12. Kapitel, 
Mittwoch, 25. Februar 2015, 2200Uhr

13 0 0
                                    


„Jetzt hör auf zu zappeln!", befahl ich ihr. 
„Du hast gut reden! Dir werden auch nicht gleich die Haare abrasiert!"
„Die Haare müssen so oder so irgendwann ab!"
Ich hatte Avagrace verziehen. Sie konnte nichts dafür, dass mein Vater, Mister Maddox, bei lebendigem Leibe abgebrannt war. Avagrace besass die wertvollste Haarmacht, die man besitzen konnte, und sie hatte zu viel davon. Die Pastellhaare waren zu lang und somit auch zu machtvoll. Wenn diese mit zu viel Energie gefüllt sind, müssen sie sich entladen. Das geht nur durch Anwendung der Gabe. Avagrace wusste nicht, wie man das kontrollierte. Nun wusste sie es. Ihre Haare nass spritzen, bevor sie jemanden abfackelt. Im schlimmsten Falle fackelt sie sich eines Tages selbst ab. Um noch so ein Ereignis über längere Zeit zu verhindern, sollte man am besten die Haare abrasieren, vollständig. Meist sind die Haare am nächstens Morgen wieder gleich lang. Meist, nicht immer. 
Wir waren in meiner schäbigen Hütte, die so aussah, als ob sie jeden Moment zusammenfallen würde. Ziemlich düster sah das Ganze aus, von innen wie von aussen. 
Ich mit einer riesigen Rasiermaschine ausgerüstet, Avagrace angespannt auf einem wackeligen Holzstuhl.
Ich schaltete die Maschine ein und ein rauer Ton war zu hören. „Ran an den Prachtschädel!", sagte ich laut und setzte die Rasiermaschine neben dem rechten Ohr an. Ein schadenfreudiges Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Die Meisterin des Feuers hielt die Hände vor das Gesicht.
Genau in dem Moment, als ich so richtig in Fahrt war schrie Avagrace: „Stopp! Ich möchte mich noch von ihnen verabschieden."
Einerseits konnte ich sie verstehen, aber andererseits dachte ich mir nur so „Es sind nur Haare! Die wachsen schon wieder nach."
„Eine Minute, ich gebe dir eine Minute, dann kommt das Zeug weg", meinte ich in striktem Ton und strich mir über das eine Augenlid.
„Hallo zusammen. Es tut mir wirklich leid, euch dies mitteilen zu müssen, aber der böse Thomas wird euch gleich töten. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder. Meine Liebe zu euch und zur Schokolade ist wie zu keinem anderen", trug sie ihren gepflegten braunen Haaren vor. Dann begann sie zu Schauspielern und wischte sich eine nicht vorhandene Träne mit dem Zeigefinger aus dem Gesicht. Zur gleichen Zeit schielte ich kurz zu ihr hinüber und musste mir wirklich Mühe geben, um nicht zu lachen. Meine Stirn runzelte sich nach jedem ihrer Worte mehr, die Mundwinkel verzogen sich immer mehr. Einen Kuss, für ihre Haarspitzen, hob sie für den Schluss auf.
„Das war sehr rührend", meinte ich ironisch, nachdem ich meine Lippen abgeleckt hatte. „So, jetzt wird das knallhart durchgezogen, ob du nun willst oder nicht. Ich habe auch nicht ewig Zeit", fuhr ich wie eine männliche Diva fort und bewegte meinen Zeigefinger dazu passend. Halt so, wie die Mädchen aus dem Ghetto.
„Ja, dann mach!", gab sie zurück. Mit teuflischem Blick schaute ich auf ihren Hinterkopf und stellte mir gerade vor, wie ich sie mit meinen Kräften verfluchte. Da ich aber weder hexen noch verfluchen konnte, spannte ich meine Hand an und verpasste ihr eine auf den Hinterkopf. 
Sie ignorierte meine Tat. Ich zuckte mit meinen Achseln und drückte auf den On-Knopf auf dem Gerät. Dieses Mal setzte ich an ihrer Stirn an, dann rasierte ich motiviert durch ihren Scheitel. Ein Sechstel von ihren Haaren legten sich auf dem Boden aus. Den Rest rasierte ich gemütlich ab.
„Und wie fühlst du dich?", fragte ich Avagrace mit verschränkten Armen und streckte einen Spiegel vor ihr nacktes Gesicht.
„Ganz cool", meinte sie daraufhin. Nebenbei strich sie sich mit der flachen Hand über ihren kahlen Kopf.
Als ich in ihr Gesicht blickte, sah ich etwas anderes als Glücksgefühle in ihren Augen. Schuldgefühle. In solchen Momenten brauche ich den Baumstamm!
„Ich kann vermuten, was du empfindest. Schuldgefühle, aber wie ich dir schon auf dem Weg hier her sagte, vielleicht musste es einfach so kommen, und schliesslich kannst du auch nichts dafür." Ich ging in die Hocke, nachdem ich den Spiegel aus ihrer Hand genommen und auf die Seite gelegt hatte. 
Avagrace begann zu sprechen. „Ich bin ein Mörder."
„Jetzt rede nicht so albernes Zeugs. Du wärst der letzte Mörder, niemals würdest einen Unschuldigen umbringen", sprach ich ihr einfühlsam zu.
„Habe ich schon bereits."
„O Avagrace. Es war verdammt nochmal nicht deine Schuld. Du bist ein frischer und unerfahrener Atreuses, wie um Gotteswillen kannst du wissen, wie man das kontrolliert? Gar nicht!", versuchte ich ihre klar zu machen und legte meinen Kopf von der einen zur anderen Seite. „Als ich neu war, brach ich in Wohnungen und Häuser ein. Als Dahu war das ziemlich einfach. Ich kotzte die schlafenden ahnungslosen Menschen an. Wenigstens sah mein Erbrochenes richtig schön aus. Glitzerte unglaublich und duftete sanft nach Blumen. Trotzdem war es etwas Schreckliches, das ich ihnen antat. Da Dahu-Erbrochenes für die Ragkims Lebenszeit ist, verteilte ich es im ganzen Land, um meine Familie vor ihnen schützen zu können. Diese Ragkims griffen somit die Schlafenden an, rissen sie in zwei Stücke und nahmen das Glitzer mit. Tausende stürzte ich in den Tod. Ich weiss nicht, wieso ich das tat, aber sehr wahrscheinlich war ich einfach besessen von meinen Kräften." Avagrace hob ihren Blick und musterte mich. Nach kurzem Zögern fügte ich hinzu: „ Aller Anfang ist schwer."
Avagrace schaute mir tief in die Augen. Ihre kastanienbraune Iris wurde durch grüne Spickel verschönert. Bei jedem Blinzeln gingen die dunkeln, geschwungenen Wimpern elegant auf und ab. 
Sie streckte ihre Arme zu mir und umarmte mich.
Ihre Wärme ...

-------

hope you like it:) 

IREM 

(love y'all)

Who are we essentiallyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt