Konfrontation

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Alles passiert so schnell und doch kommt es einem so vor, als würde alles in Zeitlupe geschehen. Als wüsste Hayley genau was passieren würde, geht sie mehrere Schritte zurück und hebt Paul hoch. Sie versucht seine Blicke von der Handlung zu wahren, ohne Erfolg. Er duckt seinen Kopf weg von ihrer schützenden Hand und beobachtet mit großen Augen den fremden Mann und seinen Papa. Nach genauerem Hinsehen hat er doch nicht mehr so große Angst vor ihm. Er ist sooo viel größer und breiter als sein Papa, aber er steht wie ein kleines Kind da. Und er sieht seinem Papa ein bisschen ähnlich; ihre Haarfarbe ist fast gleich, sie haben ähnliche Gesichtszüge und vor allem haben die beiden den gleichen traurigen Blick. Paul setzt zum Reden an, möchte wissen, wer dieser Fremde ist, aber seine Mama hält ihm die Hand vor dem Mund. „Sshh", flüstert sie und schaut besorgt zu den zwei Männern.

Sie sieht wie Nathan immer roter wird und es sich über seinen Hals bis unter seinen Pullover verbreitet. Seine Augen flitzen über die gesamte Statur Jons und scheinen sich nicht in seiner Überforderung fokussieren zu können. Er ballt seine Hände zu Fäusten und Jon schluckt schwer, während er kaum merklich eine defensivere Stellung einnimmt. Aber nur Hayley bemerkt, wie Nathan anfängt zu zittern und sein Brustkorb unnatürlich bebt.

Es ist noch die Ruhe vor dem Sturm.

Und im nächsten Augenblick bricht die ruhige Welt zusammen.

Paul fängt an zu schreien. Hayley versucht ihm seine Augen und Ohren zuzuhalten, während sie gleichzeitig versucht zu verstehen, was gerade vor sich geht. Bei dem Anblick läuft ihr ein Schauer über den Rücken und gegen ihren Willen treten Tränen hervor.

Jon liegt auf dem Boden einige Meter vor der Haustür und hält sich schützend die Arme vor seinem Gesicht. Nathan schlägt, ohne zu zögern, auf ihn ein und lässt dabei animalistische Geräusche raus. Man hört die dumpfen Einschläge auf Jons Körper, schwerfälliges Atmen und das Brechen zweier Herzen.

Tränen strömen Hayleys Wangen hinunter. Wortlos schaut sie zu, wie Blut aus Jons Mund heraustritt und Nathan den Rhythmus seiner Schläge verliert. Pauls kleiner, zerbrechlicher Körper bebt in ihren Armen und sie weiß, dass das nicht richtig ist und so nicht mehr weitergehen kann. Die beiden Brüder bemerken nicht, wie sie in das Haus verschwindet.

Wenn jemand Nathan fragte, was in diesem Augenblick durch seinen Kopf gegangen ist, würde er wortlos mit seinen Schultern zucken. Doch insgeheim wusste er, was in ihn gefahren ist.

Nathan sieht rot. Er sieht keinen Geist mehr vor seinen Augen. Er sieht nicht seinen Bruder vor ihm stehen. Alles, was er sieht, ist rot. Noch nie in seinem Leben hat er das Gefühlt, was er jetzt fühlt. Die Wut scheint ihn von innen zu verbrennen. Sein Herz brennt, die Magensäure scheint ihm aus seinen Gedärmen zu treten und seine Hände liegen im Feuer. Doch etwas Kaltes landet auf ihn und wirft ihn augenblicklich aus der Bahn. Sofort richtet er sein Blick in Richtung Himmel. Es schneit wieder. Oh, wie er den Schnee doch hasste. Seine Augenlider flattern und er versucht, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Jetzt wird ihm auch bewusst, wo er war und was er macht.

Nathan ist auf seinen Knien über Jons Brustkorb gestemmt. Er richtet sich auf und langsam verschwindet der rote Schleier vor seinen Augen. Noch immer hält der Mann unter ihm schützend die Arme über seinem Kopf. Er liegt seitlich, halb gekrümmt auf dem kalten, von Schnee bedeckten Boden. Sein gesamter Körper zittert und sein Brustkorb fällt und sinkt rapide. Nathan merkt, dass er selber außer Atem ist und sich Nasensekret unter seiner Nase sammelt. Bei dem Anblick von militärischer Kleidung flackert erneut die Wut bei ihm auf, aber es machen sich auch andere Emotionen bemerklich. Hilflosigkeit, Verwirrtheit, Trauer. Angst. Nein, keine Angst. Erzürnt beißt sich Nathan stark auf seine Lippen und versucht sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 08 ⏰

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