SECHS

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Ich wurde von Sonnenstrahlen geweckt, die geradewegs in mein Gesicht strahlten. Anscheinend hatte ich gestern Abend ganz vergessen die Vorhänge zuzuziehen. Müde drehte ich mich auf die andere Seite und kuschelte mich etwas mehr in Kissen und Decke. Nach einigen Minuten  gab ich es auf. Ich konnte einfach nicht noch einmal einschlafen. Mit einem Blick auf den Wecker stellte ich fest, dass es auch schon längst Zeit war, um aufzustehen. Im Bad ging ich meiner Morgenroutine nach und ging einige Minuten später fertig angezogen die hölzerne Treppe nach unten. Ich hörte schon die tiefe Stimme meines Großvaters, wie er mit jemanden am Telefon sprach. Gerade als ich die Küche betrat, legte er das Telefon beiseite und drehte sich zu mir um.

"Schön, dass du schon wach bist, Ivy. Jackson hat eben angerufen." Nachdem er mich kurz betrachtet hatte, wandte er sich wieder seiner Kaffeetasse zu. "Willst du auch einen?"

"Nein, Danke. Ich koche mir lieber einen Tee." Ich holte eine Tasse und einen Teebeutel aus dem Schrank und setzte anschließend das Wasser auf. Während es kochte, drehte ich mich wieder Sam zu. "Was wollte denn Jackson?"

"Ach, er wollte nur wissen, ob du heute Abend mitkommst." 

"Wohin denn mitkommen?" hakte ich nach, weil Sam keine Anstalten machen weiterzusprechen.

"Wir gehen jeden Freitag in die Kneipe, so wie eigentlich jeder aus Silver." Wieder bekam ich nur eine knappe Antwort von ihm. Musste man ihm denn alles aus der Nase ziehen?

"Und er hat gefragt, ob ich auch komme?" Mein Großvater gab nur ein zustimmendes Brummen von sich, während er weiter in der Tageszeitung las. "Ich würde gerne mitkommen. Wenn ich denn darf?" Fragend sah ich ihn an. Ich war mir unsicher, ob Sam mich Abends ausgehen ließ oder nicht. Andererseits war er ja dabei und Jackson hatte schließlich auch nicht nach einem Date oder so gefragt. Das wollte ich auch gar nicht. Jackson war nett, keine Frage, aber er war ein bisschen aufdringlich. Ganz im Gegensatz zu Elian. Er war alles andere als aufdringlich. Ich hatte das Gefühl, dass er immer darauf achtete nicht zu viel Zeit mit mir zu verbringen. Was ich zugegebener Maßen etwas merkwürdig fand.

"Klar kannst du mitkommen. Ich denke du bist alt genug, um deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Und außerdem vertraue ich Jackson." Verblüfft schaute ich Sam an. Damit hatte ich nicht gerechnet.

"Wie läuft denn so ein Kneipenbesuch bei euch ab?" fragte ich nach einer Weile, in der wir beide stumm an unseren Tassen genippt hatten.

"Wir essen etwas, spielen Karten und danach ziehen die jungen Leute weiter in die angrenzende Bar und feiern da ein wenig."

"Hier gibt es eine Bar?" ungläubig schaute ich ihn an.

"Ist vielleicht nicht das, was du aus Jacksonville gewohnt bist, aber wir leben hier auch nicht hinterm Mond." Etwas böse sah Sam mich an.

Dass ich noch nie feiern war, geschweige denn mit Freunden in einer Bar abgehängt habe, verschwieg ich ihm. Sollte er doch glauben, dass ich jedes Wochenende in Jacksonville feiern war, so wie die anderen Leute in meinem Alter. Aber so war ich einfach nicht. Ich verbachte Wochenenden viel lieber damit zu lesen, an meiner Bewerbungsmappe für die Kunsthochschule zu feilen oder einfach nur entspannte Musik zu hören. Etwas was die wenigsten wussten; ich zeichnete für mein Leben gern in meiner Freizeit. Ich wollte unbedingt Kunst studieren, aber dafür musste ich eine Bewerbungsmappe abgeben und ich fand meine Werke bisher einfach nicht gut genug, um mich für das Studium zu bewerben. Ein weiterer Grund weshalb ich jetzt hier war.

Der Tag verging schnell. Ich war in der Stadt spazieren, schließlich hatte ich noch nicht alles gesehen und wollte schon einmal nach der Kneipe und Bar schauen. Danach saß ich an dem kleinen Schreibtisch in meinem Zimmer und las zum wiederholten Male eines meiner Lieblingsbücher.  Mit einem Blick auf den Wecker neben meinem Bett beschloss ich, dass es Zeit war mich umzuziehen. Ich holte eine schwarze Skinny-Jeans aus dem Schrank und zog dazu einen schwarzen Strickpullover, bei dem man meine blasse Haut durch die Fäden erahnen konnte, an. Normalerweise trug ich nie so viel schwarz, aber ich dachte, es könnte in die Kneipe und Bar passen. Und vielleicht hoffte ich Elian dort zu begegnen. Schließlich meinte Sam doch, dass sich fast die ganze Stadt freitags dort traf und die Jugendlichen danach in die Bar weiterzogen. Also vielleicht kam Elian dann auch. Zumindest hoffte ich das tief in mir, auch wenn ich es nicht wahr haben wollte. 

+++

Sam und ich setzten uns zu einigen anderen, mir unbekannten Gesichtern an einen der langen Tische. Als wir der netten Kellnerin unsere Getränkebestellung aufgegeben hatten, kam auch gerade Jackson durch die Tür. Mit einem breiten Lächeln kam er auf uns zu und setzte sich mir gegenüber. Nachdem er seine Jacke abgelegt hatte und alle am Tisch begrüßt hat, wandte er sich mit einem strahlenden Lächeln mir zu. Zaghaft erwiderte ich sein Lächeln.

"Hätte nicht erwartet, dass du heute auch kommst." begann er ein Gespräch.

"Wieso nicht? Hat Sam dir nicht gesagt, dass ich auch komme?" Als ich meine Frage gerade ausgesprochen hatte, kam die Kellnerin mit unseren Getränken und fragte auch Jackson was er trinken wollte. Als sie wieder weg war, antwortete Jackson mir.

"Naja du kommst aus einer Großstadt. Ich war mir nicht sicher, ob das hier-" mit einer ausladenden Geste deutete er auf den Raum um uns herum. "- das richtige für ein Mädchen wie dich ist. Du bist sicherlich andere Standards aus Jacksonville gewohnt." Er zwinkerte mir verschmitzt zu.

Sprachlos starrte ich ihn an. Hatten hier alle Leute solche Vorurteile über mich? Wurde man, wenn man als junges Mädchen in einer Großstadt aufgewachsen war immer in die Schublade "Partymäuschen" gesteckt? Warum bildeten sich die Leute nicht erst einmal ein eigenes Bild von mir, bevor sie über mich herzogen? 

Als ich meine Stimme wiedergefunden und mich innerlich etwas beruhigt hatte, antwortete ich Jackson. "Sicherlich gibt es in Jacksonville bessere Lokale, aber ich mag es hier." Gezwungen lächelte ich ihm zu und wandte mich dann von ihm ab. 

Ich wollte nicht mehr mit ihm sprechen. Stattdessen hörte ich einem anderen Gespräch an unserem Tisch zu. Als dann auch unser Essen kam, war ich froh mich darauf konzentrieren zu können, um nicht mehr gezwungen an einem Gespräch teilzunehmen. Nach und nach wurde das Lokal leerer und mehr Jugendliche versammelten sich hier, um schon einmal ein Bier zu trinken. Anscheinend war das hier dann wie eine Art Treffpunkt, um dann gemeinsam in die Bar weiterzuziehen. Als dann auch Sam und die restlichen Leute an unserem Tisch aufstanden, um zu zahlen, stand ich auch auf. Ich war verunsichert. Der Plan war gewesen mit Jackson weiter in die Bar zuziehen. Allerdings hatte ich kein weiteres Wort mehr an diesem Abend mit ihm gewechselt. Und so stand ich jetzt alleine und unsicher, was ich jetzt tun sollte, mitten in der Kneipe.

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Was wohl noch passieren wird an diesem Abend? Habt ihr Vermutungen? Und was haltet ihr von Jackson? 
Ich wünsche euch noch ein schönes verlängertes Wochenende <3

Fall in LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt