Block A, Zimmer 17

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Nach der Schule machte ich mich sofort auf den Weg in die Psychiatrie. Als ich am Bus-Eingang nach Kleingeld kramte, packte ich ausversehn die Diätpillen von David aus, die alle aus meiner Jeanstasche fielen. Mir wurde schlagartig extrem heiß und beim Bücken schlug ich mir den Hinterkopf an.
,,Aua!", entfuhr es mir und ich packte mir an den Kopf..Gut, kein Blut.
Ich suchte mir einen Platz neben einer aus meiner Parallelklasse. Sie schaute mich genervt an und rutschte etwas weg.
,,Stimmt es, dass du magersüchtig bist?", fragte sie plötzlich.
Es traf mich wie der Blitz und ich stammelte vor mich hin:,,Eh, nein! Wie kommst du darauf?!"
Sie zog die Augenbrauen hoch und meinte:,,Das behauptet so gut wie jeder. Geht's dir denn gut?"
Ich rollte genervt mit den Augen und antwortete:,,Ja, wieso? Und dir?"
Sie lächelte:,,Wollte nur freundlich sein. Wegen diesen Schlampen auf unserer Schule, ist Freundlichkeit schon ein Fremdwort."
Ich grinste leicht und nickte. Plötzlich stoppte der Bus und das Mädchen stand auf.
,,Mein Name ist übrigens Jenna. Das ist übrigens meine Handynummer, haha."
Sie kritzelte etwas auf meine Hand mit einem Edding aus ihrer Jackentasche.
Sie lächelte noch einmal und stieg aus dem Bus aus.
Man, war Jenna nett! Ich habe sie nie zuvor beachtet, aber sie scheint ja wirklich nett und lustig zu sein. Wir sollten uns mal öfters treffen.
Viele mögen sie nicht und lästerten über sie, da sie angeblich lesbisch sei, aber es ist doch vollkommen egal, welche Sexualität man hat. Außerdem geht von ihr ein Video rum, wo sie betrunken mit 3 Anderen rummacht..
Bei dem Gedanken schüttele ich mich und kriege Gänsehaut. An der nächsten Station stieg endlich meine beste Freundin Lea ein.  Ich stand auf und umarmte sie.
,,Hey!"
Sie lächelte mich an und setzte sich neben mich.
,,Ich habe gehört, dass Felicitas nur für 1-2 Wochen dort ist. War wohl'n Fehl-Alarm." Lea verdrehte die Augen und seufzte.
,,Aber die hat doch nichts, oder?"
Lea seufzte erneut und zuckte mit den Schultern.
,,Denkst du sie hat echt was?"
Ich schüttelte den Kopf und grinste.
Die ganze Fahrt lang schwieg sie. Wir stiegen am Ende aus und standen vor einem großen Gebäude mit gelben und weißen Wänden.
,,Psychiatrische Kinder-und Jugendklinik" stand auf einem großen Schuld direkt neben den Auto-Parkplätzen. Wir gingen gemeinsam rein und sofort schnappte uns der warme Krankenhaus-Geruch die Luft weg.
Wir gingen an die Rezeption und Lea sprach leise mit der Rezeptionistin..
,,Felicitas Hausner also." Lea hielt eine kleine Karteikarte in der Hand, auf der Block A, Zimmer 17 stand.
Wir liefen durch einen langen Gang und bogen 2x links ab. Vor einem großen, bunten Wandtattoo blieben wir stehen und klopften an der linken Zimmertür.
,,Herein..?", sagte eine ruhige, quietschende Mädchenstimme und wir betraten das Zimmer. Felicitas saß zusammengekauert auf ihrem Bett am Fenster. Ihre rosa Pantoffeln hingen von ihren Zehen runter und ihr blond-goldenes Haar glitzerte im leichten Sonnenschein.
,,Hä, was wollt ihr hier..?", Sie quiekte noch mehr und runzelte die Stirn.
Lea hob einen Blumentopf hoch und fand einen Zettel..
,,Süß von deinen dummen Freundinnen..Oh, Feli du schaffst das. Feli, du bist unser Engel..wir lieben dich!"
Ich musste kichern und Lea schaute mich grinsend an.
Felicitas stand auf und war den Tränen nahe.
,,Ihr habt doch keine Ahnung!", schrie sie. ,,Ich bin ECHT krank, ok?!"
Jetzt prustete ich los und Felicitas fing an zu schluchzen. Sie warf sich auf ihr Bett und vergrub sich unter ihrer Decke.
Lea lachte und tippte sich an die Schläfe:,,Leute, die essgestört sind, sehen nicht ein, dass sie krank sind. Hassen sich. Für jeden Bissen. Jede verfickte Kalorie."
Das Schluchzen hörte langsam auf und Felicitas verheultes Gesicht guckte aus der Decke raus.
,,Halt den Mund! Ich habe doch die Diagnose!" Sie springt aus dem Bett und warf allerlei Sachen aus ihrem Nachtschrank. Sie gab uns einen sorgfältig ausgefüllten Papierbogen und steht mit verschränkten Armen vor uns.
Ich lache los und rufe:,,Hier steht nur, was für Behandlungen du hast! Keine Diagnose!"
Sie lief rot an und schrie:,,ICH BIN HIER WEGEN EINER ESSSTÖRUNG!"
Wow, und ich dachte sie war eher immer so der ruhige Typ..
,,Das ist mir hier zu dumm. Ohne Scheiß, wir sind weg.", rief Lea genervt und packte mich am Ellebogen. Wütend stampften wir wieder in die Rezeption.
,,Die hat doch gar nichts!", schnaubte Lea und die Rezeptionistin von eben guckte uns wütend an.
,,Raus mit euch! Jeder unserer Patienten hier braucht Ruhe und Hilfe um wieder gesund zu werden!" Sie stand auf und kam auf uns zu. ,,Raus mit euch! Kommt nie wieder!"
Wir gingen ohne was zu sagen und es war schon fast dunkel draußen.
,,Meine Fresse, war die abgefahren, hahahha." Lea lachte und schaute mich an.
Ich grinste und gemeinsam gingen wir zur Bus-Haltestelle... Tja, jetzt kann ich mich wohl doch nicht hier als Praktikantin bewerben.
Als schließlich der Bus kam, blinzelte Lea mich an.
,,Was ist denn diese Beule da in deiner Jeanstasche?"
Fuck, hoffentlich sieht sie die Pillen nicht! Dann denkt sie zu 100000% ich sei magersüchtig.
Ich setzte mein bestes, gefälschtes Lächeln auf und sagte:,,Hahahha, Beule! Nein, Spaß beiseite. Das ist nichts Besonderes."
Sie biss sich auf die Unterlippe und schaute nachdenklich in den Sonnenuntergang.

90-60-90? Eher 80-55-83Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt