Kapitel 6

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"Wie meinst du das? Seid ihr kein gutes Team?", führt Markus unser Gespräch weiter. Ich zucke mit den Schultern, "Jedes Team ist zerbrechlich. Genauso wie jede Decke instabil wird, wenn man einen wichtigen Pfeiler wegnimmt. Aber wenn der Rest alles dafür macht diesen Pfeiler wieder zu stabilisieren, stürzt vielleicht nicht alles ein."

Während der Torwart der Kerle neben mir sitzt, starren die restlichen Kerle immer noch in die Flammen vor sich. Sie müssen erstmal verarbeiten, was ihnen erzählt wurde. Irgendwann setzt sich auch Vanessa zu ihrem Freund. "Können wir reden?", fragt sie Leon. "Ich weiß nicht worüber." Autsch, das muss wehgetan haben! Danach herrscht Stille und alle hängen wieder ihren eigenen Gedanken nach. Marlon muss wohl irgendwann unbemerkt aufgestanden sein, denn gerade fährt er mit seinem Motorrad auf seine Freunde zu und bleibt vor ihnen stehen, um sie anzuschauen. "Ich fahre." Die einzige Antwort, die er bekommt, sind fragende Blicke und Schweigen. "Okay, ich verstehe. Ich hoffe, du hast deinen Cowboy-Anzug noch und du dein Kaninchenbommelschwanz-Kostüm.", diesmal spricht er seinen Bruder und seine Freundin an. Er startet das Rad und fährt hinaus in den Wald.

Jetzt schweigen die Jungs nicht mehr. "Der ist doch verrückt." "Der ist nicht mehr zurechnungsfähig, Leon.", reden die beiden Erfinder auf den jüngeren Bruder ein. "Ihr habt doch nur Schiss!", schreit er zurück und steht auf. Er läuft ins Lager, packt sich ein paar seiner Sachen zusammen und nimmt sich sein Motorrad. Vanessa versucht ihn davon abzuhalten zu fahren, "Mach das nicht Leon. Horizon gehört nicht in unsere Welt." Wütend schaut er ihr in die Augen, "Ach ja, und warum war sie dann hier? Sie hat uns herausgefordert" "Und sie haben Erik das Kreuz auf die Brust tätowiert. Willst du das auch?" Vanessa sieht mittlerweile richtig verzweifelt aus. Er zögert kurz, "Das werden wir dann sehen." " Leon, wir haben alles gewonnen und nächstes Jahr gewinnen wir wieder. Wir sind die besten." "Nein, Horizon ist besser als wir." Er steigt auf sein Motorrad und macht Anstalten loszufahren. "Leon, ich bitte dich. Ich liebe...", setzt sie an, doch Leon achtet nicht weiter auf sie und fährt an ihr vorbei, seinem Bruder hinterher.

"Und was machen wir jetzt?", fragt ich der blonde neben mir und guckt dabei in die Runde der übriggebliebenen Kerle. "Also ich werde mal nach Vanessa gucken.", erklärt Maxi bevor er aufsteht und ins Lager geht. Bei uns kehr Stille ein bis Markus sie wieder bricht. "Gibt es irgendwas was du uns erzählen kannst, was uns weiter helfen könnte?" Die Frage richtet er nun an mich? Schüchtern nicke ich. "Es gibt etwas was ich euch zeigen kann. Aber das machen wir a beten morgen. Wir sollten jetzt erstmal schlafen gehen!" Nach und nach stehen die Kerle auf und begeben sich in ihr Lager. "Hey Einser, erzählst du mir irgendwann die Geschichte zu dem Cowboy-Anzug und dem Kaninchenbommel-Kostüm?, rufe ich Markus nach. "Einser?, schmuzelt er, "Klar erzähle ich dir das auch mal. Schlaf gut, June!"

Mal wieder kann ich nicht schlafen. Deshalb sitze ich aktuell mit meinen Stiften und einem Zeichenblock in meinem Bett, als ich auf einmal Stimmen aus dem Lager nebenan höre. Sollten die nicht schlafen? Aber wahrscheinlich gehen ihnen genauso viele Gedanken durch den Kopf wie mir. Da kann es schon mal schwieriger sein zu schlafen. Wenn ich die Stimmen richtig identifiziere, reden Maxi und Vanessa gerade miteinander. Ich habe die Tage mitbekommen, dass die beiden beste Freunde sind. Allerdings erkenne ich auch, dass Maxi mehr für Vanessa zu fühlen scheint, als Freundschaft. Er hat dieses funkeln in seinen Augen, wenn er die dunkelblonde ansieht. Das gleiche Funkeln hat auch Marlon in den Augen, wenn er Horizon anschaut. Ob Vanessa wohl weiß, dass Maxi in sie verliebt ist? Auf jeden Fall reden sie darüber, dass Leon sie schon einmal verlassen und somit im Stich gelassen hat. Irgendwann fragt Maxi, "Denkst du er hat sich auch in sie verliebt?" Damit hat er wohl eine Grenze überschritten, denn ich höre Vanessa nur noch "Shitte nochmal, das geht dich nichts an, hörst du?"

Am nächsten Morgen bin ich früh wach. Ich habe also wenig geschlafen. Erik kommt auf mich zu. "Wir werden jetzt fahren. Möchtest du mitkommen, oder bleibst du noch hier?" Ich habe Klette versprochen, dass wir zusammen bleiben. Deshalb treffe ich die Entscheidung erstmal hier zu bleiben und eventuellen den Kerlen zu helfen. Deshalb nehme ich Erik einmal kurz in den Arm, "Pass bitte auf dich auf." "Mache ich", versichert er mir, "Meld dich, wenn du Hilfe brauchst. Meine Nummer hast du ja. Damit macht er sich auf den Weg zurück in seine Hütte, um die letzte Dinge einzupacken. Kurz darauf verabschieden sich auch schon die Wölfe von mir und Klette, die mittlerweile auch wach geworden ist. Als sie die Motoren ihrer Quads starten, setzt unsere jüngste neben mich. Von dem ganzen Lärm werden nun scheinbar auch die wilden Kerle wach, denn diese stecken nun ihre Köpfe aus dem Zelt. "Halt wartet, wo fahrt ihr denn hin?", ruft Nerv meinen Freunden nach, als sie Richtung Tor fahren. Kojote Karl Heinz antwortet ihm. "Wir fahren nach Hause. Ragnarök liegt jetzt in euren Händen. Ihr seid jetzt die Champs." Und Freya fügt mit einem Blick auf Vanessa hinzu, "Und das solltet ihr auch. Vergesst Marlon und du vergiss Leon. Du hast ihn schon lange an Horizon verloren." Und schon sind sie weg.

Markus Blick schwenkt durch Ragnarök. Als er mich neben Klette sitzen sieht, kommt er auf mich zu. Sehe ich da etwa Erleichterung in seinem Blick? Ist er froh, dass ich hier geblieben bin? "Du wolltest uns noch etwas zeigen.", sind seine ertsen Worte als er bei mir ankommt. "Dann kommt mit." Ich gehe zielstrebig auf eine runtergekommene Holzhütte zu. "Markus warte, wir kommen mit.", höre ich hinter mir. Als ich über meine Schulter blicke, erkenne ich natürlich Markus, aber auch die beiden Erfinder, Nerv und Klette. Ich mache Anstalten die Tür aufzuziehen, als Nerv mich mit einem, "Halt, ich geh da nicht rein. Das ist wie in einem Gruselfilm.", aufhält. Die Nummer eins der Kerle guckt mich an und muss sich genauso wie ich auch ein Lachen zurückhalten. Ich mache die Tür trotz Nervs Protest auf und gehe rein. "Nein, das hier ist schlimmer. Das ist echt.", erklärt Joschka dem Schicksal trocken bevor er mir folgt, sodass Nerv keine andere Wahl hat, als uns widerwillig zu folgen.

"Was ist denn hier los? Wer hat denn hier gehaust?", kommt auch sofort Joschkas Frage, als er die Unordnung sieht. "Bestimmt dieser Kojote." "Nein, das war Jaromirs Hütte.", schaltet Klette sich ein. Und ich bin ihr sehr dankbar dafür, dass sie das Reden übernimmt. Ich werde immer emotional, wenn ich über meinen besten Freund rede oder nachdenke. Ich zeige wortlos auf die hinterste Wand an der verschiedene Zeitungsartikel hängen. Die Jungs treten vor und lesen die Überschriften dieser. "Erik und sein Bruder erobern Ragnarök" "Erik und sein Bruder sind die Besten" "Erik und sein Bruder sind unbesiegbar" Scheinbar versteht der gutaussehende Blonde, was ich ihm sagen möchte. "Habt ihr euch schonmal gefragt, wie Marlon sich fühlt? Ich meine, er ist der Ältere und trotzdem ist sein kleiner Bruder der Boss." "Er steht im Rampenlicht und er bekommt nur die Brotkrumen ab.", macht Klette weiter, "Verflixt Marlon und Leon sind beide. Marlon hat sich verliebt, beim hinterhältigen Steppenbaum." "Und Leon gönnt es ihm nicht", versteht Markus. "Genauso war das bei Jaromir und Erik auch.", presse ich mühsam mit Tränen in den Augen hervor. Markus drückt einmal leicht meine Hand und lächelt mich aufmunternd an. Nerv möchte das ganze aber wohl nicht einsehen, "Quatsch! Leon will Marlon helfen. Er ist mit Vanessa zusammen." "Nein, Leon will nie der Zweite sein. Die beiden sind nun wohl Feinde.", beendet Markus das Gespräch.

Als wir wieder an der frischen Luft stehen, hole ich erstmal tief Luft. Ich war das letzte Mal in Jaromirs Hütte einen Tag bevor er verschwand. Er hat mir erzählt wie toll er Horizon findet. Da konnte noch niemand ahnen, was noch passieren würde. "Wenn ich dir die Geschichte erzähle wie ich zu den wilden Kerlen gekommen bin, erzählst du mir dann die ganze Geschichte wie du die Wölfe kennengelernt hast?", kommt es von neben mir. Da steht natürlich mal wieder Markus. "Ja, aber nur wenn du anfängst. Deine Story ist wahrscheinlich lustiger als meine."

Die Wilden Kerle und JuniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt