Es ist genau ein Monat vergangen. Seitdem rede ich kein Wort mehr mit meinem Vater. Ich gehe ihm aus dem Weg, so gut es nur geht. Ich verstehe bis heute nicht, warum er mich ausgerechnet an Jamal gebunden hat. Warum ausgerechnet er? Mein Leben läuft irgendwie weiter – mit Jamal im Schatten. Er ist immer da, egal wo ich bin. Ich schwöre, es ist wie ein Fluch. An jeder Ecke steht er. Redet nicht. Guckt nur. Und obwohl es mich nervt, gewöhne ich mich daran. Jeden Tag ein bisschen mehr. Es ist wie ein Schatten, den man nicht loswird. Seit dem Vorfall haben wir kein einziges Wort mehr miteinander gewechselt. Der Typ hat sich nicht mal entschuldigt. Kein einziges Mal. Aber ganz ehrlich? Scheiß drauf.
Heute ist ein guter Tag. Endlich. Ich bin mit Serhat und Selin verabredet. Ich freu mich so sehr darauf, meine zwei Babys nach langer Zeit wiederzusehen. Es ist warm draußen, richtig schön, also zieh ich was Lockeres an: eine schwarze, luftige Stoffhose, dazu ein graues Croptop. Nichts Besonderes, aber comfy. Ich lass meine Haare offen, sprüh noch etwas Haarparfüm rein – ja, perfekt. Ich check mein Zimmer kurz, alles sieht okay aus. Doch kaum will ich raus, sitzt er da. Jamal. Vor meiner Tür. Mit seinem Handy, als wär das normal. Ich schließe leise die Tür hinter mir, und da steht er plötzlich auf. „Wohin geht's? So?" fragt er. Ich drehe mich leicht verwirrt zu ihm um. Seit wann stellt er solche Fragen? Sonst läuft er einfach nur still hinterher. „Bleib zu Hause, Junge, und nerv mich nicht", fauche ich genervt, werf meine Haare zurück und lauf an ihm vorbei. Unten dreh ich mich noch kurz um – er steht immer noch da, genau an der gleichen Stelle. Rührt sich nicht. Was ist nur los mit ihm?
Ich nutze die Chance. Jackpot! Schnell Leyla, raus hier. Ich zieh die Tür hinter mir zu und laufe in eiligen Schritten zu Selins Haus. Als ich von weitem Serhat sehe, kommt mir direkt ein fettes Grinsen. Mein Herz macht einen kleinen Sprung. Serhat ist wie ein Bruder für mich. Immer da, wenn ich ihn brauche. Ich liebe ihn einfach dafür. Ich renn auf ihn zu, umarme ihn fest. „Mädchen, wie ich dich vermisst hab. Du warst 'ne Woche tot, lan!" Ich lache, löse mich von ihm. „Ja, hatte bisschen Stress zuhause, aber schau mich an – ich bin draußen!" ruf ich glücklich. Er lacht laut. Wir setzen uns – er auf die Bank, ich auf die Tischplatte, meine Beine baumeln. Ich höre ihm zu, wie er erzählt, was auf der Arbeit passiert ist. Ich lache laut los. „Hahaha, was redest du da?" – „Ja, vallah, der Typ ist so dumm." Ich werf einen kurzen Blick zur Seite – und da ist er. Jamal. Angelehnt an seinen Audi RS, starrt mich emotionslos an. Natürlich.
„Eee, wie läuft's mit dem Typen?" fragt Serhat mit einem frechen Grinsen. Ich sehe ihn geschockt an. „Was redest du da? Nerv mich nicht, ich hasse ihn." Er fängt einfach an zu lachen. Ich hau ihm eine auf die Schulter. „Du Hund, Serhat!" Dann renn ich weg, lachend, während er mir hinterher ruft: „LAN, MÄDCHEN?!" Ich lach weiter und renn zu den kleinen Jungs, die am Straßenrand Fußball spielen. „Ey, pass! Pass!" Einer kickt den Ball zu mir. Ich fang an zu jonglieren. „Eins, zwei, drei, vier..." zählt ein kleiner geschockt mit, weil ich den Ball einfach hochhalte. Zehn Mal. Dann baller ich das Ding direkt zu Jamal rüber. Boom. „WOOWWW LELA WIE GUT DU BIST!!" rufen die Kleinen begeistert. Ich lache, umarme sie alle, dann lauf ich rüber zu Jamal, der den Ball immer noch bei sich hat.
„Gib", sag ich kurz angebunden.

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Leyla
RomanceLeyla lebt ein ruhiges, zurückgezogenes Leben unter der strengen Aufsicht ihres Vaters, der viele Feinde hat. Als Jamal als ihr persönlicher Beschützer auftaucht, beginnt sie sich zum ersten Mal in ihrer Nähe sicher zu fühlen - obwohl sie nicht vers...