Chapter Two

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Dieses Video hatte mich so unfassbar durcheinander gebracht, dass ich fünfzehn Minuten zu spät in mein Auto stieg und los fuhr. Ich bin nie zu spät, nie und vor Allem heute kann ich es mir eigentlich nicht leisten. Ich öffne leise die Türe des Konferenzsaals und gehe schnell zu meinem Platz. Kaum Jemand beachtet mich, zum Glück. Unter dem Tisch werfe ich nochmal einen Blick auf mein Handy. Fast eine halbe Millionen Aufrufe hat das Video. Ich scrolle durch die Kommentare. „Die wären schon süss.", „Wieso zum Teufel shippe ich die so?!". Je mehr ich davon lese, desto unverschämter finde ich diese Aktion. Wie kommt man auf so eine Idee und dann auch noch mit der Weidel. In Gedanken verloren starre ich in den Saal, von den Diskussionen bekomme ich wenig mit. Als mein Blick durch den Saal schweift, sehe ich nach oben in die Glasgalerie. Alice steht dort, angelehnt an einer Betonsäule und beobachtet die Runde. Besser gesagt, sie beobachtet mich, oder kommt es mir nur so vor? Seit dem ich sie entdeckt habe, wich ihr Blick kein einziges Mal von mir ab. Ich verziehe leicht das Gesicht und versuche mich wieder der Vorlesung zu widmen. Ich fühle mich beobachtet und sehe immer wieder zu ihr nach oben. Ein Unwohlsein überkommt mich und doch stört es mich von Minute zu Minute weniger. Endlich ist die Runde beendet und ich habe Pause. Ich atme tief durch und verlasse meinen Platz. Ein letztes Mal Blicke ich nach oben, doch Alice steht nicht mehr da.

Ich mache mich vollbepackt auf den Weg zur Toilette, als mein Kollege mir einen fragenden Blick zuwirft. Ich beachte ihn nicht, betrete mit schnellem Schritt die Damentoilette und verschwinde in einer der Kabinen. Ich atme wieder tief durch. Ich höre wie sich eine der Kabinen öffnet, dann höre ich Schritte. Jetzt verlasse auch ich meine Kabine und steuere die Waschbecken an. Ich kann es kaum fassen, dass ausgerechnet sie nun auch hier ist. Alice steht an einem der Waschbecken mit dem Rücken zu mir. Es fühlt sich an als würde mich ein Blitz durchfahren. Sie sieht mich durch den Spiegel an, ohne sich umzudrehen. Wir sagen beide Nichts, doch auf ihrem Gesicht macht sich ein leichtes Lächeln breit. Ich schenke ihr keine Beachtung und wasche meine Hände, dabei kann ich es nicht lassen, immer wieder zu ihr herüberzusehen. Sie fährt mit ihrer Zunge über ihre Lippen, öffnet den obersten Knopf ihrer weißen Bluse und zupft sie zurecht. Aus meinem unauffälligen herübersehen wurde wohl ein intensives starren, denn als ich mich wieder fange stehe ich immer noch mit eingeseiften, unabgewaschenen Händen vor dem Waschbecken. Sie sieht mir wieder durch den Spiegel in die Augen und sagt, „Gut gekontert gestern, Frau Wagenknecht.". Ich bleibe wie erstarrt stehen und antworte nicht. Sie zieht kurz ihre Augenbrauen hoch, lächelt verschmitzt und verlässt den Raum. Was war das denn?! Schnell spüle ich mir die restliche Seife von den Händen und stürme aus der Toilette.

UNPOLITICAL TENSIONS //WeidelknechtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt