🕯🕯🕯🕯🕯 Deutschland - Alec und die glitzernden Lebkuchenmänner

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Alec und die glitzernden Lebkuchenmänner  (A Malec-Story)

von typhoni

💫~Blubberwasser~💫

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In der Adventszeit schmücken sich die Städte mit einer alten Tradition. Holzbuden werden aufgebaut, Lichter säumen die Wege und erhellen den Platz mit ihrem leuchtenden Schein. Ein Baum, erhaben und funkelnd überragt die Köpfe der Menschen, welche sich der nostalgischen Stimmung der Weihnachtsmärkte nicht entziehen können. Auch mich treibt es auf den Marktplatz, inmitten von köstlich-aromatischen Glühwein und den Klängen der Heiligen Nacht. Die Winter in Deutschland sind oft kalt und grau, vereinzelt fällt eine Schneeflocke aus den Wolken und taucht die Welt in eine märchenhafte Szenerie. Dieses Jahr schneite es bereits Ende November und die Kinder erfreuten sich an der Pracht des Winterwunderlandes.  

Festlich geschmückt begrüßen die Budenbesitzer ihre Gäste und eine von ihnen hat es mir besonders angetan. Ein Meer aus duftendem Tannengrün und kunstvoll arrangierten Schneeflocken zog mich bei meinem ersten Besuch magisch an. Ebenso der herrliche Duft nach frisch gebackenen Lebkuchen und eine Erinnerung aus frühen Kindheitstagen flutete mein Herz mit aller Liebe, die meine Mutter mir schenkte. Jedes Jahr zur Weihnachtszeit war das Haus meiner Kindheit erfüllt mit den Stimmen verschiedenster Interpreten und den größten Weihnachtsklassikern der vergangenen Zeit. Mehlstaub wirbelte durch die Luft, Plätzchenteig landete in unseren Mägen, ehe er in den feurigen Tiefen des Ofens verschwand. Ich liebte diese Zeit des Jahres. Maryse Trueblood ist meine persönliche Heldin. Von der Familie verstoßen, dem Kindsvater sitzen gelassen und einer immer größer werdenden Bauchkugel, zog sie in eine fremde Stadt, eröffnete einen kleinen Laden, indem sie selbstgenähte Kinderkleidung verkaufte und half mir mit ihren Idealen und Wertvorstellungen der Mann zu werden, der ich heute bin.  

Mit ihrer offenen und fröhlichen Art schaffte sie es immer wieder die wilden stürmischen Zeiten in unserem Leben zu umschiffen, schaffte Oasen der Ruhe und Inseln des Glücks. Das Gerede der anderen Eltern war ihr egal. Geflissentlich ignorierte sie die abschätzigen Blicke und mitleidigen Kommentare. Ich war immer ein stilles und zurückgezogenes Kind, machte keinen Lärm und unnötige Unruhe. Mein bester Freund war die Literatur und so manches Kind fand mich seltsam. Nicht so meine Mutter. Ihre Liebe war grenzenlos und sie unterstützte mich in allem was ich tat. Egal ob es Ballettstunden in rosa Spitzenschuhen, Malkurse oder Reitstunden auf störrischen Ackergäulen waren. ‚Das Wichtigste ist der Spaß' war ihr Motto und so wuchs der Gedanke an ein farbenfrohes Coming-out. Lebkuchenmänner- und Frauen standen ganz oben auf unserer alljährlichen Adventsbackliste. Dieses besondere Ereignis bildete den Abschluss eines fröhlichen Nachmittages. Ich wusste bereits früh, dass Mädchen mich nicht interessierten. Die Jungs in meiner Klasse dagegen schon eher. Besonders ein Kerl hatte mir so dermaßen den Kopf verdreht, dass ich regelmäßig meine Sprache verlor, sobald er in meine Richtung sah. Jason und der Traum meiner schlaflosen Nächte. Heute weiß ich gar nicht mehr, warum ich ihn im zarten Alter von vierzehn Jahren so anziehend fand. Er war nicht besonders intelligent, brachte einen rassistisch-homophoben Spruch nach dem anderen und sammelte Abmahnungen wie andere Leute Pokemonsammelkarten.  

In eben diesem Jahr beschloss ich, meine Mutter in das große Geheimnis um meine sexuelle Zukunft einzuweihen und die Lebkuchenmänner waren meine kleinen braungebackenen Helfer. Heimlich verteilte ich den bereits vorbereiteten Zuckerguss in unterschiedliche Schalen und brachte die eigentlich weiße Farbe zum Leuchten. Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Lila. Die Farben des Regenbogens und meine Mutter
arbeitete summend vor sich her, formte Teigklumpen in ansehnliche Figuren und schob diese in die feurigen Flammen. Das Verzieren war meine Aufgabe und mit leicht zittrigen Händen befüllte ich die Spritzbeutel, schraubte Tüllen auf die Spitzen und kleidete einen köstlich duftenden Lebkuchenmann in sein neues Gewand. Die weißen Haare bekamen einen Hauch goldfarbenen Glitzer, die Kleidung bestand aus verschiedenfarbigen Streifen und Zuckerherzen als Knöpfe. Nervös drapierte ich den mit einem eindeutigen Statement versehenen Mann auf einem Teller und stellte diesen mit einer Tasse heißen Kinderpunsch zu meiner Mutter an den Esstisch.Ich erinnere mich an Meterweise Stoff und Wolle. Die Kostüme für das alljährliche Krippenspiel machten sich nicht von allein und obwohl der Stress mit einem pubertären Teenager, eigenem Ladengeschäft und finanziellen Sorgen überwogen, ließ sich meine Mutter diese Freude nicht nehmen. Der Anblick des farbenfrohen Lebkuchenmannes zauberte ein Lächeln auf das Gesicht meiner Mutter und mit tränenfeuchten Augen sah sie mich an und nickte stumm. „Ach Alec", sagte sie und der Kloß in meinem Hals schnürte mir fast die Luft ab. „Bist du böse?", fragte ich und selten habe ich meine Mutter so erschrocken gesehen. Blitzschnell erhob sie sich, fegte tannengrünen Stoff von ihrem Schoß und zog mich in eine feste Umarmung.„Natürlich nicht. Wie kommst du darauf?", fragte sie und ob es an meinen Teenagerhormonen oder der Vorweihnachtlichen Stimmung lag, vermag ich nicht zu sagen. Jedoch brachen die Tränen sturzbachartig aus mir hervor und eine tonnenschwere Last verließ meinen Körper. „Ich weiß nicht", war meine einzige Reaktion. „Ich habe es geahnt", antwortete sie und hauchte einen Kuss auf meine Haare.

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