführer der Drachenreiter und deswegen muss ich noch einmal zurück, aber ich werde nur einen Nachfolger ernennen und dann wieder hierher kommen." Als er Nu's traurige Miene sah, fügte er noch hinzu „Ich werde dich aber auf jeden Fall besuchen kommen, aber jemand muss dein Verschwinden erklären und außerdem hab ich ewig gebraucht, um das hier alles auf die Reihe zu bringen und ich will nicht, dass es umsonst war." Eine Träne rollte über Nurie's Wange, doch sie wischte sie schnell wieder weg. Jetzt war keine Zeit zum Trauern. „Dann sollten wir gleich wieder zurück und das schnell erledigen, ich muss nämlich mal nach Lyrim sehen." sagte Nu und Malte einen Kreis in die Luft. Eydrim stutzte erneut und sah seine Tochter stolz an. „Du ähnelst deiner Mutter sehr." erklärte er lächelnd. Nurie lächelte zurück und ging durch das schimmernde Portal. Ihr Vater folgte ihr schnell und dann kam Talion. Langsam wurde der Ast eng und Nurie sprang einen nach unten. „Wieso sind wir auf einen Ast gelandet? Du hast doch Höhenangst." meinte ihr Vater verwirrt. „Ich hab vor geschlagen, das Portal hier oben zu öffnen, um es zu verbergen." erklärte Talion und folgte Nurie, die dem Boden immer näher kam. „Ja und ich hab hier keine Höhenangst, weil die Insel mir nichts zu leide tut." ergänzte Nu und sprang elegant vom untersten Ast. Die andern zwei folgten ihr und dann sah Eydrim sich mit leuchtenden Augen um. „Außer der Eiche und der Weide sieht es hier immer noch genauso aus, wie vor sechzehn Jahren." sagte er und ging an den Rand des Blütensees. „Wie hast du es geschafft, das er deine Gefühle nicht mehr zeigt?" wollte er Wissen und ging in die Hocke. Nurie lächelte breiter und wollte gerade antworten, doch ihr Vater fuhr bereits fort „Wusstest du, das der Du Niernen Adurna für alle Elfen, die nicht Darylia's Nachfahren sind, tödlich ist?" „Nein." sagte Nurie erstaunt und sah Talion neugierig an. Wieso hatte er es ihr nicht gesagt? Nurie pfiff einmal und Sköliro kam angeflogen, setzte sich aber nicht auf ihre Schulter, sondern beäugte ihren Vater misstrauisch. Dieser schaute Nurie liebevoll an. „Deine Mutter hatte einen Raben." erklärte er und lief weiter. Hatte Talion das auch gewusst und Nurie verschwiegen? Nurie schob diesen Gedanken beiseite und drang in Sköliro's Geist ein.
Komm ruhig runter, er ist in Ordnung, dachte sie und der grüne Falke landete endlich auf ihrer Schulter.
Mit einem Schnippen tauchten zwei weiße Pferde auf und Nurie erklärte „Die sind für euch, sobald ihr an der Küste seit, werden sie zu Delfinen und schließen sich den anderen an. Ich geh nach Lyrim schauen und danach bin ich wieder hier." Eine schnelle Handbewegung und das Portal tauchte auf. Lächelnd sah Nurie ihren Vater an, dann Talion. „Bis dann." sagte Nurie, schickte ihren grünen Falken zurück auf die Eiche und ging schnell durch das Portal.
Nu schloss das Portal wieder. Im Zimmer, in dem Nurie Lyrim gelegt hatte, war niemand anderes, als Lyrim, der leise atmend in der Liege lag und Nu dachte erst, er würde immer noch schlafen, doch dann schlug er die Augen auf. Nurie hatte auf dem Weg durch das Portal wieder ihre grünen Klamotten angezogen und anscheinend hatte Lyrim den Farbwechsel bemerkt, denn er drehte den Kopf. Seine Augen wurden wachsamer, als er Nurie erkannte. „Hallo." sagte sie vorsichtig. „Hallo." erwiderte der Elf ruhig. „Wie geht es Euch?" fragte Nu und ging zu ihm an die Liege. „Für das, dass ich so K.O. war, geht es mir erstaunlich gut." antwortete Lyrim und gegen Nurie's Erwartung, fing er an zu lächeln. „Du bist die erste, die es geschafft hat mich zu besiegen." erklärte er und setzte sich vorsichtig auf. „Ich hatte wahrscheinlich den besseren Lehrer." meinte Nurie und erwiderte das Lächeln vorsichtig. „Wer hat dir das Kämpfen beigebracht?" wollte Lyrim wissen. „Eydrim, der übrigens gerade auf den Weg zu deiner Lordschaft ist." antwortete Nurie und sah, wie Lyrim verwirrt die Stirn runzelte. „Ich war in der Welt der Menschen und hab ihn mit gebracht. Jetzt will er einen neuen Anführer für eure Lordschaft auswählen und ist mit Talion zu den Sommer-Inseln geritten." fuhr Nurie fort. Lyrim glaubte ihr immer noch nicht, deshalb sagte Nurie in der Sprache der Elfen „Eka Thorta du Ilumeö!" das bedeutete 'Ich spreche die Wahrheit!' und da man in dieser Sprache nicht lügen konnte, sprang Lyrim auf und wäre wieder hingefallen, wenn Nurie nicht vor geschnellt wäre und ihn fest gehalten hätte. „Nicht so schnell." warnte sie und malte einen Kreis in die Luft. Lyrim schnaubte und wollte sich aus Nu's Griff befreien, doch sie war schneller und zog ihn durch das Portal mit sich. Auf der anderen Seite standen sie auf einer kleinen Insel mitten im Du Niernen Adurna, die Nurie gerade erst geschaffen hatte. Lyrim's Augen weiteten sich überrascht und Nurie ging schnell einige Schritte hinein in den Blütensee und baute ein Gitter um die Insel, die gerade mal Platz für eine Person bot. „Wieso machst du das?" fragte Lyrim aufgebracht. Nurie lächelte leicht und erklärte „Weil du noch zu sehr geschwächt bist und ich dich deshalb begleiten werde und da wir noch genug Zeit haben und ich nicht riskieren will, dass du doch alleine gehst, bleibst du jetzt erstmal hier." „Kannst du es hier drin dann nicht wenigstens gemütlicher machen?" wollte Lyrim seufzend wissen. „Das ist eine tolle Idee." sagte Nurie mit leuchtenden Augen und schnippte mit den Fingern. Plötzlich wurde aus dem Käfig ein kleines, weißes Schloss, mit kunterbunten Fenstern, einem Turm und ohne Tor. Nurie dachte weiter darüber nach, wie es sein sollte und das Schloss veränderte seine Standstelle so, dass es nicht nah genug an dem Festland war, das jemand hinein kommen konnte. „Nur noch ein Schutzschild, damit auch wirklich nur die Leute herein kommen können, die ich will." sagte Nurie wie zu sich selbst und dann ging sie mithilfe eines Portals hinein.
Lyrim stand staunend in der Mitte eines beleuchteten Saals. Nurie stellte sich zwei Treppen vor, die rechts und links an der Wand hoch führten und sich dann trafen. Dort oben zweigte ein Gang nach rechts und einer nach links ab. Lyrim kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus, während Nurie das schloss weiter gestaltete. Die Wände wurden gelblich und die Treppen bekamen einen Teppich, damit man auf dem Marmor nicht ausrutschte. Der Marmorboden bekam ein kringliges Muster, in dem man Blätter, Vögel und Blüten erkennen konnte. Nurie machte die Fenster so lang, das sie fast bis zum Boden gingen. Auch sie bekamen Kringelmuster mit Blüten, Vögel und Blätter. Zufrieden lächelnd erschaffte Nu noch schnell weiße Vorhänge vor den Fenstern, dann wandte sie sich an Lyrim. „Zufrieden?" fragte sie schief grinsend. „Vielleicht noch ein, zwei Sofas." schlug er vor. Nurie konzentrierte sich und es tauchten ein weinrotes und ein weißes Sofa auf. Lyrim lächelte und setzte sich. Langsam kam er aus seinem Staunen wieder zurück und sah an die Decke. „Die sollte vielleicht ein weißes Baummuster bekommen." schlug er vor und Nurie tat es schnell. „Langsam fang ich an dich zu mögen." meinte Lyrim und Nu spürte