VIER

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Wieder in meinem neuen Zuhause angekommen, hörte ich schon den Fernseher im Wohnzimmer laufen. Sam musste also wieder da sein. Ich lief mit dem Kuchen zunächst in die Küche, legte ihn auf zwei Teller und ging dann mit je einer Gabel zu meinem Großvater.

"Ich war in der Stadt, und habe uns Kuchen mitgebracht. Die nette Frau aus der Bäckerei meinte, dass das Rezept von Granny ist." Ich reichte ihm einen Teller und setzte mich dann neben ihn auf das Sofa. Im Fernsehen lief ein Rugbyspiel, auf welches ich nicht weiter achtete. Ich kannte mich überhaupt nicht mit dieser Sportart aus, obwohl unsere Schule eine Rugbymannschaft hatte.

"Danke, Ivy. Ich habe schon lange keinen Apfelkuchen mehr gegessen. Grace schnattert immer so viel, wenn man in ihre Bäckerei kommt." erklärte sich Sam und nahm gleich eine vollbeladene Gabel des Kuchens in den Mund. Zufrieden verzog sich sein Mund zu einem Lächeln.

Mir war schon aufgefallen, dass die ältere Dame anscheinend gerne sehr viel quatschte. Aber mich hatte es nicht gestört. Ganz im Gegenteil, ich hörte anderen Menschen gerne zu und freute mich, wenn ich sie damit glücklich machen konnte. Gerade bei älteren Menschen war es wichtig einfach für sie da zu sein und ein offenes Ohr für sie zu haben. Wie gerne hätte ich ein Freiwilliges Jahr in einem Altenheim absolviert. Meine Mutter war allerdings anderer Meinung. Bei dem Gedanken hätte ich am liebsten die Augen verdreht, beließ es aber bei einem einfachen Seufzen.

"Hast du für heute noch etwas geplant?" durchbrach Sam die Stille zwischen uns und wandte seinen Blick fragend vom Fernseher ab.

"Nein, eigentlich nicht. Vielleicht könnte ich dir ja bei etwas helfen?" Hoffnung keimte in mir auf. Mein Plan war es nicht gewesen hierher zu kommen, um dann auf der faulen Haut zu liegen. Ich wollte helfen, wo ich konnte.

"Du könntest mir helfen, für die Tiere im Wald noch ein wenig Extrafutter zu verteilen. Im Herbst und Winter finden sie nicht mehr so viel Essbares. Jackson und ich verteilen immer an einigen bekannten Stellen ein wenig Heu und andere Kleinigkeiten."

"Alles klar, ich bin dabei." Ich liebte Tiere und liebte es zu Helfen. Und was sollte schon schief gehen? Außerdem freute ich mich noch andere Menschen kennenzulernen. Sam hatte mir gestern schon von Jackson, seinem Arbeitskollegen, erzählt. Er hatte Forstwirtschaft studiert und am Anfang war Sam gar nicht von ihm begeistert. Aber mittlerweile schienen sie ein gutes Team geworden zu sein.

"In einer halben Stunde fahren wir los, zieh dich warm an." waren seine letzten Worte an mich, bevor er sich wieder dem Spiel im Fernsehen widmete.

+++

Ich hatte mir eine dünne Leggings unter meine dunkelblaue Jeans gezogen und trug dazu einen dicken Fleacepullover mit meinem Wintermantel. Ich wusste nicht wie lange wir unterwegs sein würden und abends fielen die Temperaturen immer rasch ab. Mit dicken Socken schlüpfte ich anschließend in Knöchelhohe Wanderschuhe, die ich extra vor meiner Anreise gekauft hatte.

Sam hatte seinen alten Truck mit diversen gefüllten Eimern beladen, deren Inhalt ich nicht ganz erkennen konnte. Ich wollte grade nachfragen, ob ich ihm beim Beladen helfen konnte, als ein weiterer Jeep in unsere Einfahrt fuhr und vor uns anhielt. Das musste dann wohl Jackson sein. Ein Mann Mitte zwanzig stieg aus dem Wagen und lief auf Sam zu. Er trug genau wie mein Großvater eine Arbeitshose und einen dicken Pullover. Seine blonden Haare fielen ihm in Strähnen ins Gesicht, während auf seinen vollen Lippen ein breites Grinsen lag.

"Hätte nicht gedacht, dass deine Enkelin uns begleiten wird, Sam. Da hätte ich mir doch glatt etwas besseres angezogen bei einer so schönen Frau." begrüßte uns Jackson und schenkte mir ein verschmitztes Grinsen. 

"Jackson mein Junge." begrüßte nun auch Sam ihn. "Fang lieber an zu Arbeiten, als mit meiner Enkelin zu flirten." Er warf ihm einen bösen Blick zu, bevor er sich wieder an die Arbeit machte.

Mein erster Eindruck von Jackson war zwiegespalten. Einerseits machte er den Eindruck auf mich, dass er zu sehr von sich selbst überzeugt war und wahrscheinlich die Mädchen wie seine Unterwäsche wechselte. Andererseits half er Sam und das fand ich sehr nett von ihm. Ich beschloss ihn weiterhin neutral zu beachten, denn ich wollte ihn nicht zu schnell verurteilen. Vielleicht war er ja doch ganz nett und wir könnten Freunde werden?

"Ivy! Komm steig ein, wir fahren los." erklang die Stimme meines Großvaters laut.

Ruckartig drehte ich mich zu seinem Auto und stieg mit leicht geröteten Wangen ein. Wieso musste ich auch immer so tief in meinen Gedanken versinken, dass ich die Menschen und meine Umwelt um mich herum ausblendete?
Wir fuhren nur circa zehn Minuten, bis wir vollständig von Bäumen umgeben waren. Der bis vor kurzem noch fast vollständig befestigte Waldweg, hatte sich in zwei parallel verlaufende Trampelpfade gewandelt. Anscheinend fuhren sie hier öfter mit ihren Jeeps lang. Sam hielt das Auto an und stieg aus, ich tat es ihm gleich und folgte ihm zum Kofferraum.

"Hier, wir müssen die Eimer ausladen und sie zu Fuß verteilen." Sam reichte mir einen Eimer, der bis zum Rand mit Heu gefüllt war. "Du kannst das Heu verteilen, die Eimer sind nicht so schwer. Am besten gehst du einige Meter in den Wald rein und häufst immer zwei bis drei Eimer zu einem Haufen auf. Aber bitte verlauf dich nicht, die Sonne geht bald unter."

Jackson trat zu uns und musterte mich kritisch. "Wenn du willst kann ich dich auch begleiten. Dann brauchst du keine Angst haben dich zu verlaufen."

Bevor ich auch nur zu einer Antwort ansetzen konnte, schnitt mir Sam schon das Wort ab. "Vergiss es Jackson. Du kannst die anderen Eimer verteilen und die Hochstände prüfen."

Mit diesen Worten griffen auch Sam und Jackson nach je zwei Eimern und stiefelten in den Wald. Nach nur wenigen Momenten waren sie schon so weit von den dichten Bäumen umgeben, dass ich sie nicht mehr sehen konnte. Seufzend warf ich einen Blick auf die zwei Eimer mit Heu in meinen Händen. Dann wollen wir die mal verteilen.

Genau wie Sam und Jackson konnte ich schon nach wenigen Metern die Autos nicht mehr sehen. Ich drehte mich einige Male um meine Achse, aber konnte nichts weiter als Bäume erkennen. Mein Herz begann schneller zu schlagen und auch meine Atmung ging hektischer. Meinte Sam nicht ich sollte mich nicht verlaufen? Schon jetzt hatte ich keine Ahnung mehr aus welcher Richtung ich kam. Ich versuchte tief durchzuatmen und lief weiter. An einer mir passenden Stelle machte ich halt und kippte die Eimer aus. Ich häufte das Heu noch etwas auf und blickte mich dann um. Die Sonne stand um einiges tiefer als noch vor wenigen Minuten. Die bunten Blätter der Bäume leuchteten in noch kräftigeren Farben als ohnehin schon. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne endgültig verschwand.

Ich griff wieder nach den beiden Eimern und lief in die Richtung in der ich die Autos vermutete. Doch als ich nach einigen Minuten immer noch nur von Bäumen umgeben war, schnaufte ich frustriert auf. Langsam bekam ich Angst. Meine Kehle zog sich zusammen und das Atmen fiel mir immer schwerer. Was machte ich, wenn ich mich schon wieder verlaufen hatte? Beim letzten Mal hatte ich Elian getroffen und durch ein Wunder war ich wieder bei der kleinen Holzhütte angekommen.

Meine Gedanken wurden durch ein leises "Hey" unterbrochen.

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Was haltet ihr von Jackson? Und wen trifft Ivy wohl am Ende?
Habt ein schönes Wochenende <3

Fall in LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt