3. Kapitel { Dienstag, 24. Februar 2015, 1400 Uhr }

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„Shirlie! Ich bin hier! Gib mir den Ball!“
Shrilie schoss mir den Basketball zu, nachdem ich mir die Kehle aus meinem Hals geschrien hatte.
Ich dribbelte schnell an den gegnerischen Spielern vorbei. Mit voller Kraft stiess ich mich vom roten Gummiboden ab. Der kalte Wind wickelte meine langen, aschblonden Haare um meinen Hals. Es kam mir vor, als ob alles in Zeitlupe geschah.
„Jaaaa, wuhuuu“, schrien auf einmal alle aus meinem Team und blickten zu mir hinüber.
„Avagrace! Das war ein grossartiger Korb!“, lobte mich Shirlie und zog währenddessen ihre berühmte Augenbraue hoch.
„Dankeschön. Ich weiss, dass er grossartig war. Umso weniger deine Augenbraue.“, sprach ich ihr zu mit einem arroganten touch und warf meine Haare zurück. Shirlie ignorierte meine Bemerkung, gleich danach lief sie zu den anderen Mitschülern.
Ein leises „Auaa“ entfuhr mir und ich sah nur noch Glitzer vor meinen Augen. Die Spitzen meiner Haare klemmten irgendwo fest. Ich sprintete so schnell ich konnte zur Toilette. Es roch nach Kotze, Parfum, Urin und dem „grossen Geschäft“. Stell dir mal vor, wie abstossend das stank. Bäääääääh!!! Mein Magen drehte sich um. Beinahe musste ich mich übergeben. Ich würgte und würgte. Nun ja, für einen Moment muss ich mich halt eben mit dem Geruch abfinden. Ich konzentrierte mich, um nicht kotzen zu müssen. Ich meine, wer will bitte schon seine Lasagne heraus kotzen und dann auch noch die Schokoladentafel, die man sich voller Begeisterung hineingestopft hatte?
-Niemand!
Das glitzern hatte endlich ein Ende. Das Buch an meiner Halskette war auf mysteriöser Weise doppelt so gross geworden. Meine Angst stieg und ich stand auf zitternden Knien. Das Licht an der Decke flackerte. Die Spitzen meiner Haare waren plötzlich mit pastelligem  Türkis gefärbt. Sie klemmten an einer Klammer, die am Bucheinband des Anhängers befestigt war. Das gibt’s doch nicht, was zur Hölle ist mit meinen Haaren los?!
Ich nahm den Buchartigen Anhänger vorsichtig in meine linke Hand und löste meine Haare von der kleinen Klammer. Ich zitterte an meinem gesamten Körper. Langsam nahm ich mir die Kette ab und warf sie in die Toilette, dessen WC Ring voll gekotzt war. Muahahaha!
Booooooom!! Das Buch sprang Wort wörtlich aus der Schüssel und platschte selbstverständlich in mein Gesicht. Ich war pitschnass. Das kann nur mir passieren.
Meine Aschblonden Haare waren vollgeschmiert mit Erbrochenem. Beinahe hätte ich einen Heulkrampf bekommen.
„Bist du noch ganz dicht?“, sagte mir eine fremde Stimme und hob das Buch vor meinen Füssen auf. Respekt diesem Typen! Wer nimmt schon ein Buch auf, dass voller Kotze ist?
„Hi, Avagrace. Schön dich kennenzulernen.“, sprach er mir zu und blickte in mein geschocktes Gesicht.
„Wo-woher k-kennst du meinen N-namen?“, stotterte ich und blickte zu ihm hoch.
Einen ganzen Kopf war er grösser als ich. Woohoow!
Seine braunen Augen strahlten, die Pupillen waren ausgeweitet. Der Fremde besass eine gewöhnliche Stupsnase. Eine schön definierte Oberlippe und eine volle Unterlippe, die ein wenig hervorstand, waren dunkelrot gefärbt. Seine weissen Zähne kamen gut zum Vorschein, durch den Kontrast zu seinen gut durchbluteten Lippen. Schwarze Stoppeln über der Oberlippe und am Kinn entlang den Wangen, sowie den Kieferknochen waren zu erkennen. Das Gesicht wurde durch markante Gesichtszüge geprägt. Sein Teint war leicht braun, die Haut matt und rein. Der Fremde besass einen gut gebauten Körper. Die rechte Schulter war etwas höher gestellt als die linke. Er sah köstlich aus. Zum Anbeissen.
„Lange Geschichte.“, antwortete er daraufhin und schmunzelte vor sich hin. Er hielt das nasse Buch schräg in die Höhe und fragte mich mit gerunzelter Stirn, ob es Toilettenpapier gäbe, worauf ich nur den Kopf schüttelte und einen beängstigten Blick zog. Das Wasser sickerte durch die Buchseiten. Nach einigen Sekunden tropfte es von den Ecken ab. Stille. Ich beobachtete ihn, was mir jedoch nicht so gut gelang. Was ich nämlich beobachten nannte, konnte man mit anglotzen vergleichen.
„Halt mal schnell das Buch.“, bat er mich, als er mir auch gleich das ekelhafte Buch in meine Hand drückte.
„Echt jetzt?!“, fragte ich angeekelt, während ich mein T-Shirt zurecht zupfte. Auffordernd schaute ich ihn an, doch er ignorierte mich einfach. Ignorieren macht dich nicht schöner!
Er drehte sich zu mir, gleichzeitig überkreuzte er seine Arme und versuchte sein T-Shirt auszuziehen. Er war einfach ungeschickt. Bettelnd fragte er mich, ob ich ihm helfen könnte.
„Äh, ja klar.“, sprach ich ihm verlegen zu. Es ist mir eine Ehre ihnen helfen zu dürfen, Sir.
Ich versuchte seinen Ellbogen durch den Ärmel zu quetschen. Eigentlich hatte ich es auch geschafft, aber halt eben nicht so, wie es sich der Herr gewünscht hatte. „ Erst versuchst du das Buch zu vernichten und jetzt zerreisst du auch noch meinen T-Shirt Ärmel!“, schrie er mir wütend ins Gesicht, sodass er mit seinem Atem beinahe meine Haare aus dem Gesicht wehte.
Ich klimperte mit meinen Wimpern, um meine Unschuld zum Vorschein zu bringen.
„Wie süss. Versuchst du deine Unschuld zu beweisen?“, fragte er nach, währenddessen er sich immer noch versuchte aus dem T-Shirt zu zwängen.
„Nein, wieso sollte ich das bitteschön versuchen? Wer bist du überhaupt, ich kenn dich doch nicht einmal?!“, versuchte ich kräftig auszudrücken.
„Du hast einen Hundeblick aufgesetzt und mit den Lippen geschmollt. Ausserdem werde ich mich noch bei dir vorstellen, also wo liegt dein Problem?“
„Okay, hast ja Recht. Das streit ich auch nicht ab, aber darf ich wenigstens deinen Namen wissen?“,
„Thomas, mein Name ist Thomas.“
Mein Vater heisst Thomas J Lustiger Zufall.
„Okay, und woher kennst du meinen Namen?“
„Das wirst du gleich erfahren, aber erst muss ich deinen Anhänger abtrocknen.“
Er packte sein T-Shirt am V-Ausschnitt und riss es auseinander. Thomas‘ Waschbrettbauch wurde sichtbar. Meine erste Überlebensregel:  Leg dich nicht mit Thomas an. Wie ein Jäckchen zog er das T-Shirt gemütlich aus, nachdem er sich mit der Hand durch die Haare fuhr. Sein Bizeps bewegte sich von der einen zur anderen Seite.
„Treibst du Sport?“
„Nein. Wieso meinst du?“, antwortete er auf meine Frage, währenddessen er vorsichtig meinen Anhänger mit seinem Shirt abtrocknete.
„Vielleicht weil du einen durchtrainierten Körper hast?“
„Mann!“
„Was? Hab ich was Falsches gesagt?“
„Nein, alles okay! Komm jetzt!“, brüllte er, nahm meine Halskette, sowie sein T-Shirt auf den linken Arm und packte schlagartig an mein Handgelenk.
„Was ist los mit dir?!“, schrie ich.
„Das wirst du gleich erfahren“, antwortete er ruhig und drehte sich nach einem kurzen Moment zu mir.
„Ich bin die einzige Person, die darüber bescheid weiss, wer du bist. Ausserdem könnte ich darauf wetten, dass ich mehr über dich weiss, als du selbst.“
Ich schaute zu, wie er versuchte mein Vertrauen zu gewinnen, jedoch waren seine Sätze nicht überzeugend genug.
Meine ernste Miene verunsicherte ihn.
„Avagrace vertrau mir.“, bat er mich und liess seine breiten Schultern hängen.
Er liess mein zierliches Handgelenk los. Ein breites Grinsen war nun in Thomas‘ Gesicht zu sehen.
Wohin er mich wohl führen wird..

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