Panik

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TW: Selbstverletzung, Blut

KRISTINS POV


Jon und ich kannten uns mittlerweile seit mindestens drei Jahren und in dieser Zeit habe ich ihn noch nie so erlebt. Er schien ständig in seinen Gedanken versunken zu sein und man musste ihn mehrmals ansprechen, um ihn aus dem tranceartigen Verhalten herauszuziehen.

Es tat mir im Herzen weh, ihn so sehen zu müssen. Sein sonst so verspielter und warmherziger Charakter schien auf einmal verschwunden zu sein und das Funkeln in seinen Augen wurde erloschen. Und das alles fing vor einer Woche an, nachdem er mehrere Tage komplett gefehlt hat.

Jon tauchte leichenblass auf und scheiterte bei dem Versuch uns vorzuspielen, dass nichts passiert sei. Doch Robert und ich kannten ihn mittlerweile zu gut und haben uns augenblicklich an die Arbeit gemacht, herauszufinden, warum er sich so merkwürdig benahm.

Er war still in unseren Pausen und schien nicht an unseren Konversationen interessiert zu sein. In den letzten Jahren hat er wirklich nur selten die Bestellungen und Tische verwechselt, doch das passierte nun immer häufiger und häufiger. Sein Kopf war immer ganz woanders und sein Herz schien gebrochen.

Nachdem er schließlich eine Tasse fallengelassen hat und die Scherben schluchzend aufgehoben hat, habe ich ihn endlich zur Seite gezogen und ihn erregt über sein Verhalten ausgefragt.

Jon hat sein Gesicht in seinen blutigen und aufgeschürften Händen vergraben und verzweifelt nach Worten gesucht. Ich wusste genau dann, dass er noch nicht über dieses Problem geredet hat und ich musste mich zusammenreißen nicht mitzuweinen, als ich ihn ohne zu zögern in meine Arme geschlossen habe.

Alles was aus ihm herauskam war ein stockendes: „Es ist vorbei. Ich habe ihn gehen lassen und konnte nicht anders, als zuzusehen."

Seine Beine haben nachgegeben und zusammen haben wir uns am Schrank hinuntergleiten lassen. Völlig außer sich, eskalierte sein Atem und er hat sich schmerzerfüllt seine Brust gegriffen.

„Es tut so weh." Er lehnte sich an mich und ich verstärkte meinen eisernen Griff um ihn.

„Es tut so unendlich weh. Bitte mach, dass es aufhört. Bitte hilf mir."


❖❖❖


JONS POV


„Fuck", stieß ich hinter meinen zusammengepressten Zähnen hervor und eilte zum Waschbecken. Kaltes Wasser traf auf meine brennende Haut und schmerzerfüllt kniff ich meine Augen zusammen.

„Jon..." Ich drehte mich um und blickte in das besorgte Gesicht von Kristin. Ihre Augen sprühten voller Mitleid und meine Atemwege schienen sich wieder zusammenzuschnüren.

„Es ist alles okay", murmelte ich und zwang ein Lächeln auf. Es war schwer zu sagen, ob die aufgetragene Grimasse, meine Haut oder mein Herz im Moment am meisten schmerzte.

„Es ist alles okay", flüsterte ich mir erneut versichernd zu und drehte den Wasserhahn zu. Kurzatmig stützte ich mich über den Tresen ab und ließ meinen Kopf hängen.

Denke nicht an ihn. Denke nicht an ihn. Denke nicht an ihn.

Eine Hand legte sich sanft auf meine Schultern und drückte kurz zu.

Ich war nicht alleine; es war alles in Ordnung.

Tief durchatmend richtete ich mich wieder auf und ging auf den nächsten Kunden zu. „Was darf es heute für Sie sein?", und ein zu fröhliches Grinsen tauchte auf meinem Gesicht auf.

JonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt