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Ich lief die Treppe hinunter – die Atmosphäre war angespannt, irgendetwas stimmte seit dem Morgen nicht. Ein seltsames Gefühl lag in der Luft.
Im Wohnzimmer angekommen, entdeckte ich neben meinem Vater eine fremde Person. Eine männliche Gestalt – deutlich größer und breiter als mein Vater. Die beiden führten ein ernstes Gespräch, bis sein Blick plötzlich den meinen traf. Wie immer sah ich zuerst auf den Boden, dann stellte ich mich vor ihn – er hatte mich vor wenigen Sekunden noch zu sich gerufen.

„Ah, kızım, da bist du ja", sagte er mit einer Fröhlichkeit, die nicht zu der Situation passte.
Trotzdem fühlte ich mich unwohl – da war dieser fremde Blick, kalt und eindringlich.
„Ja, Baba?", fragte ich leise und hob den Kopf.
Er lächelte mich warm an und deutete mit einer Hand auf den Mann neben uns.

„Das, meine Tochter, ist Jamal. Ab heute ist er dein neuer Bodyguard."
In seiner Stimme lag unverkennbar Stolz und Freude.
Doch... was?! Ein Bodyguard?! Ein Babysitter?? Ich starrte ihn geschockt an.

„Baba, ist das dein Ernst?!", fragte ich fassungslos und machte ein paar Schritte zurück. Mir wurde übel bei dem Gedanken.
Was für ein mieses Schauspiel.
„Meine Tochter, er gehört zu den Guten. Ich vertraue ihm blind – er wird auf dich aufpassen", erklärte er stolz.

Ich versuchte, mich aufrecht zu halten, doch der Druck war zu groß. Meine Knie gaben leicht nach, mein Körper wurde schwach. Jamal machte einen schnellen Schritt auf mich zu.

„Alles okay?", hörte ich zum ersten Mal seine Stimme.
Meine Augen wanderten langsam über sein Gesicht.
Wow. Mir stockte der Atem.
Diese braunen Augen – sie sahen direkt in meine Seele und jagten mir eine Gänsehaut über den Rücken.
Dazu dieser Drei-Tage-Bart... verdammt, Leyla, hör auf zu starren!
Ich nickte nur leicht und brach unseren intensiven Blickkontakt ab.

„Baba! Ich brauche niemanden, der auf mich aufpasst! Was soll das?! Ich kann selbst auf mich achten!", protestierte ich mit funkelnden Augen.

Er sah mich ernst an.
„Erheb deine Stimme nicht, Leyla", ermahnte er mich streng. Sofort wich mir der Mut – ich senkte den Blick.

„Tut mir leid, Baba", flüsterte ich und starrte auf meine Schuhe.

Neben uns konnte ich sehen, wie Jamal sich das Ganze still amüsierte – dieser Bastard.
„Geh hoch. Das Gespräch ist beendet", sagte mein Vater.
Ich gehorchte – fast schon fluchtartig rannte ich in mein Zimmer.

„Verdammt!", flüsterte ich, kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen.
Sofort griff ich zum Handy und rief Serhat und Selin an.
„Omg, was?! Seit wann ist dein Baba so drauf?!", platzte es aus Selin heraus.
„Ey Mädels, in fünf Minuten vor Selins Haustür, okay? Ich kann das nicht am Telefon klären", sagte Serhat ernst. Ich stimmte zu.

Schnell zog ich mir meinen schwarzen Jogginganzug an, ließ meine Haare locker und wellig nach hinten fallen, sprühte mich noch großzügig mit Parfüm ein und rannte die Treppe hinunter.

Ich riss die Tür auf – draußen standen wie immer überall Männer.
Seit über zehn Jahren war das so. Doch ich hatte mich nie daran gewöhnt – ich hasste es.

Gerade wollte ich loslaufen, doch zwei Männer stellten sich mir in den Weg.
„Was soll das?! Lasst mich durch!"
„Tut uns leid, aber der Boss–"
„BABA!!" Ich schrie, wütend und fassungslos.
Darf ich jetzt nicht mal mehr alleine das Haus verlassen?!

Plötzlich stand Jamal vor mir und sah mich von oben herab an.
Ich wurde sofort still, versuchte, seinen eisigen Blicken auszuweichen.

„Dein Vater ist nicht da. Wohin willst du?" Seine Stimme war ruhig, aber eiskalt.
„Ich geh mit meinen Freunden raus. Sag deinen Männern, sie sollen mich durchlassen", sagte ich, mit entschlossenem Blick.

Er nickte. Die Männer traten zur Seite. Jackpot!
Doch kaum wollte ich losgehen, sagte Jamal ruhig: „Ich komme mit."

Ich blieb abrupt stehen.
„Wie bitte?!"

Er ging an mir vorbei, sagte kein Wort.

„Ich will alleine mit meinen Freunden sein! Du passt da nicht rein – hau einfach ab!"
Ich lief ihm nach – er war stehen geblieben und sah auf mich herab. Mein Mut schwand.

„Jamal?! Hast du mich nicht gehört? Ich will, dass du gehst!"

„Leyla", knurrte er leise, aber gefährlich.
„Nein!"
Sein Blick wurde noch ernster – ich verdrehte nur die Augen.

„Ach, mach was du willst. Juckt mich nicht."
Er nickte gleichgültig, lehnte sich lässig an seine G-Klasse, zündete sich eine Zigarre an und starrte mich an. Seine Augen verfolgten jede meiner Bewegungen – das machte mich wahnsinnig.

Ich lief zu den zwei Bänken vor unserem Haus – von Weitem sah ich Serhat und Selin kommen.
Ich umarmte sie sofort.

„Oh man, Leyla, los jetzt, wo ist er?!", fragte Selin aufgeregt.
„Oha, chill mal", lachte ich und blickte zur Einfahrt – da stand er, ernst und still.

Selin folgte meinem Blick – und schrie.
„Omg, wie hübsch er ist!!"

Ich sah sie geschockt an.
„Halt den Mund, er hört dich doch! Man, Serhat, sag was!" Ich ließ mich dramatisch auf seine Schulter fallen.

Selin sprang wie ein kleines Kind herum.
„Omg, ihr würdet sooo gut zusammenpassen! Leyla und Ja–"

Sie wurde unterbrochen – Jamal hatte gesprochen:
„Leyla, wir müssen los."

Er sah erst Serhat an, dann wieder kalt zu mir.
„Wohin denn? Bin gerade erst mit meinen Freunden raus – was willst du von mir?" kam es frech von mir.
Er spannte sich auf – seine Haltung wurde noch dominanter. Das gefiel mir gar nicht.

Selin betrachtete Jamal verliebt – ich musste lachen. Sie ist so dumm!
Doch seine Blicke? Die lagen nur auf mir.

LeylaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt