Wiedersehen

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JONS POV


„Jon?!"

Erschrocken blickte ich in das Gesicht von Robert, meinem ehemaligen Chef in dem Café, in welchem ich vor Jahren gearbeitet habe.

„Robert?", fragte ich zögerlich, noch immer unsicher ob meine Augen mich nur austricksten.

Er ist älter geworden. Seine kurzen schwarzen Haare sind in der Zwischenzeit nun grau geworden und seine Lachfalten an seinen Augen- und Mundwinkeln waren nun ausgeprägter.

Stumm musterte mich mein gegenüber und wischte sich seine Hände an einem Handtuch ab. Sekunden vergingen und irgendwann entspannten sich seine Gesichtsmuskeln. Schwer seufzend setzte er sich mir gegenüber. Hilflos schob ich meine Kopfhörer wieder zur Seite und legte meine Hände unbeholfen auf meinen Schoß.

Robert stützte seine Unterarme auf den Tisch und faltete seine Hände zusammen. Sein Blick war zur Seite gerichtet und suchte offensichtlich nach den richtigen Worten. Ich fühlte mich immer unwohler und wollte diese mentale Distanz zwischen uns überwinden; wir haben uns schon immer gut verstanden, wieso musste es jetzt nur so komisch zwischen uns sein?

„Wie geht es dir?"

Eine bessere Frage kam mir nicht in den Kopf. Niemals hätte ich damit gerechnet, ihn hier wiederzusehen. Unser Heimatort war eine Stunde von hier entfernt und hier waren wir nun in einer eher unbekannteren Ecke. Zwar wusste ich, dass ich ihn früher oder später wieder hätte aufsuchen müssen, aber es war immer noch zu früh...

„Mir geht es gut. Meinen Kindern geht es auch gut. Mein jüngster Sohn ist jetzt auch endlich fertig mit der Universität", antwortete er und hob endlich seinen Kopf.

Ich erkannte das Schimmern in seinen Augen. Unbehaglich kratzte er sich am Hinterkopf.

„Sabine ist vor drei Jahren plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben. Ich kümmere mich alleine um die Cafés."

Es fiel ihm sichtlich schwer die Worte auszusprechen.

„Es tut mir leid."

Robert winkte schwach ab und sammelte sich, bevor er wieder sprach.

„Wie geht es dir? Wo warst du?"

Er musterte mich, versuchte herauszufinden, was sich alles bei mir verändert hatte. Das erste Mal suchte er meine Augen auf und ich stockte.

Wo sollte ich nur anfangen? Meine Eltern waren tot, mein Bruder dachte ich wäre tot und ich war meinen Zielen noch keinen Schritt näher. Peinlich berührt fing ich an, auf meinem Notizbuch herumzukritzeln.

„Es ist eine lange Geschichte. Ich war im Militär, bin jetzt aber wieder hier und mache mein Fotografiestudium fertig."

„Hmh", gab er von sich und kurz hoffte ich, dass er das Thema fallen lassen würde. Aber er wäre nicht Robert, wenn er...

„Ich habe Zeit", meinte er und machte es sich in dem zu kleinen Stuhl bequem.

Ich wusste, dass ich ihm eine Erklärung schuldig war. Er hat so viel für mich gemacht und mich immer so wie einen seiner Söhne behandelt. Er war die Vaterfigur, nach welcher ich mich mein ganzes Leben gesehnt habe. Auch Sabine...

Ich schluckte.

„Ich weiß nicht ob du das alles wirklich hören möchtest. Nicht nach meinem Verhalten dir gegenüber... in den letzten Monaten vor meiner Abreise."

Mein Gegenüber zog nur seine rechte Augenbraue hoch und wortlos klappte ich mein Laptop zu. Ich wusste nicht wie lange wir dort saßen, aber unterbewusst bemerkte ich, wie nach und nach alle Kunden das Café verließen und die Straßenbeleuchtung angeschaltet wurde. Die restlichen Baristas huschten leise aus ihrem Arbeitsplatz und es wurde dunkel. Nur noch vereinzelt brannten Lichter und es wurde frischer, aber Robert wich nicht einmal von seinem Platz oder schien gelangweilt von meinem Monolog.

JonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt