Erstes Kennenlernen (TEIL I)

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JONS POV


„Jon? Kannst du deine Pause kurzhalten und wieder an die Theke kommen?"

Augenverdrehend nahm ich mir meine Zigarette aus dem Mund und drückte diesen auf den schmutzigen Asphalt aus. Ich richtete mich von meiner Hocke auf und streckte mich ausgiebig.

Es war kurz vor Weihnachten und der Boden war nass vom Schneeregen. Viele Familien liefen die kleine Einkaufsstraße entlang und die Kinder rannten fröhlich um ihre Eltern herum. Es wurden Geschenke in verschiedensten Größen gekauft und die Schlangen an den Kassen schienen unendlich lang. Neben den Läden, profitierten selbst die Obdachlosen von der festlichen Stimmung: schließlich musste man zumindest einmal im Jahr gutherzig sein.

Ein kalter Wind blies mir durch mein dünnes schwarzes Hemd und ich schlang mir meine Arme um meinen Oberkörper. Meine hellbraune Schürze wehte wie wild und schweren Herzens stieß ich die schwere Tür zum kleinen Café wieder auf. Die Glocke klingelte und meine Arbeitskollegen forderten mich hektisch dazu auf, meinen Platz hinter der Kasse wieder einzunehmen.

Normalerweise herrschte hier immer eine gemütliche Atmosphäre: die helle und bequeme Einrichtung, jazzige Hintergrundmusik und das zuvorkommende Personal luden viele Stammgäste, aber auch ganz gewöhnliche Passanten immer wieder auf das Neue ein.

So schön wie die Weihnachtszeit auch war, gab es trotzdem ein paar Nachteile. Der frisch geputzte weiße Boden von heute Morgen war nun mit braunen Schuhspuren übersät und dreckige Kinderhandschuhe wurden von den Müttern wieder aufgehoben. Die Schlange reichte bis nach draußen und alle Tische und Sitze waren belegt. Gelächter und laute Rufe dröhnten die beruhigende Musik aus und das Personal hinter der Theke kam nie zur Ruhe.

Schwer seufzend drückte ich mich durch die Menschenmasse und versuchte nicht auf die Füße der kleinen Kinder zu treten. Mehrmals musste ich ein „Tut mir leid, ich muss hier durch" und „Können Sie vielleicht ein wenig zur Seite gehen?" nuscheln. Wie sehr ich es hasste, an Festtagen zu arbeiten.

„Da bist du ja endlich, Jon!", rief mir Kristin zu, während sie hektisch den Milchschäumer betätigte.

Ich verzog mein Gesicht und wusch mir meine Hände. Sie lächelte mich nur entschuldigend an und verschloss den Deckel eines Kaffee-To-Gos.

Kristin war auf der Arbeit einer meiner einzigen Lichtpunkte. Wir haben hier zusammen angefangen und mittlerweile arbeiteten wir in diesem Café seit mehreren Jahren. Das Personal wechselte meistens mit jeder Saison, jedoch sind wir ein eingespieltes Duo und unser Arbeitgeber würde sich wahrscheinlich sehr stark gegen eine Kündigung wehren. Selbst als Kristin sich nur noch für Teilzeit entscheiden musste, da sie mit ihrem Studium begonnen hat, hat sie sehr viel Gejammer von unserem Chef ertragen müssen. Er hat uns wirklich in sein Herz geschlossen und schätzte unsere Arbeit sehr.

Den gesamten Nachmittag über wechselte ich zwischen der Bedienung und der Kasse. Mein aufgetragenes Lächeln tat mit der Zeit über weh und ich wurde von meinen Kollegen öfters ausgelacht, als sie mich erwischt haben, wie ich mir deswegen meine Wangen massierte.


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„Hier ist Ihre Caffè Latte. Einen schönen Tag noch!"

Ich räusperte mich und warf mir zum dritten Mal ein Hustenbonbon ein. Eine Erkältung bahnte sich langsam an und würde auch erklären, wieso ich die letzten Nächte so unruhig verbracht habe. Das Kratzen in meinem Hals wurde immer unangenehmer und auch mein Chef Robert schien davon mitbekommen zu haben.

JonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt