Es war mittlerweile fast sechs Wochen her, als meine Mutter mir mitteilte, dass wir umziehen werden. Genauer gesagt, werde ich umziehen und Mom wird in ihrem neuen Job durch die Welt reisen und einen Auftrag nach dem anderen bearbeiten. Als sie mir mitteilte, dass sie ein neues Jobangebot aus New York erhalten hatte, hatte ich mich wirklich für sie gefreut. Endlich müsste sie ihre Chefin, die mehr dem Teufel in Channel glich, nicht mehr jeden Tag ertragen. Und auch die unzähligen Überstunden würden wegfallen. Allerdings hatte ich nie damit gerechnet, dass ihr neuer Job und ihr Umzug auch meinen Umzug bedeuten würde. Aber jetzt, sechs Wochen später, stand ich in meinem leeren Zimmer und ließ mit dem letzten Karton in meinen Armen, meinen Blick noch ein letztes Mal durch mein altes Kinderzimmer gleiten. Alte Erinnerungen tauchten auf und gleichzeitig der Gedanke, dass keine neuen hinzukommen werden.
Seufzend wandte ich den Blick ab und verließ das Haus, welches nicht weit vom Strand entfernt lag. Ich werde das hier alles vermissen. Die Sonne, die Wärme und das Meer. Ich werde ganz Jacksonville vermissen, auch wenn ich mich hier nie komplett gefühlt hatte. Immer war da ein Gefühl der Leere in mir, als würde etwas Entscheidendes fehlen, obwohl ich hier alles hatte. Ich war gut in der Schule, hatte meinen Abschluss vor drei Monaten mit Sehr Gut bestanden. Das einzige was mir in meiner Schulzeit gefehlt hat, waren richtige Freunde. Ich hatte nie eine beste Freundin. Klar, ich saß nicht den ganzen Tag alleine in einer unbeobachteten Ecke des Schulhauses. Ich hatte durchaus Bekanntschaften, aber richtige Freundschaften wurden daraus nie.
Mit dem Taxi fuhren Mom und ich zum Flughafen. Die Fahrt verlief schweigend und dauerte nicht allzu lang. Während meine Mutter schon wieder damit beschäftigt war Geschäftszahlen zu analysieren, lauschte ich den sanften Tönen, die aus meinen Kopfhörern in meine Ohren flossen. Am Flughafen von Jacksonville trennten sich unsere Wege, Mom flog nach New York und ich machte mich auf die Suche nach meinem Flug nach Seattle. Nach sieben ein halb Stunden in der Luft, ging es noch einmal einige Autostunden zu meinem eigentlichen Ziel. Ein kleines Dorf mitten im Nirgendwo. Wobei das so nicht ganz stimmte. In Silver gab es Bäume, meinem Opa zufolge sehr viele. Der Golden Forrest war für die unzähligen goldenen Farben bekannt, in denen er im Herbst erstrahlte.
Am Flughafen in Seattle sollte mein Großvater mich abholen. Ich hatte bis zu dem Augenblick, in dem ich ihn am Flughafen stehen sah nicht gewusst, was ich davon halten sollte. Meine Mutter hatte ohne mich zu fragen beschlossen mich allein zu meinem Großvater nach Silver Falls zu schicken. Ich sollte dort etwas fürs Leben lernen. Mom fand es anscheinend besser mich in die Einöde zu schicken und ein Jahr lang meinem Großvater bei seiner Arbeit als Forster zu helfen, als zuzusehen wie ich mich einige Zeit Ehrenamtlich betätige. Ich hatte für mich beschlossen die Zeit bei meinem Großvater auch als ehrenamtliche Hilfe zu betrachten. Aber dennoch war es für mich nicht das gleiche, meine Mutter hatte einfach für mich entschieden wie es in meinem Leben weitergehen sollte, ohne meine Meinung dazu einzuholen, während sie ihrem neuen Leben nachjagt.
Als ich jedoch den älteren Mann in einer verwaschenen blauen Arbeitshose und dem karierten Hemd sah, wie er ein Schild hochhielt, auf dem in großen schwarzen Lettern "Ivy Campbell" stand, erinnerte ich mich schlagartig daran wie gern ich als Kind hier war. Meine Oma hatte immer Apfelkuchen gebacken, wenn meine Mutter und ich die beiden besuchen kamen, aber das passierte nicht oft. Höchstens einmal im Jahr, wenn überhaupt. Vor einigen Jahren war meine Oma verstorben und seitdem waren wir nicht mehr in Silver Falls gewesen. Das musste jetzt schon fast über zehn Jahre her sein. Ich konnte nie verstehen, warum die ohnehin schon seltenen Besuche bei unseren Verwandten gänzlich aufgehört hatten.
Zielstrebig lief ich mit meinem großen Koffer in der Hand auf meinen Opa zu. Mit jedem Schritt, den ich näher kam, wurde ich nervöser. Das letzte Mal als ich ihn gesehen habe, waren seine Haare noch nicht so weiß und dünn, wie es heute der Fall war. Und auch seine Haltung war noch etwas aufrechter. Als ich nah genug war, dass er mich problemlos verstehen konnte, begrüßte ich ihn.
"Hallo. Ich freue mich dich wiederzusehen, Grandpa." meine Worte klangen hölzern und albern in meinen Ohren. Aber wie begrüßte man ein Familienmitglied, was man so lange Zeit nicht gesehen hatte?
"Ich freue mich auch dich wiederzusehen, Kleines. Komm ich nehm dir den Koffer ab." seine Stimme war tief und sanft. Seine Finger legten sich über meine Hand und er zog den Koffer an sich. "Der Wagen steht draußen, wir müssen noch ein ganzes Stück fahren."
"Ich weiß. Mom hat mir alle Zeiten aufgeschrieben."
Mit einem beklemmenden Gefühl richtete ich noch einmal den Rucksack auf meinen Schultern und folgte ihm anschließend auf den Parkplatz. Es war völlig normal, dass die Situation zwischen uns merkwürdig war, oder? Schließlich war ich bei meinem letzten Besuch neun Jahre alt gewesen. Ich war ein aufgewecktes Kind und mein Opa mein Held. Aber in zehn Jahren kann sich viel verändern. Wir waren uns fremd geworden, so einfach war das. Wir mussten uns erst neu kennenlernen.
Die Autofahrt verbachten wir schweigend, vermutlich hingen wir beide unseren Gedanken nach und fragten uns, wie wir die nächsten Wochen am Besten harmonieren könnten. Jedenfalls waren das meine Gedanken. Ich hoffte einfach wir würden beide noch auftauen, über unseren Schatten springen und so gut miteinander klarkommen wie vor zehn Jahren. Aber vielleicht war das auch nur mein Wunschdenken.
Wir fuhren vom Highway ab, die Landschaft veränderte sich immer mehr. Häuser wichen Bäumen, die Straßen wurden schmaler und weniger befahren. Schließlich ersetzten die Bäume gänzlich alle Zivilisation und ich wusste, wir waren bald da. Nach einiger Zeit wurden die Häuser wieder etwas mehr, aber die Bäume blieben. Und dann waren die Bäume plötzlich weg und wir waren mitten in der Kleinstadt Silver Falls angekommen. Grandpa fuhr durch die Stadt und ich sog jede kleine Veränderung der letzten zehn Jahre in mir auf. Ich nahm mir vor noch heute oder spätestens morgen Vormittag die Stadt zu erkunden. Es musste sich viel verändert haben. Vor einem kleinen Holzhaus, welches in roter Farbe lackiert war und etwas Abseits und näher am Wald lag, hielten wir an. Wir waren Zuhause angekommen.
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- - - - - - - - - - -Hallo ihr Lieben. <3
Das ist also das erste "richtige" Kapitel. Es enthält noch nicht allzu viel Handlung, aber das wird sich schnell ändern. Ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen. Lasst mir sehr sehr gerne ein Feedback in den Kommentaren da. Das hat beim Prolog leider ein bisschen gefehlt....
Ich wünsche euch noch einen schönen Abend und eine angenehme Woche, bis dann nächsten Donnerstag das nächste Kapitel kommt. 🍁❤
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Fall in Love
FantasySeit Ivy dem gutaussehenden Elian im Wald begegnet ist, gehen ihr die grünen Augen des jungen Mannes nicht mehr aus dem Kopf. Sie sollte Angst vor ihm haben, doch je öfter sie ihm begegnet, umso mehr trifft das Gegenteil ein. Sie fühlt sich sicher u...