Leben und/oder Tod

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Es war Montagmorgen. Ein letztes, langes Piepen des EKGs hallte durch den Raum und erschöpft blickte der Facharzt auf seine Uhr.

„Zeitpunkt des Todes: 02:21Uhr", seufzte er und setzte müde seine Brille ab. Er nahm die Akte in die Hand und blätterte durch die Dokumente.

„Irgendwelche Familienangehörige, Freunde?", fragte er in die Runde und die Assistenten schauten von ihrem Zusammenräumen auf.

„Ihr Mann ist beim Autounfall direkt ums Leben gekommen und zwei ihrer Kinder sind auch hier."

Der Arzt erwiderte etwas Unverständliches und im nächsten Moment wurden die Türe des OP-Raumes aufgestoßen. Erstaunt schaute er seinen Kollegen Harris an, welcher atemlos mitten im Raum stand und leichenblass die leblose Frau zur Kenntnis nahm. Harris schluckte trocken und rieb sich verzweifelt über seine Stirn.

„Kennst du sie?", fragte er und alle im Raum hielten inne.

„Rosalie Blue. Ich kenne sie schon seit der Oberstufe und wir haben hin und wieder Kontakt gehabt", murmelte er und schwieg daraufhin.

Niemand hatte damit gerechnet und alle warfen ihm bemitleidende Blicke zu. Jedoch musste sich die Welt weiterdrehen und nach und nach verließen alle den Raum. So war der Alltag in einem Krankenhaus. Kurz bevor der Chirurg durch die Tür hinauslaufen konnte, packte ihn Harris am Arm.

„Hat schon jemand ihren anderen Sohn benachrichtigt?"


❖❖❖


„Du schummelst", rief Daniel aus und kickte Nathan in sein Schienbein. Dieser schrie laut auf und lachend warf er seine Konsole weg, als er nach seinem besten Freund das Ziel erreichte.

Zeitgleich ließen sich beide auf Daniels Bett fallen und eine angenehme Stille legte sich zwischen den beiden. Im Hintergrund hörte man die Charaktere von Mario Kart jubeln und ein paar betrunkene Menschen draußen herumlallen.

Entspannt verschränkte Nathan seine Arme hinter seinem Kopf und schloss seine Augen. Daniel hingegen hat seine Hände auf seinem Bauch verschränkt und starrte gedankenverloren an seine Decke. Tausende Fragen schwirrten ihm durch seinen Kopf und sein Blick glitt mehrmals über seinen Freund. Nathans Pullover ist in der Position ein wenig hochgerutscht und seine farbenfrohen Blutergüsse zierten seine blasse Haut. Schwer schluckend wandte er seine Augen von dem schmerzlichen Anblick weg und versuchte sich auf andere Gedanken zu bringen.

„Bist du dir sicher, dass dein Herausschleichen eine gute Idee war? Deine Eltern müssten doch schon längst Zuhause sein und dein Fehlen bemerken", fragte er und drehte seinen Kopf zu ihn.

Nathan tat ihm gleich und für eine Weile sahen sie sich einfach nur an. Zwar war er mittlerweile jede Nacht bei ihm, aber Daniel konnte seine Sorgen nicht unterdrücken. Es war nur eine Frage der Zeit, bis seine Eltern seine Abwesenheit mitkriegen würden. Und die Konsequenzen wären... hart.

Eltern. Daniel schnaufte belustigt auf und sein Gegenüber blickte ihn nur fragend an. Er winkte ab. Nathan atmete tief aus und drehte seinen Kopf wieder zurück.

„Mir ist es alles so scheißegal. Wahrscheinlich kriegen die davon eh nichts mit. Die kommen nur selten in mein Zimmer und das auch nur, um mich da raus zu holen. Sie schlafen bestimmt schon", erwiderte er und knackte seine Fußgelenke.

„Er ist so stark", dachte sich Daniel und schaute ihn voller Emotionen an. Hoffentlich würde er da bald von wegkommen.

Um seine aufkommenden Tränen zu überspielen, wuschelte er durch Nathans braune Haare und ein empörtes „Hey" entfachte eine spielerische Rauferei. Nach einer Weile stoppten beide abrupt und starrten sich gegenseitig an, bevor sie lauthals anfingen zu lachen.

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