Kapitel 7

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Jahr 75 der neuen Zählung

Algiar rieb sich die Augen und öffnete sie schließlich. Er lag auf seinem Bett. Neben ihm stand seine Waffe. „Schon komisch.",dachte er, „Vor einem Jahr hätte ich niemals mit so etwas umgehen können und jetzt bin ich der Beste in meiner Gruppe." Algiar setzte sich auf. In seinem Zimmer standen außer dem Bett nur noch ein Kleiderschrank und ein kleiner Tisch mit einem Stuhl. Algiar besaß fast nichts und deshalb war der Raum auch fast leer, bis auf seine Uniform und ein paar Freizeitkleider. Wie gewohnt zog er sich seine Uniform an und nahm den Helm unter seinen Arm. Die Waffe schnallte er sich an seinen Gürtel. Die Schiebetür ging von selbst auf, als er hinaustrat. Daran hatte Algiar sich inzwischen auch schon gewöhnt. Er seufzte und schaute den leeren weiten Gang entlang. Viele weitere Türen. Hinter jeder Tür ein anderer Soldat der angeblichen Republik. Langsam stapfte Algiar den Gang entlang und seine Schritte halten an den Wänden. Am Ende dieser Leere war ein großes Tor, das sich von selber öffnete und den Blick auf eine riesige Kantine freigab. Viele Soldaten saßen schon an den weißen rundlichen Tischen. Es war totenstill. Und das war normal. Die Kantine war voll und trotzdem blieben alle leise und schauten nur auf ihren pampigen Brei. Algiar merkte, dass etwas anders war. Die Stimmung war noch bedrückter als sonst. Eine Frau kam auf Algiar zu. Eine Bedienstete. Mit einer Hand hielt sie ein Tablett mit dem Brei. Sie führte den jungen Mann zu einem Tisch, der weit abgelegen von dem Rest war und stellte ihm sein Essen hin. „Setzen Sie sich.",sagte die Frau freundlich und lächelte dabei unnatürlich. Algiar lief ein Schauer über die Haut. Wie jeden Morgen. Er fand diese Frauen so bedrückend, aber er wusste nicht warum. Er wollte immer am liebsten weglaufen, wenn er sie sah. Trotzdem setzte er sich und senkte den Blick, wie es jeder hier tat. Langsam löffelte er den Brei. Doch plötzlich hörte er ein Geräusch. Der Stuhl ihm gegenüber wurde weggerückt und ein Mann setzte sich. Algiar schaute auf. Ihm wäre fast der Brei im Hals steckengeblieben, als er ihn sah. Milan. Er hatte sich verändert. Er hatte Ringe unter den Augen bekommen und sein Gesicht war müde und matt. Die Augen hatten ihren Glanz verloren. Hinter ihm standen zwei Soldaten. Ihre Rüstungen waren nicht wie die der anderen. Ein grauer Streifen zog sich über die Brustpanzer der Männer. Eliteeinheiten. Das erkannte Algiar sofort. „Tut mir Leid, dass ich beim Essen störe.",begann Milan. In seiner Stimme war keine Gefühlsregung herauszuhören. Nicht mal dieses siegessichere. Dieses spöttische. „Dir scheint wohl das Diktatorleben nicht sehr gut zu bekommen.",stellte Algiar scharf fest und ein gemeines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Milan blieb unbeeindruckt und gab den beiden Soldaten hinter sich ein Zeichen, auf dem hin sie beide durch den Eingang der Kantine verschwanden. Der Diktator hob den Finger und zog ihn durch Algiars Brei. Dann lutschte er ihn ab und verzog das Gesicht. „Widerlich!",schimpfte er und spuckte den Brei auf den Tisch, „Wie kann man nur so etwas essen?" „Was willst du?",wollte Algiar jetzt wissen, während er den Löffel fallen lies und sich zurücklehnte. Milan schaute sich in der Kantine um. Verwirrt tat der junge Mann es ihm gleich. Die Halle war leer. Keine einzige Person war noch da. „Also schön.",begann Milan, „Anfangs will ich dich erst einmal beruhigen: Ich bin nicht hier um über deine rebellischen Ideen zu sprechen." Algiar blieb die Luft weg. Er wusste es also wirklich. Wie konnte das nur sein? „Eher will ich dich um etwas bitten.".fuhr Milan unbeirrt fort. Algiar schaute sein Gegenüber fragend an. „Du musst für mich das Paradies finden." „Paradies?" Algiar verstand nicht. „Du kennst doch sicher diese Geschichte von der Insel Drilemor und dem Weltentor, oder?" Algiar war verwirrt. „Natürlich. Aber das ist doch nur eine Geschichte ..." Milan schüttelte den Kopf. „Manche Geschichten sind war. Obwohl es mir lieber wäre, diese wäre es nicht ...",bemerkte er. „Wieso erzählst du mir davon? Du zeigst mir damit anscheinend deinen wunden Punkt. Dem Kerl mit den rebellischen Gedanken." Milan nickte. „Da ist schon etwas dran. Du bist ein kluger Junge.",lobte er. Dann stand er auf und schob den Stuhl wieder an den Tisch. Er stützte die Arme auf die Stuhllehne und fuhr fort: „Aber du kannst keine Waffe verwenden von der du nicht weißt wie sie funktioniert." „Du unterschätzt mich!",meinte Algiar kühl. „Ganz sicher nicht. Ich weiß wozu du fähig bist. Immerhin kannte ich deinen Vater. Ich bin sogar überzeugt davon, dass du mich mit ein wenig Glück besiegen kannst." Algiar war überrascht. „Wenn das so ist, hätte ich mich an deiner Stelle längst einsperren oder töten lassen." Ein müdes Lächeln schlich sich auf Milans Lippen. „Für mich ist das hier alles nur ein Spiel.",erklärte er, „Mir macht es Spaß zuzusehen, wie sich die Dinge verändern und ich gebe dir eine Chance mich zu stürzen. Aber es ist MEIN Spiel. Und ich mache die Spielregeln! Also sei gewarnt! Ich habe nicht vor es dir leicht zu machen." Algiar blieb skeptisch. „Was soll ich denn jetzt für dich erledigen?" Milan grinste. „Du musst Drilemor finden!" „Aber diese Insel gibt es nicht und keiner weiß ob es sie jemals gegeben hat!" Milan schüttelte den Kopf. „Es gibt eine Person, die es weiß. Deine Mutter." Algiar sprang von seinem Stuhl auf und schrie: „Wo ist sie?!! Wo hältst du sie gefangen?!!!" „Ich hole dich morgen vor deinem Zimmer ab. Dann bring ich dich zu ihr. Mir wollte sie es nicht sagen." Milan trat an Algiar vorbei, doch dieser hielt den Diktator am Arm fest. „Ich werde dich in deinem Spiel schlagen!",rief er fest entschlossen. „Ja!",raunte Milan triumphierend, „Es geht doch nichts über einen motivierten Gegenspieler." Dann riss er sich los und lies Algiar allein zurück. „Wir sehen uns!",rief er ihm noch zu, bevor die Tür hinter ihm zu ging. Algiar setzte sich wieder. Dieses Gespräch war sehr anstrengend gewesen. Was wollte Milan nur von ihm? Und wo war seine Mutter? Nach einem Jahr, indem es nichts anderes als Alltag gegeben hatte, freute er sich über etwas neues. Aber einerseits verstand Milan sich selbst nicht. Ein Leben zu leben ohne nachzudenken, war auch gut gewesen. Und zur Hälfte wünschte er sich jetzt zu vergessen. Algiar horchte auf, als er eine elektronische Stimme aus den Wänden hörte: „Gruppe C-11 zum Westausgang!" Das war Algiars Gruppe. Er atmete noch einmal tief durch, dann rannte er durch die Tür. Der letzte Alltag war gekommen.

Im Schatten der grauen RiesenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt