2 - Killerblicke hab' ich drauf

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𝕊𝕠𝕞𝕖𝕥𝕚𝕞𝕖𝕤 𝕪𝕠𝕦 𝕘𝕠𝕥𝕥𝕒 𝕗𝕒𝕝𝕝 𝕓𝕖𝕗𝕠𝕣𝕖 𝕪𝕠𝕦 𝕗𝕝𝕪

Alissas Sicht:
Ich riss ein Seil hinter meinem Rücken hervor, warf Newt, der damit nicht gerechnet hatte, einfach um, und fesselte ihn behelfsmäßig mit dem Seil. Es würde im Zweifelsfall sicher nicht halten, aber darum ging es jetzt ja auch gar nicht.

Ich sah ihn mit eiskalter Miene an und zischte: „Wer seid ihr, wo sind wir, wieso kann ich mich an nichts erinnern? Und, das Wichtigste, wer bin ich?"

Newt sah mich vollkommen fassungslos an, er konnte scheinbar nicht glauben, was hier gerade abging. Ich auch nicht. Dann waren wir ja schon zwei.

Immer noch mit eisigem Blick schubste ich den gefesselten Newt näher an die Kante heran. Newts nervöser Blick huschte in den Abgrund. Ganz klar, ein Sturz würde kein gutes Ende nehmen.

Er räusperte sich: „Ähm, weißt du, ich beantworte deine Fragen ja gerne später und so, aber wir sind hier schon ganz schön nahe am Abgrund, das ist gefährlich!"

Ich antwortete immer noch mit dem kalten Gesichtsausdruck: „Ich weiß. Sonst wäre das Ganze ja sinnlos!"

Newt riss erschrocken die Augen auf, aber ich zuckte mit keiner Wimper. Innerlich zitterte ich vor Angst und hoffte nur, dass keiner runterfiel, das lag so gar nicht in meinem Interesse. Ich wollte doch einfach nur, dass mir jemand ehrliche Antworten gab.

Und wann stünden meine Chancen auf die Wahrheit größer, als wenn jemand zwischen Wahrheit und Tod entscheiden konnte? Nicht, dass ich wirklich jemanden umbringen würde. Nie im Leben! Aber das wusste dieser Newt ja nicht...

Unten rühren sich die Jungs schön langsam.

„Hey, Newt, was ist denn da oben los? Und was machst du so nahe an der Kante? Kommt doch erst mal runter, dann... Hey, Moment mal! Bist du etwa gefesselt?! Keine Sorge, Newt, wir kommen!", rief ein asiatischer Junge herauf.

Oh Mann! Das hatte mir gerade noch gefehlt! Panisch dachte ich nach, aber meine Gedanken drehten sich im Kreis: Was mache ich nur?! Was mache ich nur?! Was mache ich nur?!!! Dann kam mir eine Idee. Sie war bescheuert, aber vermutlich wäre sie wirkungsvoll.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und rief zu den Jungs nach unten: „Wenn ihr auch nur einen Schritt näher kommt, dann schubse ich ihn runter, kapiert?"

Sofort blieben sie stehen. Newt schaute mich alarmiert an. Scheinbar kauften sie mir diese Drohung ab. Gut. Das Dumme war nur, dass ich mir selbst nicht glaubte. Ich würde niemals irgendwen irgendwo runter schubsen, außer vielleicht, er hätte es wirklich verdient. Und ob dieser Newt es verdient hatte, wusste ich noch nicht.

Ich wandte mich wieder Newt zu, dessen Blick immer wieder unruhig in Richtung Abgrund huschte.

„Also, ich warte auf Antworten! Dann passiert niemandem etwas!"

Das schien ihn etwas zu beruhigen. Er öffnete den Mund, um zu einer Antwort anzusetzen, als er heftig niesen musste. Dadurch verlor er das Gleichgewicht, versuchte noch vergeblich, die Balance wieder zu finden, stieß einen Schrei aus und fiel. Die Jungs unten schrien ebenfalls.

Und ich, ich konnte mich nicht rühren. Das hatte ich nicht gewollt. In diesem Moment dachte ich nicht daran, was die anderen Jungs wohl mit mir machen würden, weil Newt wegen mir gestorben war. Ich dachte nur daran, dass er noch viel zu jung gewesen war, höchstens 16, und dass sein Tod keinen Sinn gehabt hatte. 

The girl in the mazeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt