FÜNF

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Meine Gedanken wurden durch ein leises "Hey" unterbrochen.

Ruckartig drehte ich mich um und machte mich bereit, notfalls einen der Eimer als Waffe zu verwenden. Die Anspannung verließ meinen Körper genauso schnell wie sie gekommen war, als ich in ein Paar moosgrüne Augen schaute. Erleichtert atmete ich aus. Elian stand vor mir und betrachtete mich kritisch. Wie bei unserem letzten Treffen trug er ausschließlich schwarz. Heute ein schwarzes Tshirt kombiniert mit einer schwarzen Lederjacke. Seine Augen, Haare und die blasse Haut wurden durch seine Farbwahl stark hervorgehoben.

"Was machst du hier ganz alleine?" Seine raue und tiefe Stimme durchbrach erneut meine Gedanken.

"I-Ich ähm helfe nur m-meinem Großvater." stotterte ich. Sofort begannen meine Wangen zu glühen. Konnte es noch peinlicher werden? Wieso konnte ich denn keinen klaren Satz in seiner Gegenwart hervorbringen? Sofort durchfuhr mich ein warmes Gefühl in meiner Brust und ließ mich wohlfühlen. Ich wusste nicht woher dieses Gefühl auf einmal kam, aber mir war klar, dass es mich beruhigte. Tief atmete ich durch.

"Und bei was hilfst du ihm?" Ein kleines, schiefes Grinsen zierte seine Lippen und zum Vorschein kam ein winziges Grübchen in seiner linken Wange. Fasziniert starrte ich es an. Er sah so unfassbar attraktiv aus.

Ich konnte nicht reagieren und starrte ihn, oder sein Grübchen, nur weiter an.

"Ivy?" Seine Stimme klang nun etwas fordernder, aber das Lächeln verschwand nicht. Es nahm nur etwas ab.

"Was?" fragte ich peinlich berührt und senkte meinen Blick. Erneut wurde ich knallrot und mein Herz schlug einige Takte schneller. Allerdings blieb das Wärmegefühl vorhanden.

"Fasziniere ich dich so sehr, dass du auf meine einfachen Fragen nicht antworten kannst?" Mit gespielt tadelnden Blick betrachtete er mich weiterhin mit einem belustigten Schmunzeln. Leuchteten seine Augen immer so grün oder lag das an dem Wald und der Sonne, die so tief stand, dass sie sein Gesicht bestrahlte?

"N-nein. Kannst du die Frage vielleicht noch einmal mal wiederholen?" Ich versuchte seinen grünen Augen standzuhalten und seinem intensiven Blick nicht mehr auszuweichen.

"Es wird bald dunkel und du solltest definitiv wieder nach Hause. Kennst du den Weg?" wechselte er so abrupt wie er aufgetaucht war das Thema.
Verwirrt sah ich ihn an. Wollte er mich loswerden?

"Sam's Auto steht hier irgendwo. Er hat gesagt, ich soll mich nicht verlaufen, aber-" Elian unterbrach mich.

"Das hat wohl nicht funktioniert. Wenn du willst begleite ich dich ein Stück zurück." schlug er vor. Ein Funke Freude durchkreuzte meinen Körper.

"Ich weiß leider nicht mehr, wo er geparkt hat." gab ich leise zu und wandte dann doch den Blick von ihm ab.

"Kein Problem, ich kenne den Weg."

Ich wollte ihn fragen, woher er das denn wusste, doch seine Hand, die sanft meine umfasste, lenkte mich ab. Sie war unfassbar warm und weich und so groß, dass meine kleine kalte Hand perfekt in seine passte und von ihm gewärmt wurde. Hand in Hand liefen wir nebeneinander durch den Wald. Keiner von uns sagte ein Wort, doch das war auch nicht nötig. Aus irgendeinem Grund verspürte ich in seiner Gegenwart keine Angst. Ich fühlte mich wohl neben ihm und vertraute ihm. Ich wusste zwar nicht wie er den richtigen Weg finden wollte, aber ich zweifelte auch nicht an ihm. Ab und an kamen wir uns näher, wenn wir einem Baum oder einer Wurzel ausweichen mussten. Kein einziges Mal ließ er meine Hand los. Ich konnte seinen angenehmen Duft wahrnehmen. Er roch leicht nach Shampoo und Holz, was aber vielleicht auch an dem Wald um uns herum lag. Dass ich ihn heute erst zum zweiten Mal getroffen hatte, machte mir nichts weiter aus.

"Trifft man dich eigentlich immer im Wald?" durchbrach ich nach einer ganzen Weile die Stille. Meine Frage klang nicht so belustigt, wie ich es wollte. Sie klang viel zu ernst und ein leiser Hauch von Angst schwang in ihr mit.

"Nur wenn ich dich jedes Mal retten und sicher nach Hause bringen kann." Elian lächelte und auch in seiner Stimme schwang ein belustigter Ton mit. Doch in seinen Augen war davon nichts zu lesen.

Was meinte er mit jedes Mal? Gerade war doch das erste Mal, dass er mich rettete und zurück zu meinem Großvater brachte. Spielte er auf zukünftige Treffen an? Oder vielleicht hatte er etwas damit zu tun, dass ich gestern Abend sicher nach Hause gekommen war. Aber wie hätte er das tun können? Ich habe den Weg alleine gefunden. Aber dennoch hatte ich ein sicheres Gefühl in mir gehabt. Bevor ich noch weiter darüber nachgrübeln konnte, sprach Elian weiter.

"Ab hier wirst du den Weg alleine zurück finden." Er betrachtete mich mit einer solchen Entschlossenheit und Endgültigkeit in seinen Augen, dass ich nur stumm nicken konnte. 

Ich wollte nicht alleine weitergehen. Ich wollte, dass der junge Mann neben mir mich begleitete, aber es war mir schier unmöglich ihm zu widersprechen und nur einen Ton über meine Lippen zu bringen. 

Als Elian sich umwandte und sich schon einige Schritte von mir entfernt hatte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen, atmete tief durch und hielt ihn auf. "Warte bitte." Meine Stimme war leise und zitterte leicht, genau wie meine kalten Hände.

Elian hielt inne und drehte sich langsam zu mir um. In seinen schönen grünen Augen lag ein gequälter Ausdruck, der fast sofort verschwand, als er mich ansah. Er sah mir so tief in meine blauen Augen, dass ich den Atem anhielt.

"Ich kann nicht." Er klang so gequält und ich wollte, musste einfach wissen wieso.

"Warum nicht?"

"Akzeptiere es einfach, Ivy." Er schenkte mir ein schmales Lächeln, ohne dass sein Grübchen hervorkam und wollte sich wieder abwenden. Doch ich war schneller.

"Wann sehen wir uns wieder?" Mir war nicht klar, wie sehr ich hoffte ihn bald wiederzusehen. Erst als in meiner Stimme die Hoffnung nicht zu überhören war, wurde mir klar wie gern ich in seiner Nähe war.

"Das entscheidest alleine du." Mit einem letzten wunderschönen und entschuldigenden Lächeln drehte er sich endgültig um.

"A-aber wie kann ich dich denn erreichen?" Meine Frage verließ nur leise meinen Mund. Es war unmöglich, dass er mich verstanden hatte. Elian war schon zu weit entfernt. Ich schaute ihm noch eine ganze Weile nach. Auch als er schon längst verschwunden war, starrte ich noch auf den Fleck, wo er zuletzt für mich zu sehen war. 

Mit hängenden Schultern machte ich mich auf die Suche nach Sam und Jackson. Erneut fand ich den richtigen Weg wie durch ein Wunder und kam nach wenigen Minuten an den Autos an. Sam war schon dabei den Kofferraum wieder einzuräumen, als auch Jackson aus dem Wald trat. Sie schenkten mir lediglich ein Lächeln  und fragten nicht einmal nach wieso ich nur zwei Eimer verteilt hatte. Schweigend fuhren wir zurück zur Holzhütte. Und wieder war es, als wäre ich Elian nie im Wald begegnet.  

Fall in LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt