⸻Ich puste genervt aus, lange und leise, während ich mein Gesicht in meine Hände vergrabe. Alles in mir fühlt sich schwer an. Mein Kopf pocht leicht, nicht von Schmerz, sondern von zu vielen Gedanken, die sich stauen und keinen Ausweg finden.
„Alles gut?"
Diese Stimme. Ruhig, tief, ein Hauch von Besorgnis schwingt mit. Ich erkenne sie sofort – Jamal.Langsam lasse ich meine Hände sinken, streiche mir die Haare aus dem Gesicht, die mir vom Wind immer wieder in die Augen wehen. Mein Blick trifft seinen. Ich sage nichts. Ich habe einfach keine Kraft gerade. Keine Lust zu reden. Nicht zu ihm, nicht zu irgendwem.
Er verschränkt seine Arme vor der Brust und lehnt sich locker an die Tischtennisplatte. Seine Augen ruhen ernst auf mir, durchbohren mich, aber nicht auf eine unangenehme Art. Es ist eher so, als würde er versuchen, zwischen den Zeilen zu lesen – in mir.
Was will dieser Blick mir sagen? Ist es Sorge? Interesse? Oder doch nur dieses stille Misstrauen, das ich so oft von anderen kenne?„Leyla?"
Er sagt meinen Namen wie eine Erinnerung, als wolle er mich sanft zurück in den Moment holen.
Ich antworte nur mit einem „Hm", ohne ihn anzusehen, und stehe langsam auf. Mein Herz fühlt sich schwer an, als würde es zu tief in meiner Brust hängen. Ich gehe einfach an ihm vorbei, ohne ein weiteres Wort.Doch sein Blick – dieser eine Blick – brennt sich tief in mein Innerstes. Irgendetwas war anders daran. Er war nicht kalt. Nicht leer. Sondern... verwirrt. Vielleicht sogar verletzt? Nein. Besorgt. Und das macht es nur noch schwerer für mich.
„Leyla, geht es dir gut?"
Die Worte schneiden durch die kühle Nachtluft wie ein Pfeil. Ich bleibe stehen. Nicht weil ich es will – mein Körper reagiert einfach. Aber ich drehe mich nicht um.
Geht es dir gut?
Wann hat mir das zuletzt jemand ehrlich gefragt?Ich höre, wie sich seine Schritte nähern, langsam, zögernd. Dann steht er plötzlich vor mir, füllt meinen Blick vollständig aus. So groß. So ruhig. So präsent.
Ich hebe meinen Kopf und sehe direkt in seine Augen. Hellbraun, warm – aber heute liegt da etwas mehr drin. Etwas, das mich schlucken lässt.
„Antworte mir, Leyla."Meine Stimme zittert leicht, als ich spreche. „Ich... Ich weiß es nicht."
Ich schaue zu Boden, auf seine Schuhe, einfach irgendwohin, wo ich nicht sein Gesicht sehen muss.
„Ich kann diese Frage nicht beantworten. Ich weiß nicht, wie es mir geht. Vielleicht gar nicht gut. Vielleicht... zu lange schon nicht mehr."Ich spüre, wie meine Kehle sich zuschnürt. Doch dann legt er vorsichtig seine Hand unter mein Kinn, hebt mein Gesicht sanft an.
Seine Berührung ist ruhig, beinahe zärtlich, als wollte er nichts erzwingen, sondern mich daran erinnern, dass ich nicht alleine bin.„Leyla", sagt er leise, seine Stimme fester als vorher, aber nicht hart. „Ich weiß, du fühlst dich in meiner Nähe oft unwohl. Vielleicht hab ich Fehler gemacht. Vielleicht war ich falsch. Aber... du sollst wissen – ganz egal, was ist... du kannst mit mir reden. Über alles. Ich bin da. Immer."
Ich starre ihn an. Seine Worte treffen mich mit einer Kraft, die ich nicht erwartet habe. So ehrlich, so ungespielt.
Ich bin da.
Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlt sich jemand echt an. Nicht, weil er alles weiß. Sondern weil er bleiben will – auch wenn er nichts weiß.Meine Lippen formen ein schwaches, aber ehrliches Lächeln. „Danke. Wirklich. Es bedeutet mir mehr, als ich sagen kann... dass du dich sorgst. Dass du einfach... da bist."
Ich will ihn umarmen. So sehr. Aber ich zögere. Was, wenn er es nicht will? Wenn er zurückweicht?
Doch dann sehe ich es in seinem Blick – er wartet. Und er würde es zulassen.Also trete ich einen Schritt näher. Zögernd. Aber entschlossen. Dann lege ich meine Arme um ihn, schmiege mich an seine Brust, spüre seinen Herzschlag unter dem Stoff seines Pullovers.
Er zieht mich sanft zu sich, seine Arme umschließen mich – nicht eng, nicht besitzergreifend, sondern schützend.In diesem Moment ist alles still. Kein Straßenlärm, kein Wind – nur dieses Gefühl von Wärme, Nähe, von einem Stück Zuhause.
Ich schließe die Augen. Atme ihn ein.
„Danke, Jamal", flüstere ich leise, als sei es ein Gebet.
Er antwortet ruhig, direkt an meinem Ohr: „Ich bleib. Solange du mich brauchst, bleib ich."Und plötzlich – nur für diesen Moment – fühlt sich die Welt nicht mehr ganz so dunkel an.

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Leyla
RomanceLeyla lebt ein ruhiges, zurückgezogenes Leben unter der strengen Aufsicht ihres Vaters, der viele Feinde hat. Als Jamal als ihr persönlicher Beschützer auftaucht, beginnt sie sich zum ersten Mal in ihrer Nähe sicher zu fühlen - obwohl sie nicht vers...