DREI

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Wie durch ein Wunder hatte ich auf Anhieb den richtigen Weg nach Hause gefunden und kam schon nach einer Stunde vor der kleinen Hütte an. Den ganzen Weg über hatte ich ein warmes Gefühl in meiner Brust und habe mich sicher gefühlt, obwohl es immer dunkler wurde. Aber darüber machte ich mir keine Gedanken, auch wenn es mir merkwürdig erschien. Meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um meinen Großvater und was ich ihm erzählen sollte, wieso ich so lange weg war. Immerhin war es schon nach acht Uhr und der Himmel war stockfinster. Nicht einmal der Mond konnte etwas Licht spenden, zu viele Wolken hatten sich vor ihm aufgetürmt. Vor der Holzhütte angekommen, sah ich wie noch Licht im Haus brannte. Ich schluckte das unangenehme Gefühl in meiner Kehle runter und schloss die Tür auf. Zum Glück hatte ich schon einen eigenen Schlüssel bekommen, denn Klingeln wollte ich nicht. Mein Plan war es möglichst leise nach oben in mein Zimmer zu gelangen, ohne bemerkt zu werden, um dann so zu tun als wäre ich nie weggewesen. 

Doch das Schicksal schien heute nicht auf meiner Seite zu sein. Die Tür fiel laut in ihr Schloss und bevor ich mich überhaupt rühren konnte, betrat mein Großvater auch schon den Flur.

"Bevor du etwas sagst, Grandpa, will ich, dass du weißt wie leid es mir tut einfach weggewesen zu sein, aber wie du siehst, bin ich gesund wieder gekommen." Ich plapperte einfach drauf los ohne dabei genau drauf zu achten was ich überhaupt von mir gab.

"Sam reicht, wenn du mich Grandpa nennst, komm ich mir so alt vor." Ich konnte in seinem Gesicht keine Emotion ablesen. War er enttäuscht von mir oder froh, dass ich wieder da war? Hatte er überhaupt meine Abwesenheit bemerkt?

Unsicher ließ ich meinen Blick durch den Flur wandern, mied dabei aber gekonnt sein Gesicht.

"Haken wir die Sache einfach ab, wenn du mir versprichst nicht mehr in den Wald zu gehen." unterbrach er die Stille.

Nicht mehr in den Wald gehen? Damit hatte ich mit Sicherheit kein Problem. Ich wollte mich weder noch einmal verlaufen, noch wollte ich diesen merkwürdigen, aber unfassbar attraktiven jungen Mann wieder sehen mit seinen unfassbar schönen grünen Augen. Was dachte ich da überhaupt?  Ich hatte bisher noch nie wirkliches Interesse an Jungs gezeigt und kaum verließ ich meine Heimat, fand ich einen Mann aus dem Wald attraktiv? Was stimmte mit mir nicht? Vielleicht lag es einfach an meiner Übermüdung und dem stressigen Tag.

"Versprochen." beschloss ich kurzerhand. 

Sam hatte schon etwas zum Abendessen vorbereitet und so saßen wir anschließend in seiner Küche und aßen gemeinsam. Er schien nicht der gesprächigste zu sein, aber mich störte es nicht. Nur ab und zu stellte er eine Frage auf die ich ebenso knapp antwortete. In dieser Hinsicht schienen wir uns etwas ähnlich zu sein. Meine Mutter hatte es immer gestört, dass ich nicht wie sie eine Quasselstrippe war. Sie beschwerte sich andauernd darüber, sie müsse mir alle Antworten aus der Nase ziehen. Sam schien es jedoch nicht zu stören, wenn wir uns schweigend gegenüber saßen. 

Nach dem Essen verabschiedete ich mich sofort auf mein Zimmer. Ich wollte einfach nur noch ins Bett und schlafen. Vorher machte ich noch einen Abstecher in das kleine Badezimmer, um mich kurz zu duschen und anschließend meine Zähne zu putzen. Im Schlafanzug legte ich mich in das Bett und fiel fast sofort in einen tiefen Schlaf. 

Diese Nacht schlief ich unruhig. Immer wieder wachte ich auf mit dem Gefühl beobachtet zu werden, aber jedes Mal, wenn ich das kleine Licht neben dem Bett anschaltete, konnte ich nichts verdächtiges erkennen. Auch vor meinem Fenster auf der Straße war nichts ungewöhnliches zu sehen.  Ich beschloss, dass mein ungutes Gefühl daran liegen musste, dass es die erste Nacht hier war und ich vielleicht einfach nur mein Zuhause vermisste. Als ich endlich wieder einschlafen konnte, stahlen sich wunderschöne moosgrüne Augen in meinen Schlaf. Sie beruhigten mich auf eine merkwürdige Art und Weise. 

Am nächsten Morgen fühlte ich mich immer noch viel zu müde, um in den Tag zu starten. Da es aber schon kurz vor Neun Uhr war, quälte ich mich aus dem Bett in das Badezimmer. Danach stieg ich leise die Treppen nach unten. Falls Sam noch nicht wach war, wollte ich ihn auf keinen Fall wecken. In der Küche angekommen, fiel mir als erstes der kleine Klebezettel auf dem Tisch auf. Ich nahm ihn in die Hand und entzifferte die unleserliche Handschrift.

Bin im Wald die Wanderwege kontrollieren. Komme nicht vor Mittag wieder. Mach dir doch einen netten Vormittag in der Stadt. Sam

Ich legte den Zettel wieder beiseite und suchte in den Schränken nach etwas zum Essen. Er war also im Wald und würde nicht vor Mittag wieder kommen und ich sollte mir einen Tag in der Stadt machen. Ich hatte ja eh vor heute die Stadt zu erkunden, also aß ich schnell eine Schale Müsli und nahm dann eine kleine Tasche mit meinem Handy, Geldbeutel und dem Schlüssel und verließ das Haus. 

Es war nicht schwer die Innenstadt zu erreichen. Immerhin gab es nur eine Straße vor unserem Haus. Links ging es in den Wald, also musste es rechts in die Stadt gehen. Nach zwanzig Minuten, in denen ich von drei älteren Damen angesehen wurde wie eine Außerirdische, von mindestens fünf Hunden angebellt wurde und sogar ein Mann mich gefragt hatte, was ich hier verloren hätte (ich erzählte ihm nur kurz, dass ich ab sofort bei Sam wohnte, daraufhin verschwand er nickend), kam ich endlich an. 

Die Innenstadt von Silver  war natürlich kein Vergleich zu der von Jacksonville. Dennoch gab es so etwas wie eine kleine Shoppingmeile mit kleineren Läden. Als ich an einer Bäckerei vorbei kam, konnte ich nicht anders als sie zu betreten. Sie war wunderschön eingerichtet und der Duft nach frischem Gebäck brachte mich beinahe um. Mit einem Lächeln sah ich mich um, als mich eine ältere Frau hinter dem Tresen aus meinen Gedanken riss.

"Was darf es denn sein, Süße?" fragte sie mit einem großmütterlichen Lächeln im Gesicht. Tatsächlich erinnerte sie mich etwas an meine Großmutter.

"Ich hätte gern zwei Stück von diesem Apfelkuchen." gab ich ihr meine Bestellung weiter. Ich hoffte Sam würde sich freuen, wenn ich Kuchen mitbrachte. Um selbst zu backen, fehlten mir die Zutaten und ich war noch nicht an einem Supermarkt vorbei gekommen.

"Eine sehr gute Wahl wie ich finde. Das Rezept ist von einer guten Freundin von mir. Aber sie ist vor einigen Jahren schon verstorben. Du erinnerst mich tatsächlich ein wenig an ihre Tochter Anne, weißt du? Und jetzt ist der arme Sam ganz alleine, aber ich habe gehört seine Enkelin soll ihn besuchen kommen." erzählte sie, während sie den Kuchen einpackte.

Ich schmunzelte leicht bevor ich ihren Redeschwall unterbrach. "Ich bin Ivy, Sams Enkelin."

"Oh wirklich? Wie wundervoll dich kennenzulernen. Sam hat leider noch nicht so viel von dir erzählen können, schließlich hat er dich einige Jahre nicht gesehen. Aber du siehst wunderschön aus, Kind. Er wird sich sehr über den Kuchen freuen, es ist sein liebster."

Ich bedankte mich bei ihr und verließ mit einem Lächeln im Gesicht und dem Kuchen in der Hand ihren Laden wieder. Was für eine merkwürdige aber liebenswerte Frau.

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Guten Abend ihr Lieben, hier das nächste Kapitel, ein wemig unspektakulär, aber ich freue mich trotzdem über Kommentare. <3

Fall in LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt