Kapitel 7

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"Meine Geschichte ist eigentlich ziemlich unspektakulär.", fängt Markus an zu erzählen, "Ich hatte noch nie das beste Verhältnis zu meinen Eltern. Sie sind die ganze Zeit arbeiten und dementsprechend wenig zu Hause. Das hat mich früher sehr verletzt. Und wenn sie dann mal zu Hause waren, um Zeit mit mir zu verbringen, wollten sie, dass ich Dinge mache, die ich nicht mag. Am besten hätte ich Golfprofi werden sollen, oder Tennisspieler. Sie sind nicht wirklich einverstanden damit, dass ich Fußball spiele. Deswegen haben wir uns oft gestritten. Um den ganzen Konflikten aus dem Weg zu gehen, war ich wenig zu Hause und viel draußen unterwegs. Und zu meinem Glück liegt direkt neben unserem Haus ein Waisenhaus. Eines Tages, da muss ich ca sieben gewesen sein, bin ich mit einem Jungen in meinem Alter zusammengestoßen, der in diesem Waisenhaus wohnte. Sein Name ist Jojo und wir haben uns angefreundet und mochten beide Fußball. Aber weil ich ja zu Hause kein Fußball spielen durfte, mussten wir dazu immer in den Garten im Waisenhaus. Ungefähr ein Jahr später, als Jojo und ich mal wieder ein Elfmeter schießen machten, stand Leon am Zaun. Er hat uns beim Spielen gesehen und wollte uns in der Mannschaft haben. Die wilden Kerle hätten in ein paar Tagen ein Spiel und sie bräuchten noch zwei Spieler. Umso besser war es für Leon, dass ich am liebsten im Tor stehe, denn sie hatten noch keinen vernünftigen Torwart. Am nächsten Morgen hat er uns mit zum Training genommen und da hab ich dann Marlon, Maxi, Fabi und Juli kennengelernt."

Der Blonde hatte also auch nicht die beste Situation zu Hause, aber dafür eine umso bessere Mannschaft. "Und wo waren da Vanessa, Raban, Joschka und Nerv und wer sind Fabi und Juli?", forsche ich sogleich nach. "Juli ist der ältere Bruder von Joschka und macht aktuell ein Auslandsjahr in Amerika und Fabi war früher Leons bester Freund. Allerdings ist er weggezogen und hat seine eigene Mannschaft "die biestigen Biester gegründet" gegen die wir letztes Jahr gespielt haben, aber die Geschichte kann ich dir ja mal wann anders erzählen, wenn du willst?" Ich nicke ihm lächelnd zu und fordere ihn auf weiterzusprechen. "Vanessa kam ein paar Tage später in die Mannschaft. Sie zog gerade her und wollte in die Mannschaft. Aber damals fanden wir Mädchen total ekelig und somit hat sie uns zu einem Elfmeterschießen an ihrem Geburtstag herausgefordert. Das hat sie gewonnen und seitdem ist sie Teil des Teams. Raban und Joschka wurden damals von Leon aus der Mannschaft geworfen, weil sie wohl nicht gut genug waren. Jojo und ich waren sozusagen der Ersatz für die beiden. Aber ein paar Tage später wurden sie wieder aufgenommen. Und Nerv kam erst letztes Jahr ins Team. Er ist ja auch noch sehr jung und war früher unser größter Fan.", erklärt er lachend.

"Jetzt bist du aber dran mit dem Geschichten erzählen. Ich habe jetzt lange genug geredet.", fordert er mich auf. "Ich bin mit meiner Mutter in der Nähe von Köln aufgewachsen. Wir hatten keine andere Familie mehr. Es war also immer nur meine Mutter und ich.", bei dem Gedanken musste ich schmunzeln. Es wird aber eher zu einer traurigen Lächeln, als ich weiter rede, "Sie war alles für mich. Mein Leben war toll, ich hatte eine gute Kindheit. Ich ging gerne zur Schule, hatte viele Freunde und ich habe Köln geliebt. Allerdings starb sie vor zwei Jahren und ab da ging alles Berg ab. Das Jugendamt steckte mich ins Heim, weil ich keine Verwandten habe. Mein Vater starb nämlich als ich fünf war an einem Motorradunfall. Ich kann mich kaum an ihn erinnern." Vereinzelnd laufen mir ein paar Tränen übers Gesicht. "Das tut mir leid. Du musst nicht weiter machen, wenn du nicht willst.", wirft Markus ein, "Brauchst du eine Umarmung?" Ich lehne mich in seine Richtung und er zieht mich in seine Arme. Dankbar schenke ich ihm ein kurzes Lächeln. Die Umarmung tut gut, aber trotzdem bin ich froh, dass Markus vorher gefragt hat. Ich bin bei neuen Leuten nämlich meist nicht der körperliche Typ. Aber bei ihm fühle ich mich wohl.

Ich fange an weiterzureden, "Kurze Zeit später nahm mich eine Pflegefamilie aus. Allerdings musste ich dafür in die Nähe nach München ziehen und meine Freunde zurücklassen. Aber ich hatte ja keine Wahl, also zog ich weg. In der Schule in München hab ich dann Jaromir kennengelernt, weil wir ineinander reingelaufen sind und er hat mich Erik vorgestellt. Irgendwann haben sie mich mit zu den Wölfen genommen und ich war mehr als froh darüber. Meine Beziehung zu meinen Pflegeeltern ist nämlich auch nicht die beste, deswegen bin ich gerne woanders. Deswegen bin ich auch nicht nach Hause gefahren, wie die anderen Wölfe." Eine Zeit lang schweigen wir beide. Der Torwart hat immer noch einen Arm um mich gelegt und meine Schulter liegt mittlerweile auf seiner Schulter. Ich denke wir beide müssen erstmal verarbeiten, was wir über uns preisgegeben haben. Außerdem halte ich es für eine unglaubliche Ehre, dass Markus mir diese sehr persönlichen Dinge anvertraut hat. "Darf ich dich was fragen?", versichert sich der ältere. Von mir kommt ein zustimmendes Brummen. "Standest du Jaromir sehr nah?" "Ja, er war mein bester Freund. Ich konnte ihm alles anvertrauen und er war immer für mich da. Zumindest bis er mich von einen auf den anderen Tag verließ für ein Mädchen, dass er für gerade mal zwei Tage kannte. Er hat sich nicht mal verabschiedet. Nachts ist er auf einmal mit Erik zusammen abgehauen." In meinen Augen sammeln sich schon wieder Tränen.

Mittlerweile ist es schon Nachmittag. Markus und ich haben Ewigkeiten hier gesessen und geredet. Aber es hat gutgetan jemanden das alles mal zu erzählen. Ich habe mich in meine Hütte zurückgezogen und lese mein Buch weiter. Die Kerle und Klette spielen draußen ein bisschen Fußball, um die Zeit um zubekommen. Sie haben sich immer noch nicht entschieden, was sie machen wollen. Entweder sie fahren nach Hause, oder sie fahren den Brüdern hinterher.

Als es Nacht wird, gehen alle schlafen. Und endlich kann ich vernünftig einschlafen. Das kommt wahrscheinlich von der Anstrengung der letzten Tage. An diesem Morgen werde ich von Motorengeräuschen geweckt. Haben die Kerle sich etwa entschieden? Schnell stehe ich auf uns stürme, ohne nachzudenken nach draußen. Vor dem Tor stehen Maxi und Vanessa mit gepackten Taschen, die sie gerade in ihren Motorrädern verstauen. Der Rest der Kerle schaut sie genauso überfordert an, wie ich. "Was habt ihr vor?", bricht Raban die Stille. Die beiden ignorieren ihn jedoch und packen weiter. Nerv schafft Klarheit. "Die Fahren nach Hause." Er ist sauer. Das sieht man ihm an. Ich schätze er ist enttäuscht, dass sein Bruder ihn einfach im Stick lässt. Endlich meldet Maxi sich, "Ja, und wen ich euch einen Tipp geben soll, dann kommt ihr mit. Sonst wird es die wilden Kerle nicht mehr geben." "Du meinst sowie die Wölfe? Die gibt es auch nicht mehr. Die haben gekniffen.", schaltet Klette sich ein, die ich vorher gar nicht bemerkt habe. "Leon und Marlon sind zuerst abgehauen.", wirft Vanessa ein. "Und ihr lasst sie jetzt im Stich!" Der Kommentar kommt von Joschka, der sich langsam aus seiner Schockstarre gelöst hat. "Wir lassen sie bei Horizon!", kontert die Hellblonde. "Ich habe die beiden diese Nacht gesehen, die haben geknutscht. Maxi freut sich scheinbar so richtig, dass Leon weg ist.", erklärt Maxis Stiefbruder dem Rest der Mannschaft. "Ist das wahr?", fragt Raban nach, doch bekommt mal wieder keine Antwort. "Komm, wir fahren!", sagt Maxi an seine beste Freundin gerichtet und schon sind die beiden weg.

"Ihr seid solche Verräter!", ruft Nerv ihnen noch hinterher, "Und du bist es auch!" Dabei guckt er diesmal Markus an, der ebenfalls seine Sachen zusammenpackt. "Kann schon sein, aber vorher finde ich es heraus. Ich fahre durch den Nebel." Jetzt wo Maxi und Vanessa weg sind, scheint die Verantwortung bei der Nummer eins der Mannschaft zu liegen, denn der Rest stimmt ihm zu und fängt an alles zusammenzusuchen. Fragend schauen Klette und ich uns an. Was machen wir beide jetzt? Wollten die Kerle uns überhaupt dabei haben, oder fahren wir besser nach Hause, oder bleiben wir doch hier? Zu viele Sachen gehen mir auf einmal durch den Kopf. Allerdings werden mir meine Fragen beantwortet, als Markus auf mich zu kommt. "Kommst du mit uns?", fragt er mich hoffnungsvoll. "Aber ich bin doch gar kein wilder Kerl. Was ist, wenn deine Mannschaft mich gar nicht da haben will? Ich kann ja nicht mal Fußball spielen, also bin ich euch keine große Hilfe. Und was wird aus Klette?" Die Worte sprudeln mir geradezu aus dem Mund. Amüsiert guckt der Größere mich an, "Beruhig dich. Ich weiß nicht wie meine Mannschaft das sieht, aber ich will dich dabei haben. Mir ist es egal, was die Anderen denken. Ich möchte, dass du bei mir bist. Außerdem möchte ich nicht, dass du mitkommst, damit du helfen kannst, sondern weil ich dich mag. Und wenn du unbedingt helfen möchtest, kannst du uns ja vielleicht bei den Strategien helfen. Und Klette kommt natürlich auch mit. Wir können sie ja nicht von Nerv trennen." Unsicher gucke ich zu Nerv und den Erfindern rüber, die unsere Unterhaltung lächelnd mitverfolgt haben. "Natürlich haben wir kein Problem damit, wenn du mitkommst. Wir würden uns freuen, oder?, schaltet Raban sich ein und guckt die anderen beiden fragend an. Diese nicken unterstützend.

"Klette, ist das auch für dich okay?" "Na klar.", antwortet sie mir wie aus der Pistole geschossen. Ich drehe mich wieder zu Markus um und antworte, "Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mitzukommen." Mein Gegenüber strahlt mich geradezu an. "Dann packen wir unsere Sachen und fahren hinter den Nebel!"

Die Wilden Kerle und JuniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt