1. Kapitel

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Sturmjunges lag neben seinem Bruder in der Kinderstube und wartete, bis dieser endlich aufwachte. Es war noch früh am Morgen und selbst die Morgenpatrouille war noch nicht unterwegs. Doch Sturmjunges wusste, dass er nicht mehr einschlafen könnte, deshalb wollte er Regenjunges aufwecken. Er wollte das Lager erkunden, doch alleine machte es nicht so viel Spaß. Sturmjunges stupste seinen Bruder mit der Pfote an, doch der kuschelte sich nur noch tiefer ins Nest. Also beschloss er alleine auf Erkundung zu gehen. So zwängte er sich aus der Kinderstube und versuchte niemanden zu wecken. Als Sturmjunges auf die Lichtung trat, wehte ihm eine kühle Morgenbrise entgegen. Er hörte leises Schnarchen aus dem Kriegerbau und das frühe Vogelgezwitscher.

Plötzlich raschelte es im Schülerbau und Blütenpfote trat heraus. Sie ging an Sturmjunges vorbei und verschwand im Schmutzplatztunnel. Blütenpfote war noch so verschlafen gewesen, dass sie ihn gar nicht bemerkt hatte.

Sturmjunges schaute sich im Lager um. Langsam wurden ein paar Katzen wach und traten aus ihren Bauen. Darunter waren Langstreif, Flinkschweif und Sturmwind, die von Wolkenschauer für die Morgenpatrouille eingeteilt wurden. Sie sollten an der ErdClan-Grenze patrouillieren.

Sturmjunges wäre so gerne mit ihnen gegangen, doch er war noch zu klein. Jungen mussten mindestens 6 Monde alt sein, bevor sie aus dem Lager durften. Er war erst weniger als ein Mond alt.

Sturmjunges trabte am Rand der Lichtung umher, bis er vor dem Ältestenbau, einem alten, hohlen Baum stehen blieb. Er schaute hinein und fragte sich, ob Mauseschweif schon wach war. Die Älteste kannte die allerbesten Geschichten und war fast immer freundlich zu den Jungen. Außer wenn man sie beim Schlafen störte, dann konnte sie ziemlich unfreundlich werden.

Sturmjunges sah, dass sie noch tief und fest neben Zahnlos, dem zweiten Ältesten, schlief. Da er die beiden Katzen nicht aufwecken wollte, ging er weiter.

Als er sich umdrehte, sah er seinen Vater Wolkenschauer, der beim Frischbeutehaufen saß und gerade eine Amsel verspeiste. Sturmjunges ging zu seinem Vater und schmiegte sich an seine Flanke. Wolkenschauer miaute: „Du bist ja ziemlich früh auf. Kannst du denn nicht mehr schlafen?" Sturmjunges schüttelte den Kopf. „Weiß denn Kirschblüte, dass du schon auf bist?" „Nein", miaute Sturmjunges, „ich wollte sie nicht aufwecken." „Dann geh aber schnell zurück in die Kinderstube, sonst wird sie sich noch Sorgen machen", miaute sein Vater. „Ist gut", maunzte Sturmjunges und rannte zurück zur Kinderstube, wo auch schon seine Mutter und sein Bruder erschienen.

„Sturmjunges, wo warst du denn? Als ich aufwachte, warst du nicht mehr da", miaute Kirschblüte besorgt und ein wenig verärgert fügte sie hinzu: „Ich habe dir doch gesagt, dass du mich, Sonnenfell oder Glockenblume fragen sollst, bevor du nach draußen gehst!" „Tut mir leid. Ich wollte euch nicht aufwecken", miaute Sturmjunges kleinlaut.

Sonnenfell stand kurz vor der Geburt ihrer Jungen und Glockenblume war erst seit kurzer Zeit in der Kinderstube. Sie würde ihre Jungen in einem oder zwei Monden bekommen.

Kirschblüte war anscheinend nicht mehr böse auf ihn und wusch ihn und seinen Bruder von Kopf bis Schwanz. Sturmjunges wand sich unter der Zunge seiner Mutter, die ihn an den Ohren leckte.

Er war kein kleines, maunzendes Junges mehr. Er und Regenjunges waren doch schon groß! Zumindest waren sie für ihr Alter schon groß, dass hatten jedenfalls Kirschblüte und Wolkenschauer behauptet.

„Dürfen ich und Regenjunges zu Mauseschweif gehen?", bat Sturmjunges ganz höflich und fügte noch hinzu: „Wir sind auch ganz brav, versprochen!" „Na gut", gab Kirschblüte nach. „Aber wenn sie noch schläft, weckt sie ja nicht auf", mahnte sie. „Ist gut", maunzten Sturmjunges und Regenjunges wie aus einem Mund und rannten sofort über die Lichtung zum Ältestenbau.

Als sie dort ankamen, steckte bereits Zahnlos den Kopf heraus und man konnte hinter ihm die hellbraunen Ohrenspitzen von Mauseschweif sehen. Als beide herausgetreten waren, miaute Sturmjunges Mauseschweif zu: „Bitte erzähle uns doch noch einmal die Geschichte von dem Unwetter, in dem wir geboren wurden!" „Aber die habt ihr sicher schon zum hunderttausendsten mal gehört", wiedersprach Mauseschweif. „Wir wollen sie aber immer hören!", versuchte es Sturmjunges noch einmal. „Na gut, aber ich will wenigstens in Ruhe eine Maus essen." „Ich hol dir eine!", rief Regenjunges und rannte sogleich zum Frichbeutehaufen und kam mit einer extra fetten Wühlmaus zurück. „Und was ist mit mir? Bekomm ich denn keine?", fragte Zahnlos etwas belustigt. „Die ist so schön fett. Wir könnten miteinander teilen", miaute Mauseschweif freundlich. „Gern", miaute Zahnlos und kauerte sich neben der Wühlmaus nieder, um zu fressen.

