Kapitel 2

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Der nächste Tag verlief wie immer. Eine Englischstunde hatten sie nicht. Alison verteilte vernichtende Sprüche und die anderen unternahmen nichts.
Teilweise warfen sich Aria, Hannah, Spencer und Emily ein paar Blicke zu. Sie beobachteten sich gegenseitig, denn jeder wusste, dass keiner von ihnen bereit war Alison zu unterstützen bei dem was sie vor hatte. Aber niemand sagte etwas. Die Angst vor den Folgen war zu groß.

Am Nachmittag trainierte Spencer für die Hockeysaison. Sie hatte sich fest vorgenommen dieses Jahr die beste Spielerin des Teams zu werden und somit Teamcaptain. Ihre Gedanken, allerdings, kreisten nur um Ali. Wie sollte sie sich aus dieser Situation retten?
Ihrer Meinung nach übertrieb Alison maßlos. Spencer verstand ihr Motiv nicht einmal, denn Mr. Fitz war nicht streng! Was bewegte die Schuldiva also dann dazu?
Sie wollte es unbedingt herausfinden. Irgendetwas musste ja vorgefallen sein, dass Alison jetzt einen dermaßen großen Rachefeldzug gegen den Englischlehrer plante.
Sie war zwar dagegen, entschied sich aber dazu mitzumachen. So hatte sie wenigstens ein wenig Kontrolle und konnte Alison vielleicht sogar noch vom Gegenteil überzeugen.
Aber welche Beweggründe hatten die anderen Mädels?
Emily traute sich einfach nicht etwas zu tun, was Alison nicht gefiel, Hannah hatte Angst vor dem Ausgestoßen werden aus der Gruppe. Denn die ganze Schule hasst und liebt Alison und ihre Clique. Wenn eine von ihnen also ausstieg oder gefeuert werden würde, würde diese keine Freunde mehr finden und wäre allein. Allein und gedemütigt, und wahrscheinlich würde Alison dann auf ihr rumhacken, wie auf dem Rest der Schule. Vielleicht sogar noch schlimmer.
Aria hatte noch nicht so wirklich darüber nachgedacht. Sie hatte „Ja" zu alledem gesagt, weil alle anderen es auch taten. Eine klassische Mitläufersituation also.

In ein weißes Minikleid gekleidet und eine grüne Handtasche im Wert von 300€ tragend, lief Hannah über den Rasen zu Spencer.
„Hey, Spence!", begrüßte die Blondine ihre brünette Freundin.
„Hannah? Hey!", sagte Spencer und spielte weiter.
Hannah sagte lange erst nichts und schaute Spencer beim Training zu, bis sie dann ärgerlich meinte: „Jetzt lass den Schläger Schläger sein und leg ihn beiseite!"
„Was ist denn jetzt los?", fragte Spencer und legte ihren Hockeyschläger vorsichtig links neben ihr auf den sattgrünen Rasen.
„Alison macht mir Angst!", meinte Hannah.
Spencer schluckte und sah Hannah etwas perplex an.
„Ich weiß, dass das Verhalten ganz normal für Ali ist, aber ich denke sie übertreibt. Wir würden alle anlügen müssen! Und wozu überhaupt?", erklärte Hannah.
„Ja, das habe ich mich auch schon gefragt. Aber für gewöhnlich will sie ja nur Aufmerksamkeit", riet Spencer.
„Die Opferrolle passt aber nicht zu Ali. Ich meine, wir reden hier über Alison DiLaurentis. Eine starke Person, die niemals auch nur einen Hauch von Schwäche zeigen würde. Und jetzt das!"
„Ja", stimmte Spencer zu.

Einen Monat später kam der Tag, der alles veränderte. Der Anfang von all den Lügen. Der Anfang von all dem Schmerz und dem Kummer.
Es war ein warmer Sommertag. Aber die Vorfreude auf die Schule und das Wiedersehen war, wie immer, schon lange vergangen und nur am ersten Tag nach den Sommerferien vorhanden gewesen.

Die Lügen und Geschichten waren von ihnen von langer Hand geplant worden. Nun galt es diese umzusetzen. Und zwar klug.
Man durfte ihnen nicht anmerken, dass sie die Unwahrheit sprachen. Und ich zitiere Alison: „Wenn ihr eure eigene Lüge nicht glaubt, wer soll es dann tun?"
Und damit hatte sie auf verdrehte Art und Weise auch Recht.
Alison trug einen weißen Jeansrock, ein schwarzes, leicht lockeres, kurzärmliges Oberteil. Dazu tiefschwarze und akribisch geputzte Stiefel, die wahrscheinlich sogar neu und ungetragen waren. Ihre blonden, lockigen Haare trug sie offen. Sie war unauffällig, ganz schlicht und natürlich geschminkt.
Sie hatten eine Englischstunde. Mr. Fitz teilte die Tests aus, die sie vergangenen Donnerstag geschrieben hatten. Es war ein Aufsatz, eine Textanalyse. Spencer hatte, wie eigentlich immer, ein A+. Sie war redegewandt und wusste sich auszudrücken. Sie hatte tolle Worte gefunden den Text, den sie bekamen, zu analysieren. Aber alles schulische fiel ihr sowieso immer leicht. Zumindest wirkte es auf den Rest der Welt so. Aber sie war nun einmal eine Hastings. In ihrer Familie legt man Wert auf gute Leistungen!
Aria hatte ein B, Hannah ebenfalls, Emily und Alison mussten sich mit einem C zufrieden geben.
Am Ende der Stunde, als die große Mittagspause auf die Schüler und Schülerinnen der Rosewood High wartete, blieb Alison im Klassenraum. Die anderen waren alle sofort hinausgestürmt und langten in der Cafeteria ordentlich zu, obwohl das Essen, wie in jeder Schulkantine, widerlich war. Man schmeckte heraus, dass die Schule nur billige Waren nutzte, um zu sparen.
Alison fragte ihren Lehrer wie sie ihre Note verbessern könnte und sie erhielt eine extra Aufgabe. Das war's. Mehr passierte nicht. In Alisons Version passierte aber mehr.

Die Schulflure waren leer. Komplett leer, sodass niemand Alison sah.
Emily stand vom Tisch auf und ging offiziell auf die Toilette. Sie ging auch in den Mädchenwaschraum, aber aus einem anderen Grund.
Sie half Alison ihre Geschichte glaubwürdiger zu machen.
„Schlag mich, los!", befahl Alison ihr.
Sonst niemand war da. Und das war auch gut so. Sie war vielleicht eine gute Lügnerin, aber wie hätte man sich aus dieser Situation rausreden sollen?
Emily verpasste Alison eine Backpfeife.
„Doller, Emily! Man muss glauben können, dass er es war!", rief Alison ihr wütend zu.
Emily schlug noch einmal zu, dieses Mal kräftiger.
„Doller!"
Mit einem lauten Knall endete die letzte Backpfeife. Alisons rechte Wange war ganz rot geworden. Sie fasste sich zärtlich an ihre schmerzende Wange.
Anschließend sollte Emily ihr einen Knutschfleck im Dekolleté verpassen. So würde es nicht direkt auffallen, würde später aber die Situation verschärfen.
Alison schüttelte ihre Haare durch, verwischte ihren Lippenstift und zerriss den linken Träger ihres BH's.
Zum Schluss packte Emily Alisons Handgelenke und drückte so doll zu, sodass auch diese rot wurden.
Nun sah Alison wirklich lädiert aus. Emily musste sich beeilen, damit es nicht auffiel, dass sie so lange nicht da war.
Sie setze sich zurück an den Tisch und sagte zu den anderen, dass sie fertig geworden sind.
Die Teenager hatten Herzklopfen. Sie waren nervös, ja hatten fast schon Lampenfieber.
Ab da ging es los. Und die Mädels waren gnadenlos.
Wann hatten sie gelernt so zu lügen? War es angeboren? Ein Talent? Hatte Alison es den anderen beigebracht? Wann auch immer sie es sich angewöhnt hatten, ab da wurden sie zu Miststücken.

Pretty Little Liars - their biggest lieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt