Underneath the Mistletoe (1) [10.12.]

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Die Geräusche des Kampfes ertönten aus den Lautsprechern, die auf fast volle Lautstärke gestellt waren.
Schließlich musste Kuguri das ausnutzen, wenn er einmal etwas Zeit für sich hatte und nichts für die Schule tun musste – und seine Familie war nicht zuhause, was die Verlockung noch einmal steigerte.
 
Sein wie wild läutendes Handy ignorierte er, denn egal wer es war, sein Videospiel interessierte ihn gerade etwas mehr.
 
Als er jedoch wahrnahm, wie es an der Haustür klingelte, hatte er wohl oder übel keine andere Wahl, als sich aufzuraffen und hinunter zu gehen.
Die Tür war noch nicht einmal vollständig geöffnet, als seine Teamkollegen schon in sein Haus spazierten, als wäre es das normalste der Welt.
 
„Was tut ihr hier?“, fragte er, schloss die Tür, als alle drin waren und er merkte, dass sie wohl nicht mehr so schnell gehen würden, als sie sich auf dem Sofa niederließen und Numai sich sogar an seinem Kühlschrank bediente.
 
„Gute Nachrichten überbringen“, sagte Daisho, legte seine Füße auf dem Glastisch ab, nachdem er sich ein Bonbon aus der Schüssel, die auf diesem stand, genommen hatte und nun öffnete, es in seinem Mund verschwinden ließ.
 
„Ich hab Besseres zu tun.“ Kuguri drehte sich um, stand gerade einmal mit einem Fuß auf der ersten Stufe, als Numai ihn hinunterzog und zurück zum Sofa schliff.
„Auch, wenn es um Shibayama geht?“
 
Der Wing Spiker riss die Augen auf, schaffte es, von ihm loszukommen und starrte das Ass an. „W-Was habt ihr getan?“
 
„Hiroo“, sagte Daisho, streckte dabei die Hand nach einem Zettel aus, den der Mittelblocker heraus kramte und ihm hin hielt.
 
Der Kapitän wedelte zufrieden damit in der Luft herum, hob eine Augenbraue. „Interessiert?“
„Was ist das?“
„Seine Nummer.“
 
Der Erstklässler erstarrte.
 
Wirklich, er erstarrte, blinzelte nicht einmal, als sein Senpai vor seine Augen schnippte, als er ihn etwas stieß, bewegte er sich nicht wirklich.
 
Hatte er gerade wirklich richtig gehört?
Sollte er nochmal nachfragen, oder war das zu auffällig?
Sollte er hin rennen und den Zettel nehmen?
Sollte er ihn anrufen?
 
„Kuguri? Lebst du noch?“, fragte Akama besorgt.
 
Der Angesprochene schluckte. „Wie habt ihr die bitte bekommen?“
 
Die anderen sahen plötzlich alle weg, auf den Boden, zur Seite, Daisho pfiff sogar.
 
„Leute?“
 
Keine Antwort.
 
„Ihr habt die doch nicht etwa-“
„Themenwechsel“, verlangte Numai. „Wie wär’s, wenn du dich mal freust, dass du sie jetzt hast?“
„Ich will wissen, wie ihr die bekommen habt.“
 
Der Kapitän seufzte. „Ich hab schon meine Quellen.“
„Welche?“
„Ist doch jetzt egal! Wir reden darüber, wenn du es irgendwann mal geschafft hast, mit ihm zu reden.“ Es stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass er es immer noch nicht ganz verstand, wie jemand aus seinem Team sich tatsächlich in eine „dieser Katzen“ verlieben konnte, doch bei Kuguri war genau das passiert, auch wenn er selbst noch nicht ganz verstand, was das wohl bedeutete.
Seiner Meinung nach war das doch nichts Besonderes, sie übertrieben alle nur, meinte er, sie würden nicht verstehen, was er meint, meinte er.
 
Dabei wollten sie ihm teilweise tatsächlich helfen, auch wenn bestimmte Personen – wie Daisho – da eher einen Scherz draus machten, indem sie ihn manchmal damit aufzogen.
 
Genau dieser war es, der nun sein Handy hervor holte, dabei verdächtig abwechselnd vom Bildschirm auf den Zettel sah, während er etwas in das Gerät tippte.
„Was tust du?“, fragte Kuguri.
„Wenn du’s nicht tust, tu ich’s, und glaub mir, ich kenne da keinen Scham.“
 
Das reichte dem Wing Spiker, dass er binnen zweier Sekunden den Zettel schnappte, ihn einsteckte.
 
„Ohhh!~“, riefen alle gleichzeitig.
„Lasst das“, sagte er. „Sagt mir lieber, woher ihr die habt.“
 
Als alle wieder wegsahen, bekam er eine Idee, was hinter all dem stecken könnte.
Wieso sonst würde keiner darüber sprechen?
Wieso sollten sie auch seine Nummer plötzlich haben?
Genau – höchstwahrscheinlich verarschen sie mich, dachte er sich.
 
„Ihr habt die gar nicht bekommen, oder?“ Er sah durch die Runde. „Also entweder ihr habt die ganz geschickt geklaut oder die ist nicht echt und wenn ich dort anrufe, rufe ich in Wirklichkeit irgendeine Pizzeria an, damit ich mich richtig schön blamieren kann“, rätselte er.
„Ne, wie kommst du auf sowas?“, fragte Takachiho. „Als ob wir sowas schon je getan hätten…“
 
Kuguri sah erneut durch die Runde. „Raus. Meine Eltern kommen bald nachhause.“
 
Untereinander sahen die Eindringlinge sich an, dann standen sie auf und gingen durch die Eingangstür, die der Erstklässler ihnen offen hielt.
 
Numai klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter – er war der Letzte, der das Haus verließ. „Die Nummer ist echt. Glaub mir, ich war dabei, als wir sie uns geholt haben.“
„Also habt ihr sie doch geklaut“, stellte er fest.
 
Das Ass hob die Schultern. „So sind wir halt. Das zeichnet uns aus.“ Damit verließ er das Haus, Kuguri warf hinter ihm die Tür sofort zu, um weitere ungebetene Gäste zu vermeiden.
 
Seufzend lehnte er sich gegen die Haustür, strich sich über die Stirn.
Er nahm den Zettel aus seiner Hosentasche, sah sich die Nummer darauf an. Sollte er das Risiko eingehen und anrufen? Was, wenn der Libero gar kein Interesse hatte? Oder sollte er ihm doch nur schreiben? Sollte er es gar lassen?
 
Er seufzte erneut, jammerte etwas, als er wieder die Treppen hinauf in sein Zimmer ging, dort versuchte, sich mit seinem Videospiel abzulenken, doch ausnahmsweise half es ihm nicht, immer wieder glitt sein Blick hinüber zu seinem Handy, dann wieder zu seinem Fernseher.
 
Irgendwann wurde ihm dieses ganze hin und her zu viel, weswegen er das Spiel pausierte, nach dem Gerät griff und die Nummer einspeicherte.
Was konnte schon passieren, wenn er die Nummer nur mal auf seinem Handy hatte? Vielleicht konnte er anhand des Profilbildes erkennen, ob es sich hierbei tatsächlich um den Jungen, in den er sich so unerwartet verknallt hatte, handelte, oder ob es nur ein Scherz gewesen war, den sich seine Teamkameraden erlaubt hatten.
 
Etwas nervös öffnete er die App, suchte ihn raus, untersuchte sein Profilbild – darauf war ganz klar der Libero zu sehen, der ein typisches Spiegelselfie machte, dabei das Peace Zeichen dazu zeigte.
 
Eine Weile starrte er das Bild an, bis sich der Status plötzlich in Online umänderte.
Vor Schreck schloss er die App, warf das Handy beiseite.
 
Vielleicht würde er sich doch mit anderen Dingen beschäftigen.
 
Jetzt stell dich doch nicht so an, verlangte seine innere Stimme, und insgeheim gab er ihr Recht – schließlich war doch jetzt, wo Shibayama online war, ein guter Zeitpunkt, ihm zu schreiben, denn da müsste er nicht ewig warten.
 
Sein Herz klopfte wie verrückt gegen seine Brust, als er mit zittrigen Händen das Handy wieder an sich nahm, den noch leeren Chat öffnete.
Ungefähr zehn Mal schrieb er in die Zeile, löschte es wieder, schrieb wieder, löschte es wieder.
 
Kuguri seufzte, kaute schon nervös an seinem Fingernagel herum. Er schüttelte den Kopf, wollte das einfache Hi wieder löschen, als sein Handy ihm plötzlich aus der Hand fiel. Erschrocken versuchte er, es aufzufangen, berührte es ein paar Male, dann fiel es auf den Boden.
 
Wenn es jetzt kaputt wäre, würde er sich selbst dafür prügeln, das war ihm in dem Moment klar.
 
Also hob er das Gerät auf, überprüfte, ob es noch heil war, als ihn etwas anderes mehr schockierte – die Nachrichten, die er anscheinend abgeschickt hatte.

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