Mitten in der Nacht lief ich durch den kalten Regen, meine Schritte führten mich planlos durch Straßen, die ich nicht kannte. Mein Handy hatte ich natürlich nicht dabei – großartig. Niemanden konnte ich anrufen, niemanden um Hilfe bitten. Ich war ganz auf mich allein gestellt. Mein Körper zitterte, meine Haare klebten durchnässt an meinem Gesicht, und mit jedem Schritt wurden meine Schuhe schwerer vom Wasser. Verdammt... Was ist Jamal nur für ein scheiß Miststück?! Die Wut stieg in mir hoch, aber sie vermischte sich mit einem tiefen, brennenden Schmerz. Tränen vermischten sich mit den Regentropfen, liefen mir über das Gesicht, unaufhaltsam, bitter. Ich beschleunigte meine Schritte – nicht, weil ich wusste, wohin ich wollte, sondern weil ich Angst bekam. Die Straßen waren leer, nur eine einzelne, flackernde Laterne tauchte einen winzigen Teil des Gehwegs in mattes Licht. Die Dunkelheit ringsherum fühlte sich erdrückend an. Mein Herz pochte so schwer, als wollte es aus meiner Brust brechen. Es tat weh. Alles tat weh.
Warum werde ich immer wieder zurückgelassen? Ich konnte nicht mehr. Die Gedanken in meinem Kopf wurden lauter, drängender. Ich ließ mich auf eine durchnässte Bank fallen, fühlte, wie das kalte Wasser sofort durch meine Kleidung drang, aber es war mir egal. Ich zog meine Beine an mich, so nah wie möglich, als könnte ich mich damit irgendwie schützen. Meine Hände verbargen mein Gesicht, mein ganzer Körper bebte. Lautes Schluchzen entwich meiner Kehle, mein Herz zerriss sich in diesem Moment Stück für Stück. „Verdammt, es reicht, dass mich jeder wie Dreck behandelt... Es reicht..." Meine Stimme brach gegen Ende, wurde nur noch ein leises Flüstern im Rauschen des Regens. „Benimde kalbim var..." (Ich hab auch ein Herz.) Erst waren es meine Eltern, die mich jahrelang gebrochen haben... jetzt noch ein fremder Typ, der glaubt, er kann über mich bestimmen? Jamal...? Warum tust du mir das an? Ich lächel nach außen, ja, jeder glaubt, ich sei stark... aber innerlich bin ich schon längst tot. Leer. Kalt.
Doch dann – plötzlich – spürte ich keine Regentropfen mehr auf meiner Haut. Irritiert öffnete ich langsam meine verweinten Augen. Vor mir stand ein Mann, hielt mir wortlos einen Schirm über den Kopf. Schwarze Augen starrten mich ruhig, aber durchdringend an. Er sagte nichts, setzte sich einfach neben mich und hielt den Schirm über uns beide. Ich rückte automatisch ein Stück weg, mein Instinkt warnte mich. „Was hast du? Wieso weinst du?" fragte er leise. Seine Stimme war ruhig, fast schon weich, aber sie ließ mich nicht entspannen. Ich drehte den Kopf leicht in seine Richtung, mied aber direkten Blickkontakt. Dann wandte auch er sich mir zu, sein Blick fixierte mich, und sofort lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.
„Wer bist du?" kam es zögernd aus mir, meine Stimme zitterte deutlich, doch ich versuchte, ruhig zu bleiben. Seine Pupillen weiteten sich, ein Ausdruck in seinen Augen, der mich innerlich nur noch mehr frösteln ließ. „Hat dich nichts zu interessieren", sagte ich abweisend und wich weiter zurück. „Könntest du dich bitte woanders hinsetzen?" Doch statt sich zu entfernen, rutschte er näher an mich heran. Panik stieg in mir auf. Ich sprang auf – der Schirm schützte mich nicht mehr, der Regen traf mich sofort wieder wie Nadeln auf der Haut. Ich war durchnässt, durchgefroren, und mein Körper begann erneut unkontrolliert zu zittern. Meine Haare klebten an meiner Stirn, mein Blick war verschwommen vor Tränen. Er stand ebenfalls auf. Ich wich zurück. Nicht normal. Das ist nicht normal.
„Was willst du?! Verpiss dich!" fuhr ich ihn mutig an, doch innerlich hatte ich Angst. Große Angst. Er trat auf mich zu, hob langsam die Hand, als wolle er mir eine Strähne aus dem Gesicht streichen. Ich reagierte sofort und klatschte seine Hand mit voller Kraft weg. „Was tust du da?!" Doch ehe ich ausweichen konnte, packte er mich fest am Handgelenk – sein Griff war stark, hart, unmenschlich fest. Ich japste vor Schmerz, versuchte mich loszureißen. „Was soll der SCHEISS, LASS MICH LOS!" schrie ich verzweifelt und schlug wild um mich, trat, wand mich, doch es brachte nichts. „Bald bist du meins... richte das Jamal aus", flüsterte er mir gefährlich ins Ohr. Seine Stimme war tief, eiskalt. Und dann – mit einem heftigen Ruck – warf er mich zurück. Ich verlor das Gleichgewicht, stürzte zu Boden. Tränen liefen über mein Gesicht, diesmal vor Schmerz und purer Angst. Ich sah auf mein Handgelenk. Rot. Geschwollen. Ich weinte hemmungslos, die Panik schnürte mir die Kehle zu. Was passiert hier gerade?! Warum muss ich das alles durchmachen?!
Und dann... Schritte. Jemand kam angerannt. Ich riss die Augen auf – mein Herz raste. Ich klammerte mich an meine Knie, drückte mich so klein es ging, in der Hoffnung, unsichtbar zu sein. Doch dann hörte ich ihn. „Leyla." Diese Stimme... ich zuckte stark zusammen. Jamal. Er zog mich mit einem kräftigen Ruck hoch, so plötzlich, dass ich leise aufschrie. Er stand dicht vor mir – zu dicht. Ich zitterte, sah mit tränennassen Augen zu ihm hoch. Da war dieser Blick. Für einen Moment – nur einen einzigen – glaubte ich, Besorgnis in seinen Augen zu sehen. Ein Funken Wärme, der sich durch all das Eis bohrte. Oder... war es doch nur wieder eine leere Einbildung?

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Leyla
RomanceLeyla lebt ein ruhiges, zurückgezogenes Leben unter der strengen Aufsicht ihres Vaters, der viele Feinde hat. Als Jamal als ihr persönlicher Beschützer auftaucht, beginnt sie sich zum ersten Mal in ihrer Nähe sicher zu fühlen - obwohl sie nicht vers...