Kapitel 6

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„Ich glaube deiner Alison kein Wort!", stellte Spencers Mom wütend fest, „Wir beide kennen sie nur zu gut. Sie ist manipulativ und intrigant. Ich konnte sowieso nie verstehen wieso du unbedingt mit ihr befreundet sein wolltest!"
Spencer saß schon im Pyjama, einer Jogginghose und einem blauen, weiten T-Shirt mit U-Ausschnitt, auf einem der Barhocker, die die Familie Hastings als Küchenstühle an die Kücheninsel gestellt hatte und knabberte ein paar Nüsse.
Ihre Mutter reinigte gerade die Arbeitsfläche mit einem feuchten Tuch, wo sie zuvor das Abendessen zubereitet hatte.
„Und wenn sie die Wahrheit sagt?", meinte Spencer vorsichtig.
„Wann hat Alison DiLaurentis schon einmal die Wahrheit gesagt?", konterte ihre Mutter.
Darauf sagte Spencer nichts. Sie wusste nicht was sie hätte sagen sollen. Alison weiter verteidigen und sie in Schutz nehmen? Wie denn? Sie teilte ausnahmsweise ja die Meinung ihrer Mutter.
Kurz darauf ging Spencer hoch in ihr Zimmer und wollte wahrscheinlich schlafen gehen. Es war zwar erst 21 Uhr, aber sie konnte auch ein wenig mehr Schlaf vertragen. Ihr fiel auf, dass sie ihr Handy unten im Wohnzimmer vergessen hatte und drehte sofort wieder um. Leise ging sie die Treppe hinunter. Nicht weil sie es beabsichtigte. Es war einfach leise.
Ihr Vater schien nach Hause gekommen zu sein und unterhielt sich ernst mit ihrer Mutter. Spencer war neugierig und lauschte heimlich von der Treppe aus.
„Ich bin dafür, dass Spencer sich nicht weiter mit Alison abgibt! Sie bringt sie ständig in Schwierigkeiten und um ehrlich zu sein, ich weiß gar nicht was die fünf überhaupt machen. Spencer erzählt nichts mehr! Irgendetwas verheimlicht sie uns!", erklärte Mrs. Hastings.
„Wenn du meinst. Auf mich macht sie in den letzten Tagen einen leicht unkonzentrierten und abgelenkten Eindruck."
„Ja, das meine ich ja. Was geht da vor?"
„Wie sieht es denn schulisch aus?", fragte Mr. Hastings.
„Sie hat letzten Dienstag mitten in der Nacht einen Aufsatz geschrieben, weil sie ihn vergessen hatte. Sie ist faul geworden und hat ihre Ziele aus den Augen verloren."
Ab dem Zeitpunkt reichte es Spencer dann. Sowas wollte und konnte sie sich nicht anhören. Sie, faul? Niemals! Sie arbeitete von morgens bis abends oder noch länger, um es ihrer so perfekten Familie recht zu machen und dann das? Sie war verletzt! Ziemlich verletzt und wusste gar nicht wie sie darauf reagieren sollte.
Ein wenig emotionslos starrte Spencer auf die weiße Wand, während ihr ein paar Tränen die Wangen hinunter liefen. Ganz starr und nachdenklich saß sie auf den Treppenstufen wie ein Häufchen Elend.
Dann bemerkte Mrs. Hastings, dass Spencers Handy noch auf dem Wohnzimmertisch lag. Sie griff es sich und rief: „Spencer! Vermisst du etwas?", und wollte hoch gehen. Doch nachdem sie um die Ecke gebogen war, sah sie ihre Tochter dort sitzen.
„Spencer", hauchte sie leise und fühlte sich ertappt und schämte sich gleichzeitig, dass sie alles mitbekommen hatte.
Dann stand Spencer wie vom Blitz getroffen auf, riss ihrer Mutter ihr Handy aus der Hand und machte Anstalten raus zu gehen.
„Spencer!", rief ihr Vater und griff nach ihrem Arm.
„Wir machen uns doch nur Sorgen um deine Zukunft. Das war doch nicht böse gemeint", versuchte er die Situation zu retten.
