Kapitel 6

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Cassy's erschrockener Blick ließ Xander erahnen, was in ihrem Kopf vor sich ging. Sie hatte also keine Ahnung. Weder was er war, noch was sie war. Sie wusste von ihrer Art scheinbar nichts. Xander war sich nun sicher, dass sie noch in ihrem Ursprungskörper durch die Welt lief - nichtsahnend. So konnte er sie definitiv nicht alleine lassen. Sie brauchte Schutz. Schutz vor denen. Und Xander konnte ihr diesen gewähren. „Vielleicht sollten wir an einen anderen Ort? Ich denke, ich hab dir einiges zu erklären.", sagte er in einem strengen Ton. Kurz überlegte er, ob dies nicht zu streng war. Xander du Vollidiot, dachte er sich nun.
„Wie ist dein Name?", gab er mit einem freundlichen Lächeln von sich, um die Stimmung wieder etwas aufzuheitern.
„Cassidy...", antwortete sie ihm prompt. Xander bemerkte in ihr noch immer eine leichte Panik gegenüber ihm.
„Cassidy, ich will - nein ich muss - dir einiges erklären. Ich weiß es ist beängstigend, aber du kannst mir vertrauen. Da gibt es etwas, dass du wissen solltest, denn-" „Okay!", unterbrach Cassy ihn schnell. Xander war sichtlich überrascht. Er hatte auf diese Antwort gehofft, aber definitiv nicht mit ihr gerechnet. Umso mehr freute er sich. Eine Neue seiner Art. Zudem eine, für ihn zumindest, ziemlich attraktive Frau...

„Für mich einen Cappucino bitte!". Cassidy brauchte definitiv erstmal in Ruhe eine Tasse Kaffee, nachdem ihr letzter Capuccino hinter einem Müllcontainer einer Seitengasse landete.  Sie versuchte Xander nicht zu sehr anzustarren - oder sollte sie eher sagen, Caleb? Nun saß er gegenüber von ihr am Tisch in einem kleinen, schäbigen Diner und trank seinen Kaffee. Einen Espresso. Der muss es ja brauchen. Seine Hände zitterten. Cassy überlegte nicht lange, um daraufzukommen, dass ihm wohl die Drogen fehlten. Ihr Blick wanderte zum Fenster, links von ihr. Man konnte durch dieses nur sehr wenig von der Stadt sehen, so sehr war es mit Dreck von der Straße beschmutzt. Ebenso die anderen Fenster, musste sie erwidernd feststellen.
„Cassidy, ich bin kein Mensch der großen Worte. Ich sag's jetzt mal wie es ist. Du bist kein Mensch.", kam aus Xander's Mund. Cassy sah ihn verwirrt an. Entweder war sie noch immer im Schockzustand oder einfach nur verrückt. Alleine der Gedanke, dass sie einem völlig Fremden, zudem auch noch einem Drogensüchtigen, Vertrauen schenkt und ihm durch die Stadt folgt, war mehr als gestört. Jedoch hatte sie während ihrem „Spaziergang" mit ihm zu diesem Diner, lange darüber nachgedacht. Ihr fiel ein, warum sie sich dennoch irgendwie sicher fühlte bei ihm. Sie erinnerte sich an den Traum den sie hatte, von Caleb Twist. Wie er sie hielt und ihr sagte, dass er sie liebte. Der Gedanke daran ließ Cassy kurz schaudern. In der Realität zurück, blickte sie wieder zu Xander, der sie nun erwartungsvoll anstarrte.
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich darauf antworten soll Xander, ähm.. Caleb.", fragend sah sie ihn an. „Xander", antwortete er ihr ernst, „ich denke, es ist genug für heute". Mit einer kurzen Handbewegung deutete er der Kellnerin, woraufhin diese zum Tisch kam. Er bezahlte beide Kaffee und bat sie noch um einen Stift und einen Zettel. Konzentriert schrieb er seinen Namen und eine Telefonnummer auf die Notiz und überreichte sie Cassidy wortlos. Dann stand er auf und ging. Cassy war sprachlos. Zuerst verfolgte er sie, machte ihr eine riesen Angst, dann erklärte er ihr sie sei kein Mensch und jetzt verschwand er, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Sie spürte, dass sie den Tränen nah war. Das war einfach zu viel. In ihrem Kopf herrschte pures Chaos. Auf sich allein gestellt, nahm Cassy den Zettel, packte ihn in ihre Jackentasche und verließ mit schnellem Schritt das Diner.

Als Cassidy ihre Wohnung betrat, wartete Marc bereits auf sie. Er war seit den frühen Morgenstunden damit beschäftigt die Wohnung ein wenig einzurichten. Marc legte anscheinend viel Wert auf ein gemütliches Zuhause, fiel Cassy auf. „Wo warst du?", fragte er sie, noch bevor sie ihre Jacke ausziehen konnte. „Wird das jetzt ein Verhör?", antwortete ihm Cassy frech. Sie versuchte, so gut es ging, sich ihren Gemütszustand nicht anmerken zu lassen. „Hoffe es gefällt dir hier. Bin gerade dabei es uns ein bisschen gemütlicher zu machen.", sagte Marc zu ihr und lächelte sie erwartungsvoll an. Cassy nickte und gab ihm ein Lächeln zurück. „Ich bin echt froh, dass du mit mir hierher gezogen bist. Ich weiß, dass es nicht einfach für dich ist momentan. Darum schätze ich es umso mehr." Marc's Worte waren wie Balsam für Cassy's Seele. Ihn hatte sie momentan am liebsten um sich. Und auch er war es, der ihr Herz auf eine Art und Weise erwärmte, die selbst sie sich nicht erklären konnte. Ob sie sich wirklich in ihn verliebt hatte? Oder war es nur eine kleine Schwärmerei? Plötzlich musste sie an Xander denken und an die Geschehnisse des Vormittags. Eines war für sie klar: sie musste ihn wiedersehen. Zu viele Fragezeichen hatte er in ihrem Kopf hinterlassen.
„Cassy?", Marc fuchtelte mit den Händen vor ihrem Gesicht herum. Cassy blinzelte erschrocken. „Mann, ich hoff du hast an mich gedacht. So gedankenversunken wie du grad warst.", Marc fing an zu lachen und widmete sich daraufhin kopfschüttelnd wieder seinen Einrichtungskünsten. Cassidy lächelte kurz verlegen und bahnte sich dann einen Weg durch die Umzugskisten in Richtung Schlafzimmer. Eins musste man ihm lassen, dachte sie sich, er hatte definitiv ein Händchen für Dekoration.

In ihrem Zimmer war es kalt. Die herbstliche Jahreszeit ließ die Temperaturen schön langsam immer weiter sinken. Ein Blick zum gekippten Fenster verriet, dass sie vergessen hatte es zu schließen bevor sie sich auf den Weg ins Café machte. Der Herbst war definitiv ihre liebste Jahreszeit - nicht zu warm, aber auch nicht zu kalt. Cassy schloss das Fenster und beobachtete dabei die Menschen, die auf der Straße am Haus vorbeigingen. Ihr Apartment befand sich im 2. Stock eines Mehrparteienhauses in einem erstaunlich angenehm, ruhigen Viertel in Brooklyn. Dennoch waren zu Stoßzeiten viele Leute unterwegs, aber das war nun mal New York. Cassy's Blick fiel auf einen dunkel bekleideten Mann, der an einer Hausecke schräg gegenüber ihres Wohnhauses stand. Sein Gesicht zu ihrem Fenster gerichtet. Cassy sah mehrmals genauer hin, um sich zu vergewissern. Doch es war keine Täuschung, der Mann blickte starr in ihre Richtung. Es schien, als würde er sie von Weitem beobachten!

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 03, 2021 ⏰

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