Die kalte Luft hatte meine Fingerspitzen und Ohren, sowie meine Nasenspitze und meine Wangen einen rötlichen Farbton annehmen lassen und allesamt fühlte ich sie nicht mehr. Die Kälte war jedoch nicht unangenehm, nein. Ich hatte mich daran gewöhnt, meinen Körper kaum noch zu spüren und mich darin fremd zu fühlen. Ich genoss die Stille, kein einziges Tier war zu hören, die Blätter die sonst unter den Schritten von Lebewesen rascheln würden, knisterten nun aufgrund des Frosts und alles war in ein hartes, blasses Weiß gehüllt. Schnee gab es dieses Jahr noch nicht, aber wenn die Temperatur weiter sank, würde er bald in Massen vom Himmel gleiten.
Ich war im Wald von Wolfenlauf unterwegs, um während dem Spaziergang meine freie Zeit zu genießen. Außerdem hatte Lisa mich gebeten, Razor, dem Wolfsjungen, ihre Grüße auszurichten, wenn ich ihn das nächste Mal sah. Razor und ich lernten uns kennen, als ich für die Ordensschwestern Beeren pflückte und aus Versehen in die Arena des Wolfskönigs Andrius gestolpert war. Razor bestritt dort gerade sein Training mit der riesigen Wolfsgestalt und verteidigte mich vor dem König, der den Eindringling, wie er mich nannte, bestrafen wollte. Er hatte das Training frühzeitig beendet, um mir zurück aus der Arena zu helfen und hat mir anschließend einige Plätze mit besonders vielen Beeren gezeigt.
Aus Neugier habe ich danach beim Ordo Favonius nach Informationen über den mysteriösen Jungen gefragt und mich lange mit Lisa, der Bibliothekarin, unterhalten. Wie es aussah, kannten sich die zwei bereits lange, da Lisa ihm oberflächlich das Sprechen beigebracht hatte, jedoch hatten sie den Kontakt verloren und sich zu dem Zeitpunkt schon ewig nicht mehr gesehen. Seit ich Razor also ab und an besuchen ging, mit ihm im Wald spazieren war, ihm selbst gemachtes Essen mitbrachte, Bücher aus Mondstadt vorlas, fragte Lisa des Öfteren nach seinem Befinden oder gab mir einige ihrer Bücher mit.
Auch Razor brachte mir im Laufe der Zeit seine Welt näher, brachte mir das Jagen und Kämpfen bei, zeigte mir den Wald und die Natur, erzählte mir vom Leben im Rudel und brachte mich sogar in deren Lager, um sie kennenzulernen. Wäre ich jemals ohne Razor auf das Lager gestoßen, hätten die Wölfe mich sicher angegriffen, doch da er es mir selbst zeigte und ihnen zu verstehen gab, dass sie nichts zu befürchten hatten, begrüßten sie mich freudig hechelnd und schwanzwedelnd, strichen mir katzenähnlich um die Füße und leckten meine Hände und mein Gesicht gründlich ab.
Jetzt zu dieser Jahreszeit hatten sie es sicher schwer, Beute zu finden, deswegen hatte ich Draff in Quellingen auf dem Weg hierher einiges an Fleisch und Geflügel abgekauft und nun in meinem Beutel um meine Hüfte gebunden. Razor wusste nicht, dass ich kommen würde, der Spaziergang hierher war eher von spontaner Natur. Als ich das Lager erreichte, hatte man mich längst bemerkt, entweder am Geruch oder an den Geräuschen. Einige der Wölfe erhoben sich aus ihrer liegenden oder sitzenden Position und kamen freudig auf mich zu. Ich beugte mich zu ihnen herunter und begrüßte einen nach dem anderen, streichelte sie nur vorsichtig, immerhin waren es immer noch Wölfe.
Razor war nirgends zu sehen, weshalb ich beschloss auf ihn zu warten und dem Rudel solange etwas von dem Fleisch zu füttern. Sie hatten es bereits in meinem Beutel gerochen und beschnupperten ihn erwartungsvoll. Das brachte mich zum grinsen, ich stand auf und ging zu einem Baum am Rande des Lagers, welches eine kleine Lichtung, umgeben von Büschen, Bäumen und Felsen beschrieb, um mich daran anzulehnen. Ich setzte mich im Schneidersitz auf den harten gefrorenen Boden und nahm den Beutel von seiner Befestigung an meinem Gürtel. Die Schnur um die Öffnung entfernte ich kurzerhand und nahm ein Stück von dem rohen Fleisch aus dem dunklen Lederbeutel.
Sofort hatte ich die Aufmerksamkeit des ganzen Rudels und alle kamen mit heraushängenden Zungen auf mich zugesprungen. Lächelnd hielt ich das erste Stück einem kleinen Jungwolf hin, der es erst beschnupperte und dann vorsichtig aus meiner Hand nahm, bedacht darauf, mich nicht zu beißen. Während ich dem Rest des Rudels ebenfalls genug zu fressen gab schweiften meine Gedanken zu dem Jungen ab, den sie großgezogen hatten. Razor verhielt sich wie einer von ihnen, verständigte sich über Mimik und Gestik mit ihnen und jagte und lebte nur unter Wölfen. Seine Klamotten waren weit geschnitten und in braunen und grauen Farben gehalten, mit denen man sich im Wald gut tarnen konnte, wo er sie her hat, habe ich ihn nie gefragt.
Ein Rascheln auf der gegenüberliegenden Lagerseite ließ mich in freudiger Erwartung, meinen Freund zu sehen, aufblicken.
„Razor!", rief ich glücklich, als der Grauhaarige auf die Lichtung trat, die Wangen von der Kälte rot und der Atem in der Luft neblig zu sehen. Der Angesprochene sah überrascht auf und ein sanftes Lächeln zeichnete sich auf seine Lippen, als er mich erkannte.
„(D/N).", sprach er meinen Namen sanft. „Du hier.. kalt.", versuchte er nun zu verstehen, warum ich im Winter hierher kam. Ich stand vom kalten Boden auf, was mich bemerken ließ, wie kalt mein Unterkörper davon geworden war. Die Wölfe verstanden, dass die Fütterung vorbei war und verteilten sich wieder überall im Lager. Vorsichtig, um nicht auf dem glatten Boden auszurutschen überquerte ich die Lichtung zu meinem mit alten Narben übersäten Gegenüber. Kurz bevor ich ihn in die Arme nehmen konnte, um ihn zu begrüßen, verloren meine Stiefel den Halt auf dem eisigen Untergrund und ich rutschte aus, fiel nach vorne und landete in Razors Armen, welcher mich rechtzeitig festhielt.
Ich lachte auf und blickte zu dem schüchtern lächelnden Jungen hoch, der mich an den Ellbogen stützte, unsere Oberkörper nah aneinander. Razor half mir, mich wieder aufrecht hinzustellen und dann konnte ich endlich meine Arme um seinen Hals schlingen und ihm einen Kuss auf die eisige Wange drücken.
„Ich wollte spazieren und dachte, ich könnte euch ein wenig zu essen mitbringen. Ich soll dir Grüße von Lisa ausrichten.", erklärte ich ihm lächelnd, meinen Kopf auf meinem Arm in seiner Halsbeuge ruhend. Razor schwieg, denn obwohl der Wolfsjunge die Sprache der Menschen größtenteils verstand und zu Teilen auch sprechen konnte, setzte er immer noch eher auf Körpersprache und fühlte sich auf dem neuen sprachlichen Gebiet nicht ganz sicher.
Stattdessen löste er die Umarmung, um mir in die Augen zu blicken, unsicher lächelnd und einen Arm immer noch an meiner Seite, nur für den Fall, dass ich noch einmal ausrutschen könnte. Schon lange empfand ich für den mysteriösen Waisen mehr als nur Freundschaft, wie ich es ausdrücken sollte, wusste ich noch nicht. Unsere freundschaftliche Beziehung wankte seit dem Sommer zwischen Liebe und und Freundschaft, seit ich ihn das erste Mal auf die Wange geküsst habe. Da er sich schon immer offen und keineswegs verlegen verhielt, die menschliche Zurückhaltung nicht verspürend, waren wir uns bereits immer körperlich sehr nahe, jeder der uns sehen würde, würde uns hundertprozentig für ein Paar und nicht für Freunde halten.
Ich sah dies schon immer als Gelegenheit, einfach wortlos in eine Beziehung hineinzurutschen, denn egal, wie ich es anstellen wollte, könnte ich ihm nichts von meinen Gefühlen für ihn sagen. Razor hingegen machte seine Gefühle, egal ob Liebe, Zuneigung, Enttäuschung oder des öfteren einfach nur Hunger immer deutlich. In dieser Hinsicht erinnerte er einfach nur an einen Wolf. Genauso, wie seine Art, diese Gefühle klar zu machen, seien es Geräusche, die an Knurren, Winseln oder Schnurren erinnerten oder Gesten, wie das Lecken über mein Gesicht oder offene Wunden, wenn ich mich verletzte.
Andere würden das komisch oder einfach ausgedrückt unmenschlich finden, ich fand es einfach nur süß. Deswegen versuchte ich, so offen wie möglich zu sein und mich wie er körperlich auszudrücken. Razor machte ein knappes Geräusch, um die entstandene Stille zu durchbrechen und nickte in Richtung des Baums, an dem ich zuvor gelehnt hatte.
„Kalt heute.. wärmen?" Mein breites Lächeln, welches ich allein durch seine Anwesenheit stets trug, weitete sich noch etwas und ich nickte stumm. Er ergriff mein Handgelenk und ging über die Lichtung, bedeutete mir, mich zu setzen und gesellte sich dann zu mir nach unten. Er nahm mich an der Schulter und zog mich näher zu sich, ließ seine Arme auf meinen Schultern und verschränkte die Hände locker vor meinem Schlüsselbein. Seinen Kopf legte er sanft auf meinem ab und ich umfasste sein rechtes Handgelenk locker mit meiner Hand. Leicht streichelte ich mit meinem Daumen darüber. Ich entspannte meine Körperhaltung und lehnte mich vollends in die Umarmung. Meine Augen schlossen sich leicht und ich spürte die von Razor ausgehende Wärme. Er schnurrte leise und ich fühlte seine Kehle vibrieren.
Langsam schwand das letzte Tageslicht, wie in dieser Jahreszeit üblich, zu einer noch relativ frühen Zeit und ich beschloss, den Rückweg nach Mondstadt lieber nicht im Dunkeln anzutreten und die Nacht beim Rudel zu verbringen.
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Genshin Impact - One Shot Adventskalender
Fiksi PenggemarHalloooouuu meine lieben Leudings XD Ich hatte die Idee, zur Adventszeit einen Kalender mit Genshin One Shots zu schreiben, also: Gesagt getan, hier isser xP Ich schreibe noch ein Vorwort mit genaueren Infos, Hope you enjoy! ⊂( ̄▽ ̄)⊃ Die Charaktere...