„Genau, Schatz. Wir denken du solltest dich einfach mehr auf die Schule und weniger auf deine Freundinnen fixieren. Alleine schon deshalb, weil Alison ein schlechter Umgang für dich ist", ergänzte ihre Mutter.
„Woher wollt ihr denn überhaupt wissen, dass Ali die Polizei angelogen hat?", fragte Spencer vorwurfsvoll.
„Das Thema hatten wir doch schon, Spence", sagte Mrs. Hastings.
„Ich weiß aber, dass sie die Wahrheit gesagt hat!", schrie Spencer.
„Und woher bitte, junge Dame? Warst du etwa dabei als dein Englischlehrer deine Mitschülerin vergewaltigt hat?", fragte Mr. Hastings mit strengem Ton.
„Nein, natürlich nicht!", entgegnete Spencer.
„Und woher willst du es dann wissen?", hakte Mrs. Hastings nach.
„Weil er das selbe mit mir gemacht hat!", schrie Spencer unter Tränen. Sie konnte kaum fassen, dass sie das gerade gesagt hatte. Sie war so wütend auf ihre Eltern gewesen, dass sie kein Stückchen nachgedacht hatte, was sie da überhaupt faselte.
Verwirrt und ein wenig perplex atmete Spencer ein paar mal schwer und rannte dann endgültig aus dem Haus. Ihre Eltern hielten sie nicht auf, weil die noch immer in einer Schockstarre festsaßen. Spencer eilte zum Nachbarhaus, was Alison ihr Zuhause nannte, und klingelte sturm.
Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und klemmte diese hinter ihr Ohr. Sie war noch immer vollkommen erschrocken und stand komplett neben sich. Wie sollte sie da bloß wieder raus kommen?
Alison öffnete die Haustür und sah Spencer verwundert an.
„Spence, was machst du hier?", fragte sie.
„Hilfe!", war alles was Spencer rausbrachte. Ali ließ sie rein und führte sie zu ihrem Zimmer, wo sie es sich bequem machten und Spencer ihr von vorne bis hinten alles erzählte. Die Zuhörende schien überrascht und vielleicht sogar ein wenig besorgt zu sein, aber bei Alison konnte man das nicht so gut sagen was sie wirklich fühlte und was gespielt war.
„Was mache ich denn jetzt?", fragte Spencer völlig aufgelöst.
„Weiterspielen", war Alis Antwort. Sie hatte es so gesagt als wäre es selbstverständlich gewesen. Als stände es ohne Frage, dass Spencer nun auch eine solche Geschichte bringen würde.
Spencer sah ihre Freundin ungläubig an: „Was soll ich?"
„Du kannst es sowieso nicht ändern", war Alis Begründung.
Irgendwie hatte sie Recht. Wie sollte sich Spencer da wieder raus reden? Das ging nicht. Entweder sie gab zu, dass sie gelogen hatte oder sie spielte ein genauso abgekartetes Spiel wie Alison.
„Ich kann aber nicht so gut lügen wie du."
„Das bekommst du hin. Wir gehen jetzt alles durch! Also, wir überlegen uns eine genauso herzzerreißende Geschichte für dich! Keine Sorge, ich habe genug Ideen. Das wird schon", versuchte Alison Spencer zu beruhigen.

Und tatsächlich. Sie überlegten sich innerhalb der kurzen Zeit eine gute und glaubwürdige Geschichte. Sie achteten auf alles was widersprüchlich hätte sein können und überlegten sich dazu auch etwas.
Anschließend übten sie es die Geschichte zu erzählen.
„Es geht. Du bist zwar nicht perfekt, aber einigermaßen glaubwürdig. Also los, Spence. Hals- und Beinbruch", sagte Alison.

Danach stiefelte Spencer wieder rüber. Die gesamte Familie wartete auf dem Sofa auf sie, um sie zu empfangen. Spencer setzte sich auf den freien Platz auf dem Sessel. Sie begann zu erzählen, nachdem ihre Mutter sie darum bat.

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