⸻Ich sah ihn mit großen, beinahe erstaunten Augen an. Etwas an diesem Moment ließ mein Herz leise pochen – nicht vor Aufregung, sondern vor einer sanften, längst vergessenen Wärme. Es fühlte sich an, als würde mein Innerstes langsam aufatmen. Eine Berührung, die nicht aus Haut bestand, sondern aus Worten. Aus Nähe.
Ich versuchte das aufkommende Lächeln zu unterdrücken, biss mir fest auf die Unterlippe, doch meine Augen verrieten mich längst.Plötzlich hörte ich ihn rau schnauben.
„Hör auf damit."
Sein Blick war ernst, fast vorwurfsvoll. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als hätte ich etwas falsch gemacht.
„Hm?" Ich runzelte leicht die Stirn, verstand nicht ganz.
„Hör auf damit", wiederholte er ruhig, trat einen Schritt näher, hob seine Hand – und fast ungeduldig zupfte er sanft an meiner Lippe, bis sie sich löste.
Ich begriff. Er wollte, dass ich lächle.
Nicht versteckt. Nicht unterdrückt. Sondern echt.Ich lächelte. Diesmal ohne Zurückhaltung. Weil es süß war. Weil es Jamal war. Und weil mein Herz es gerade nicht besser wusste, als zu lächeln.
Verlegen blickte ich zur Seite, suchte Worte, die nicht kamen. „Jamal..." sagte ich schließlich und drehte mich ihm wieder zu, ernster nun.
Ohne eine Antwort zu geben, zog er sich eine Zigarette aus der Hosentasche, zündete sie lässig an und zog langsam daran – als hätte er nur auf diesen Moment gewartet. Der Rauch stieg träge in die dunkle Nacht.Ich beobachtete ihn dabei, versank in der Art, wie er sich bewegte – ruhig, kontrolliert, wie jemand, der sich selbst gut kennt. Bis er mir plötzlich ins Gesicht ausatmete.
„Boah, Junge! Du Ekliger!" Ich fuchtelte mit den Händen vor meinem Gesicht herum.Er grinste nur und hielt mir die Zigarette provokant vor den Mund.
„Willst du auch?"
Ich starrte ihn an, fassungslos. Ohne zu überlegen, klatschte ich ihm leicht auf die Hand – die Zigarette fiel zu Boden, ich trat sie aus.
„Besser ist, dass du mit dem Mist aufhörst."
Ich warf ihm einen bösen Blick zu und lief einfach an ihm vorbei. Doch ich hörte ihn leise lachen – und verdammt, es brachte mich selbst zum Lächeln.Oben angekommen warf ich mich aufs Bett. Ich hielt meine Hand vors Gesicht, schloss die Augen – und da war es wieder. Dieses Kribbeln. Dieses komische, nervige, schöne Kribbeln in meinem Bauch, das nur eine einzige Stimme auslösen konnte.
„Ich werde immer bei dir sein."
Seine Worte hallten in meinem Kopf wider.
Ich seufzte tief.
„Ich schäme mich..." flüsterte ich leise in den Raum. Ich hatte nichts darauf gesagt. Gar nichts. Und jetzt fühlte ich mich schlecht. Hatte ich ihn verletzt?Ich stand hastig auf, trat ans Fenster, öffnete es leise. Mein Blick fiel sofort auf den Platz, an dem ich vor kurzem noch mit Jamal gestanden hatte.
Mein Herz rutschte in den Magen.
Da stand er – und redete mit meinem Vater. Beide sahen ernst aus. Viel zu ernst. Und dann... legte mein Vater ihm die Hand auf die Schulter. Dankbar. Wie ein stilles Einverständnis.Ein Schrei entfuhr mir, als meine Zimmertür aufsprang.
„VERDAMMT! Klopfst du eigentlich nie?!"
Ich presste meine Hand auf mein Herz.„Sorry, abla!" grinste Baran, das Nachbarskind, unschuldig in der Tür.
Ich lachte auf, halb erschrocken, halb erleichtert.
„Du Idiot..." murmelte ich kopfschüttelnd.Ich wandte mich wieder dem Fenster zu – und sah, wie Jamal und mein Vater jetzt zu mir hochblickten. Sie hatten meinen Schrei gehört. Natürlich.
Schnell zog ich das Fenster zu und wandte mich Baran zu.„Na, kleiner, wie geht's dir?"
„Gut." Er sah mich prüfend an. Ich mochte ihn. Gerade mal acht, aber mit einem Blick, der manchmal mehr verstand als Erwachsene.„Leyla", begann er plötzlich ernst, „der Typ, der immer mit dir ist – der hat gestern gesagt, du bist richtig hübsch."
Ich stockte.
„Was?" fragte ich ungläubig.
„Ja, und dass du toll riechst! So nach Blumen und so!"
Ich spürte, wie mir heiß wurde. Innerlich brannte ich, nicht vor Scham – vor dieser unfassbaren Mischung aus Verlegenheit und Freude.Ich musste lachen. Ich konnte nicht anders.
„Krass", murmelte ich.
Baran nickte überzeugt. „Ich hab ihm recht gegeben."Er ließ sich aufs Bett fallen. Ich lachte noch lauter, sah sein breites Grinsen.
Ich stand auf, ging zum Spiegel, band meine Haare zu einem sleek Zopf.
Mein Blick traf mein Spiegelbild. Ich konnte es nicht fassen.
Jamal... redet mit Baran über mich. Nennt mich hübsch. Sagt, ich rieche gut. Und dann sagt er mir mitten in der Nacht, dass er immer da sein wird?Mein Kopf explodierte fast. Zu viele Gedanken, zu viele Gefühle. Ich stöhnte leise.
Baran war inzwischen fast eingeschlafen.
„Oh nein... Baran, hopp hopp."
Er murmelte nur ein „Hmm", lehnte sich seitlich an mich. Ich führte ihn vorsichtig zur Tür.Unten traf ich meinen Vater.
„Bringst du ihn rüber oder soll ich Jamal rufen?"
Ich hob eine Braue.
„Ich schaff das schon, Baba."
Er lächelte stolz, küsste mich auf die Stirn.Draußen wichen die Securitys zur Seite, als wir vorbeigingen. Und natürlich – Jamal war da. Immer da. Wie ein Schatten, der nicht dunkelt, sondern beschützt.
„Brauchst du Hilfe?" fragte er leise.
„Alles gut, danke." Ich sah ihn nicht an, doch spürte jeden seiner Schritte hinter mir.Seine Mutter öffnete die Tür. Warm, herzlich.
„Oh, hallo Leyla! Danke, dass du ihn gebracht hast."
„Gerne. Hat mich gefreut, dass er da war."„Gute Nacht, teyzee", verabschiedete ich mich und drückte sie kurz.
Dann drehte ich mich um.
Jamal war da. Noch immer.
Er sagte nichts. Und ich auch nicht. Aber wir liefen nebeneinander.
Nicht als müssten wir uns beeilen. Sondern als würde keiner von uns wollen, dass der andere allein geht.

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Leyla
RomanceLeyla lebt ein ruhiges, zurückgezogenes Leben unter der strengen Aufsicht ihres Vaters, der viele Feinde hat. Als Jamal als ihr persönlicher Beschützer auftaucht, beginnt sie sich zum ersten Mal in ihrer Nähe sicher zu fühlen - obwohl sie nicht vers...