die Unsicherheit, die er hatte, als er statt 'Euch' 'dich' sagte. „Ich fang auch an dich zu mögen, Lyrim, aber ich glaub wir sollten langsam zu meinem Vater gehen." sagte Nurie ruhig. „Also ist Eydrim dein Vater?" fragte Lyrim und Nu nickte. „Dann lass uns gehen." sagte der Elf und stand wieder auf. Nurie zeichnete einen Kreis und ging Lyrim voraus durch das Portal, das sie gleich wieder schloss, sobald Lyrim durch war. Nurie sah sich um und erkannte die Brücke, die auf die Nebeninseln führte. „Komm." sagte sie, ging langsam über die Brücke und hielt nach ihrem Vater aus schau. Auf der andern Seite fand sie ihn schließlich. Er war von Elfen umringt und als er Nurie sah, drängte er sich durch sie hindurch und ging zu seiner Tochter. „Da bist du ja, Liebes." sagte er lächelnd. Nurie erwiderte das Lächeln freundlich und fragte „Hat Lordaius schon mitbekommen, dass du da bist?" „Ja." antwortete ihr Vater. „Schade. Ich hätte zu gern sein Gesichtsausdruck gesehen." meinte Nu. Ihr Vater grinste belustigt und entgegnete „Es war urkomisch. Anscheinend hat er damit gerechnet, das ich nie wieder zurück kommen werde." Nurie kicherte und ging mit ihrem Vater weiter zum Baum, auf dem Sommer-, Feuer- und Drachenreiterelfen lebten. „Ich werde jetzt in den großen Versammlungsraum gehen, wenn du nicht mit willst, dann such dir einen Ort in der Nähe, bei dem du auf mich wartest, ja?" verlangte Eydrim leicht lächelnd. „Ja." stimmte Nurie zu, gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange und blieb am Eingang in den Baum stehen. Bald waren die meisten Elfen weg und Nurie hatte ihre Ruhe. In Gedanken versunken ließ Nu eine gelbe Orchidee wachsen und verformte die Blütenblätter, wie es ihr gefiel, dann färbte sie blau, dann rot und schließlich weiß. Lächelnd dachte sie an das weiße Kleid und schon hatte sie es an.
Plötzlich streifte ein Geist den ihren und Nurie sah sich erschrocken um. Und entdeckte Talion, der sie angrinste und ihr gegenüber am Stamm lehnte. Erneut streift ein Geist fragend ihren und Nurie verstand, das es Talion war. Ganz, ganz langsam und vorsichtig ließ Nurie ihr Schutzschild ein Stückchen hinunter.
Du überraschst mich aber auch immer wieder, hörte Nurie Talion's Stimme in ihrem Kopf.
Ihre Augen weiteten sich und sie musste sich konzentrieren, Talion nicht mehr sehen zu lassen, als er sollte.
Ich dachte, du lässt so gut wie niemanden in deinen Kopf, erklärte sie stumm und stand auf.
„Das stimmt auch, aber dir vertraue ich mehr, als allen anderen." sagte Talion diesmal laut. Nurie baute ihr Schild wieder auf. „Wieso?" wollte sie wissen. Talion lächelte sie schief an und erklärte „Es ist nicht so, weil ich denke, dass du mir nichts anhaben kannst. Ich weiß, dass das Gegenteil der Fall ist, aber du bist nicht unter Elfen aufgewachsen und kannst uns dadurch besser einschätzen, als wir selbst." Nurie erwiderte das Lächeln und meinte verlegen „Wenn du meinst, aber ich selbst würde mir nicht so schnell vertrauen. Ich werde schließlich zu schnell misstrauisch oder wütend." „Das finde ich nicht. Du bist lediglich gewöhnungsbedürftig." erwiderte Talion grinsend und ging langsam durch das Tor zur Treppe. Nurie seufzte und wollte ihm folgen, traute sich aber nicht. An der Treppe blieb Talion stehen und drehte sich zu Nurie um. „Kommst du mit nach oben?" fragte er ruhig und Nurie musste erst zweimal hinsehen, bevor ihr auffiel, wie er nervös auf seiner Unterlippe herum biss. Was war bloß los mit ihm? Gestern hat er doch noch den arroganten Elf gespielt und plötzlich benahm er sich wie ein scheues Häschen. Toller Vergleich, nicht? Nu überlegte noch etwas, bevor sie zögernd antwortete „Wieso nicht?" und dann liefen Talion und sie hinauf zu Talion's Wohnung. Plötzlich spürte Nurie, wie ein Geist ihren fragend streifte. Verwirrt runzelte sie die Stirn und blieb vor der Tür stehen. Sie kannte diesen Geist, aber nicht von hier. Vorsichtig öffnete Nu sich etwas. Hallo, meine Kleine. hörte Nurie eine fremde Frauenstimme in ihrem Kopf.
Wer bist du? fragte sie in Gedanken.
Ich bin der Geist deiner Mutter. Ich werde dir und den anderen Helfen, soweit ich kann, aber da ich tot bin, ist das nicht viel, hörte Nu den Geist.
Erstaunt riss sie die Augen auf und der Geist fuhr fort.
Ich werde immer auf dieser Insel bei dir sein und ein paar der anderen haben ebenfalls gerade erfahren, dass es mich gibt.
„Wer?" fragte Nurie leise.
Dein Vater, deine Freundin Mira, dein hübscher Talion, dein Ausbilder Lyrim, dein neuer Freund Jamier, meine rechte Hand Serdan, meine Freundinnen Firina, die Zwillinge Wyrdra und Domina, mein bester Freund Bloeedhgarm und Loivissa, die treue Drachendame, erklärte Darylia's Geist ruhig.
Nurie's Blick huschte zu Talion. Er war wie erstarrt.
Wieso sie? dachte Nurie, die sich bemühte nicht los zu schreien.
Die Antwort kam schneller als gedacht. Sie vertrauen dir und was auf dieser Insel noch wichtiger ist, sie haben dich in ihre Herzen geschlossen.
Nurie spürte, wie ihre Mutter die Geister der anderen wieder weg stieß.
Du solltest Talion beobachten, er hat fast schon eine größere Zuneigung zu dir, als dein Vater. hörte Nurie sie noch, dann war sie auch schon weg.
Nu starrte Talion eine Zeit lang an, während er seine Tür öffnete und als er sich wieder zu Nurie drehte, sah sie schnell an ihm vorbei in die Wohnung. Stimmte was ihre Mutter gesagt hatte? Konnte es sein, dass ein Elf wie er auch an andere dachte? Schweigend ging Nu in die Wohnung und setzte sich auf das schwarze Sofa.
Nurie war noch immer in Gedanken versunken, als Talion sie an der Schulter an tippte. Nurie blinzelte und sah ihn an. „Was ist?" fragte sie immer noch etwas abwesend. „Wie geht es dir?" wollte Talion wissen. Nu wollte erst sagen, das alles in Ordnung war, aber dann sah sie Talion's besorgte Mine und sagte die Wahrheit. „Ich bin verwirrt, hab angst und vermisse meine Freunde aus der Welt der Menschen." damit schaffte Nurie es mal wieder Talion zum staunen zu bringen. Er setzte sich neben Nu auf das Sofa. „Wovor hast du Angst?" fragte er ruhig. Nurie lächelte traurig und erzählte langsam „Ich habe Angst davor, zu versagen und nicht akzeptiert zu werden." „Du wirst nicht versagen, das weiß ich." versicherte Talion ihr. Nurie schmiegte sich an seine Brust und sagte das, was ihr schon wieder durch den Kopf schwirrte. „Und ich bin verwirrt, weil der Geist meiner Mutter meinte, das deine Zuneigung zu mir fast so groß ist, wie die meines Vaters." Verunsichert sah Nurie Talion in die Augen und tatsächlich fand sie dort die Zuneigung, die Darylia gemeint haben muss. „Ich hatte gehofft, sie würde es für sich behalten." murmelte Talion fast zu leise um es zu verstehen, doch Nu verstand es. „Also stimmt es?" wollte sie wissen. Talion war verunsichert und antwortete eine lange Zeit nicht, doch schließlich überwand er sich. „Ja." sagte er sichtlich nervös. Nurie lächelt und schloss die Augen. Sie stellte sich vor, wie Talion mit ihr nicht mehr in seiner Wohnung war, sondern auf dem weißen Sofa in ihrem kleinen Schloss. Als Nurie die Augen wieder aufschlug, war natürlich geschehen, was sie sich vorgestellt hatte. „Wie findest du mein kleines Häuschen?" fragte sie und stand langsam auf. An Talion's Gesichtsausdruck konnte sie erkennen, das bis jetzt gar nicht gemerkt hatte, das sie woanders waren. Erstaunt sah er sich um. „Es ist toll." sagte er schließlich und Nurie erkannte, dass er immer noch total verunsichert war. Sie biss sich auf die Lippe. Mag ich ihn auch so sehr, fragte sie sich. Sie öffnete ihren Geist und lauschte. Talion hielt sich bewusst zurück und lies den Geist geschlossen.
Ja, hörte Nurie ihre Mutter, lauschte aber weiter.
Lass dich ruhig auf ihn ein, er ist dir nämlich wirklich wichtig, dachte Nu's Vater, dessen Geist sie gerade zum ersten mal spürte.
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Schattenvogel
ParanormalNurie ist Einzelkind und wird von ihrem Vater groß gezogen. Was mit ihrer Mutter ist, weiß sie nicht. Was sie aber weiß, ist, dass sie eine Elfe ist und ihr Vater sie vor den anderen beschützt. Als sie an ihrem Geburtstag jedoch von einem Elfen in d...