Sturmjunges beobachtete, wie die beiden sich die Wühlmaus teilten und wartete ungeduldig, bis sie endlich fertig gegessen hatten. Er wollte die Geschichte seiner Geburt ganz oft hören. Sie war einfach so toll! Sturmjunges wusste, dass er einmal ein großartiger Krieger werden würde und es vielleicht einmal bis zum Anführer schaffen könnte. Als Mauseschweif fertig gegessen hatte, fragte sie die beiden Jungen: „Wollen wir es uns nicht im Bau gemütlich machen? Es ist genug Platz für uns alle." Ohne eine Antwort abzuwarten ging sie in den Bau, gefolgt von Sturmjunges und Regenjunges.

Als sich alle aus den Moos- und Farnpolstern ein gemütliches Nest gebaut hatten, fing Mauseschweif an, zu erzählen: „In der Nacht, in der ihr geboren wurdet, brach ein schreckliches Gewitter aus. Man hörte Donner grollen und Blitze zuckten über den nachtschwarzen Himmel. Einer dieser Blitze schlug in einen Baum ein und entfachte ein Feuer, das unentwegt auf das Lager zu wütete. Ihr seht noch immer die verkohlten Stellen an den Bauen und an diesem alten Baum." Als sie das sagte, zeigte sie mit ihrer Schwanzspitze auf die Innenwand des hohlen Baumes, in dem die Ältesten schliefen. „Er ist auf wundersame Weise nicht verbrannt, nicht einmal stark verkohlt. Aber jetzt wieder zur eigentlichen Geschichte. Morgenstern führte uns aus dem Lager, doch eure Mutter stand kurz vor eurer Geburt und war schon sehr schwach. Ein Wunder, dass sie es bis zum Felsenhügel geschafft hat. Euer Vater hat sie aber auch tatkräftig unterstützt, aber wenn Sonnenfell nicht die Höhle entdeckt hätte, wäre es vielleicht anders ausgegangen. In dieser Höhle, am Fuß des Felsenhügels seid ihr zur Welt gekommen." „Und wie seid ihr dem Feuer entkommen?", fragte Sturmjunges neugierig, obwohl er die Antwort bereits kannte. „Wir sind in der Zwischenzeit bis zum Fluss gegangen, aber als wir ihn gerade überqueren wollten, bemerkten wir, dass der Regen, der auf unserem Marsch eingesetzt hatte, das Feuer schon fast ganz gelöscht hatte. Es bestand keine Gefahr mehr und wir konnten zurück. Auf dem Weg ins Lager, fingen wir Weißdorn, deinen Vater und deine Mutter mit euch beiden im Maul ab. Alle freuten sich über zwei so gesunde Junge, wie euch beiden. Aber als wir im Lager ankamen, war alles verwüstet. Es war einfach schrecklich! Auf der Lichtung waren überall verkohlte Blätter und Äste, die von den Bäumen gefallen waren. Ein Teil der Baue war verbrannt und musste repariert werden. Morgenstern schickte sofort Katzen aus, die die Baue vorrübergehend reparieren sollten. Jetzt ist das Feuer schon einen halben Mond her und man sieht immer noch Teile der Verwüstung im Lager und besonders im Wald", endete Mauseschweif ihre Erzählung. „Wow! Das ist die beste Geschichte, die es auf der ganzen Welt gibt!", maunzten Sturmjunges und Regenjunges gleichzeitig. „Nein, meine Lieben. Es gibt noch viele andere tolle Geschichten, die ich euch erzählen kann", erklärte ihnen Mauseschweif. „Erzähle uns doch bitte noch eine Geschichte!", bettelte Sturmjunges. „Vielleicht später, jetzt solltet ihr aber ein Mittagsschläfchen machen. Ich schlafe auch ein bisschen", erklärte ihnen die Älteste. „Ich bin aber noch gar nicht müde!", protestierte Sturmjunges, doch als er über seine Schulter blickte, sah er Regenjunges gähnen. Und auf einmal wurde er auch müde und schlüpfte hinter Regenjunges aus dem Bau.

Vor der Kinderstube wurden sie schon von Kirschblüte erwartet. Diese begrüßte ihre Jungen und führte sie mit dem Schwanz zurück in die Kinderstube. Sturmjunges und Regenjunges kuschelten sich eng an ihre Flanke, während Kirschblüte sie gründlich putzte. Das gleichmäßige Lecken seiner Mutter machte Sturmjunges sehr müde, aber er hatte doch noch so viele Fragen. Wie viele Geschichten kannte Mauseschweif? Wieso hatte sie einen so kurzen Schwanz? Wieso hatte Zahnlos fast keine Zähne mehr? War er wirklich schon so alt, wie die anderen Katzen behaupteten?

Doch bevor er auch nur eine stellen konnte, war er schon eingeschlafen.

Warrior Cats - Regen und SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt