Ganz normaler Tag?

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Es war ein Morgen wie jeder andere.
Okay, vielleicht doch nicht ganz.
An diesem Tag hat das neue Schuljahr angefangen, und als meine Geschichte begann war ich auf dem Weg zur Schule und blickte in die aufgehende Sonne.
Es war wunderschön.
Die Farben verschmolzen miteinander auf dem blutrot gefärbtem Himmel, der von orangenen Wolken geziert wurde.
Wie aus einem Märchen, und im vollkommenem Kontrast zu den Gedanken, die in meinem Kopf ihr Unwesen trieben.
Und ein Unwesen war es wirklich.
Ihr müsst wissen, ich war- oder bin- nämlich nicht immer ganz richtig da oben.
Nicht verrückt, nur ein bisschen...durchgeknallt.
Ich hatte ein Problem mit, na ja, Angst.
Die hatte ich nämlich die ganze Zeit, in den absurdesten Situationen und überhaupt nicht unter Kontrolle.
So kam es also, dass ich mich nicht wie jeder andere normale Mensch es getan hätte an dem Sonnenaufgang erfreute, sondern mit meinen Gedanken kämpfte.
Wovor ich Angst hatte?
Manchmal ist es schwer in Worte zu fassen, aber eigentlich war es ganz einfach.
Ich hatte Angst, die Erwartungshaltungen nicht zu erfüllen.
Denn wenn ich Erwartungen nicht erfüllte, konnte es sein, dass Menschen mich nicht mochten.
Und aus nicht mögen kann so leicht Mobbing entstehen...
Und das wollte ich nicht.
Nicht schon wieder.
Warst du einmal Opfer, ist es schwer das wieder zu vergessen.
Vor allem, da man dann selber eine gewisse Erwartung an andere hat.
Und das war mein Problem.
Ich erwartete von jedem und allen, dass sie mich verletzten, wenn ich nicht gut genug war.
Und daher die Angst, unperfekt zu sein.
Und damit kamen die Zweifel.
Zweifel ob mein Aussehen gut genug war, oder sogar mein Charakter.
Früher ist es so schlimm gewesen, dass ich nicht mehr aus dem Haus gegangen bin.
Vielleicht ist dieser Morgen, nein, dieses Schuljahr deshalb so besonders.
Eine neue Chance, gut genug zu sein.
Normal, perfekt zu sein.
Das Schlimmste hatte ich hinter mir, dass wusste ich.
Und trotzdem, meine Gedanken wurden in diesem Moment so schlimm, dass ich fast wieder umgekehrt war.
Aber nur fast.
So war ich also bald vor dem riesigen Schulgebäude angekommen.
Es wirkte fehl am Platz wie es da so stand, grau und trist vor dem bunten Sonnenaufgang.
Mit langsamen, vorsichtigen Schritten ging ich auf den Haupteingang zu, nur um abrupt davor stehen zu bleiben.
Nervös betrachtete ich das Gebäude, von dem ich so lange Angst gehabt hatte es zu betreten, und fummelte an dem Verband um meinem linken Handgelenk herum.
Ich holte tief Luft...
Und betrat das Gebäude.
Es war anders als gedacht.
Hunderte Menschen drängten sich in dem großen Schulflur, der sich jetzt irgendwie beengend anfühlte.
Es waren so viele in diesem Flur, dass ich zu meiner Freude gar nicht bemerkt wurde.
Das änderte sich jedoch schlagartig als ich die Abzweigung für meinen Jahrgang nahm.
Hier begann das Tuscheln über das Mädchen, dass einfach verschwunden war.
Über mich.
Angstvoll machte ich mich so klein wie möglich und liess mein langes blondes Haar vor mein Gesicht fallen.
Ich wünschte man könnte Löcher in den Boden starren, den dann hätte ich mir eins zum Reinfallen gestarrt.
Nur leider war ich so mit dem Boden beschäftigt, dass ich mitten in die einzige Person hereinlief, die mit etwas anderem als mir beschäftigt war.
Nun ja, bis zu diesem absolut klischeehaftem Moment.
Ich hätte ja einfach meine Bücher aufgehoben und wäre weitergegangen, aber ich musste einfach innehalten und bemerken dass diese Situation doch nicht ganz so klischeehaft war wie erwartet.
Denn die Person, in die ich hereingelaufen war, war zwar ein Junge, aber einer von der Freaksorte.
Ich meine, im Freak sein bin ich zwar ganz groß, aber mir sieht man das nicht an.
Ihm schon.
Eindeutig.
Nur leider interpretierte er mein Innehalten völlig falsch und schenkte mir ein lüsternes Zahnspangenlächeln.
Natürlich wollte ich sofort aus dieser abartigen Situation rauskommen, und so würdigte ich ihn einfach keines Blickes mehr und ging in Richtung Klassenraum.
Im Vorbeigehen fiel mir noch ein schwarzhaariger Junge in zerschlissenen Jeans auf, der mir unter langen Wimpern hervor nachblickte.
Bei seinem Anblick...Spürte ich etwas.
Etwas wie, Erstaunen, Erwartung und...Neugier?
Doch es waren nicht meine Empfindungen, die ich da spürte.
Ich war grade einfach nur verwirrt.
Ich war grade mal fünf Minuten hier, und schon zog ich wie ein Magnet nicht nur Blicke sondern auch merkwürdige Situationen auf mich.
Kopfschüttelnd betrat ich den Klassenraum und seufzte unwillkürlich auf.
Es war so ruhig hier.
Nur ein paar vereinzelte Frühaufsteher, die vermutlich schon ziemlich lange hier waren, tippten wie wild auf ihren Smart Phones herum.
Ich suchte mir vorsorglich einen Platz in der letzten Reihe aus, so müsste man sich schon umdrehen um mich anzustarren.
Nur leider stellte sich heraus dass meine Mitschüler auch dessen nicht zu müde waren.
Nach und nach füllte sich der Raum und es wurde lauter, weil alle durcheinander redeten.
Das wäre mir auch relativ egal gewesen, wäre nicht ich das Hauptgesprächsthema gewesen.
Alle stellten irgendwelche verrückten Theorien auf wieso ich weg gewesen war oder blickten mich misstrauisch an.
Dabei schienen sie total zu vergessen, dass ich anwesend war und sie auch hören konnte.
Verdammt, warum hatte ich das gemacht?
Zum Glück betrat jetzt aber der Lehrer den Raum und mit dem Unterricht hörte das Getuschel über mich auf.
Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht bemerkte, dass der Freak von heute morgen auf mich zulief, bis er schon fast bei mir angekommen war.
Tausende Gedanken schossen mir durch den Kopf, doch in diesem Moment wollte ich einfach nur nicht dass er sich neben mich setzte.
Das schien er jedoch anders zu sehen, denn er wollte sich grade setzen und ich wollte schon entsetzt die Augen schliessen und es über mich ergehen lassen als sich die Tür öffnete.
Es war der Junge von heute morgen.
"Deameon, wie wunderbar dass du uns mir deiner Anwesenheit beehrst."
Sagte der Lehrer sarkastisch und liess seine Hand in Richtung Klassenzimmer schweifen.
"Setz dich, Deameon."
Es war wie als würde Deameon die Lage im Raum mit einem Blick durchschauen.
Seine Aufmerksamkeit blieb an mir und dem Freak hängen, der immer noch neugierig das Geschehen beobachtete.
Deameon blinzelte und ich hoffte einfach nur dass ich nicht neben dem Freak sitzen musste, als er sich plötzlich neben mich setzte und einen völlig verdatterten Freak stehen liess, der nun keine andere Wahl hatte als sich einen anderen Platz zu suchen.
"Deameon", sagte er mit einer sanften, tiefen Stimme.
"Hat ausgesehen als hättest du Hilfe gebraucht."
Schon wieder dieses komisch Gefühl.
Noch stärker diesmal sogar.
"Ich bin Liviana.Und ja, die brauchte ich wohl."
Zwecks des Gesprächs musste ich ihm in die Augen schauen und durfte bemerken dass er unverschämt süß aussah.
Wir redeten nicht viel mehr doch aus irgendeinem Grund befand Deameon sich den ganzen Tag in meiner Nähe.
Habe ich eigentlich erwähnt dass er nicht nur unglaublich gutaussehend, sondern auch unglaublich beliebt war?
So hatte ich also den ganzen Tag seine gesamte Clique in meiner Sichtweite.
Sogar in der Cafeteria saßen sie so, dass höchstens zwei Plätze Abstand übrig blieben, und als der Freak drohte sich wieder neben mich zu setzen, rückte Daemeon sogar direkt neben mich, gefolgt von all seinen Freunden.
Und ich hatte wirklich erwartet, alleine zu sitzen.
Nicht dass jemand mit mir redete, es tat nur gut nicht alleine zu sein.
In jedem Fach dass Deameon und ich gemeinsam hatten, saß er neben mir.
Es war unübersehbar dass er mir folgte, aber ich hatte keine Ahnung weshalb.
Auch am Ende des Schultages war ich nicht schlauer.
Mit Deameon hatte ich kein weiteres Wort gewechselt, nur mit einem Mädchen, es hiess Claire, hatte ich versucht ein wenig Small talk zu halten.
Weniger erfolgreich.
So hatte ich den Tag stumm über mich ergehen lassen und stand jetzt wieder dort wo ich heute morgen auch gestanden hatte.
Vor dem Haupteingang.
Ich wollte mich grade auf den Weg nach Hause machen, da lief Deameon an mir vorbei.
"Bis morgen", sagte er leise, und eine leichte Berührung an meinem Arm signalisierte mir, dass er auch sicher mich gemeint hatte.
Verwirrt und mit tobenden Gedanken ging ich los.
Zuhause angekommen warf ich Rucksack und Schuhe in die Ecke und wollte gerade hoch gehen, als Mom mit besorgtem Blick am Treppenende erschien und mich fragte, wie mein Tag gewesen sei.
Wir wussten beide wie viel hinter dieser Frage steckte.
Zögernd blieb ich auf der Treppe stehen.
Ja, wie war mein Tag denn gewesen?
Verfolgt vom beliebtesten Jungen der Schule und belästert von dem ganzen Rest?
"Ach",sagte ich,"Ganz normal..."

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