Chapter Six

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Lange habe ich mich nicht mehr so auf eine Veranstaltung gefreut wie auf Diese. Letztes Jahr konnte sie aufgrund der Corona Pandemie nicht stattfinden, doch 2019 war sie ein voller Erfolg. Meine perfekte Rede liegt bereit und ich sehe schmunzelnd in den Spiegel. Mir gefällt was ich sehe, heute sehe ich wirklich verdammt gut aus! Ich trage mein enges dunkelrotes Kleid, schwarze Absatzschuhe und ein dezentes Make-up mit einem perfekt passendem Lippenstift zu meinem Kleid. Meine Haare habe ich nach oben gesteckt. Noch ein letztes Mal Haarspray und Parfüm, dann verlasse ich gespannt meine Wohnung.

Vor dem Saal wartet schon mein Kollege. Er hatte mich gebeten seine Begleitung zu sein und ich hielt es für eine gute Idee der Weidel so zu entkommen. Er begrüßt mich mit den Worten: „Gut siehst du aus Sahra." Und wir betreten den schon gut gefüllten Saal. Direkt am Empfang wird mir ein Glas Champagner angeboten, ich greife zu. Während der Rest der Gäste langsam hereinkommt, stehe ich mit meinem Kollegen an der Bar und unterhalte mich mit ihm. Irgendwann schweift mein Blick durch den Saal und ich entdecke Jemanden, der mir sehr wohl bekannt ist. Es ist Weidel. Mit der Seite zu mir stehend unterhält sie sich mit einer Gruppe von Menschen. Ihre Blonden Haare sind stramm zu einem tiefen Dutt gebunden. Sie trägt eine schwarze Anzugshose mit einer weißen Bluse, darüber ein dunkelblauer Blazer. Ich starre sie regelrecht an, dieses dunkle Blau und diese streng nach hinten gebundenen Haare stehen ihr wirklich verdammt gut. „Hallo? Sahra?", meine Begleitung reißt mich aus meinen Gedanken. Ich werde schlagartig rot und kann ihm vor Scham gar nicht in die Augen blicken. Ich war mir sicher, dass er nun wieder irgendeinen Kommentar von sich gibt, doch er sagt einfach nichts. Stattdessen hakt er sich bei mir ein und wir gehen auf unsere Plätze. Die Veranstaltung beginnt und jede Partei hält ihre Rede. Gerade als ich auf die Bühne trete um meine zu halten, sehe ich Weidel in hinter der Bühne verschwinden. Sie ist wohl direkt nach mir an der Reihe, zum Glück. Es wäre sicher in einer Katastrophe geendet, wenn sie mich aus dem Publikum die ganze Zeit angestarrt hätte. Meine Rede läuft wie geplant, ich bin zufrieden mit meiner Arbeit und ich nehme wieder meinen Platz im Publikum ein. „Gut gemacht", sagt mein Kollege als ich mich neben ihn setze und legt seine Hand sanft oberhalb meines Knies ab. Ich bin verwundert, doch lasse mir nichts anmerken. Gut, fühlt sich jedenfalls anders an.

Alice betritt die Bühne und beginnt mit ihrer Rede. Ich bekomme nicht wirklich viel von dem mit, was sie sagt. Viel mehr bin ich damit beschäftigt, ihre Gestik, ihre Mimik und die Bewegung ihrer Lippen genauestens zu analysieren. Es vergeht kaum ein Moment in dem Frau Weidel einmal jemand Anderes im Publikum fokussiert, ausser mich. Der Blickkontakt ist innig, zu innig. Sie wirkt wie ein neuer Mensch, wenn sie mir so tief und fest in die Augen sieht. Der Blazer passt sich perfekt ihren Konturen an und die oben aufgeknöpfte Bluse erweckt Neugierde in mir. Ich spüre meinen Puls bis in meine Zehen. Ich vergesse alles um mich herum und lausche gespannt ihren Worten. Ich habe nicht wirklich viel vom Kontext ihrer Rede mitbekommen, doch als Weidel gerade über einen ihrer eigenen Witze lacht, rutscht es geradezu aus mir heraus. Für ein paar Sekunden entweicht mir ein lautes Lachen. Der gesamte Saal ist still, alle Augen sind auf mich gerichtet. „Sag mal spinnst du?!", zischt mir mein Kollege zu, doch ich stehe nur noch auf und verlasse stürmisch den Saal, während Weidel mit ihrer Rede fortfährt.

UNPOLITICAL TENSIONS //WeidelknechtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt