„Ich hasse Mathe." Jungkook lehnte sich seufzend zurück, den Blick auf sein Essen gerichtet, das nicht wirklich appetitlich aussah. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, es zu essen. „Ich hasse Mathe so sehr."
„Erzähl uns etwas neues", meinte Jin und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Ich kenne niemanden, der Mathe mag. Entweder man ist gut darin oder man ist es nicht."
Das war gelogen, aber Jungkook schätzte seine Bemühungen.
„Namjoon mag Mathe", sagte Hoseok darauf, der kurz von seinem Handy aufsah und danach sofort wieder auf den Bildschirm starrte, als hinge sein Leben davon ab. „Er hat mir schon mindestens zwanzig Mal erklärt, warum Mathe ein tolles Fach ist. Außerdem gibt er Nachhilfe, das wisst ihr alle. Er ist so intelligent, dass ich manchmal in sein Gehirn tauchen möchte, nur um zu wissen, wie das so ist."
Jin zischte Jungkook etwas zu, dass er nicht verstand. Es klang wie: „Wechsel das Thema, ich bitte dich."
„Was hat er dir denn noch so erzählt?", fragte Jimin mit einem undefinierbaren Unterton, der Jungkook dazu brachte, sich auf dem Stuhl zu wenden.
Jin warf Jimin einen flehentlichen Blick zu. Bitte nicht, schien dieser zu sagen.
„Er mag gerne Bücher, am liebsten Klassiker oder High-Fantasy Romane, er liebt seine Kaktuspflanze—das ist seine zweite, denn die erste hat er umgebracht—er mag keinen Fisch, weil er als Kind fast an einer Gräte erstickt ist und seine— hey!" Hoseok lief rot an, als Jimin in schallendes Gelächter ausbrach. „Was denn?! Habe ich was verpasst?"
„Hoseok", seufzte Jin. „Wir haben doch gesagt, keine Gespräche über Namjoon während dem Essen." Er drehte sich zu Jimin. „Und du hör auf so zu grinsen."
Hoseok schmollte. Fing er einmal an, von Namjoon zu reden, konnte man ihn schwer stoppen. Es war sein allerliebstes Lieblingsthema.
„Wir essen gerade auch nicht, nur Jungkook knabbert seit einer halben Stunde auf seiner Karotte rum", warf Jimin in den Raum und erntete ein Grunzen von Jungkook. „Und grinsen tu ich auch nicht. Hoseok, wo waren wir?" Er grinste breiter.
„Jungkook, iss dein Gemüse", sagte Jin. „Und Hoseok, kein Wort mehr über Namjoon. Ich liebe dich, aber... nein. Meine Ohren halten das nicht mehr aus."
„Iss du dein Gemüse", konterte Jungkook, bis er auf Jins leeren Teller sah. „Oh."
Hoseok presste demonstrativ die Lippen zusammen und tippte weiter auf seinem Handy rum. „Okay, okay", murmelte er. Es war offensichtlich, dass er mit Namjoon schrieb, Hoseoks Blick wurde dann immer so weich und verliebt—es war kaum mitanzusehen.
Jungkook aß also mit einem angewiderten Gesichtsausdruck die Karotten auf seinem Teller und ließ den Blick durch die Cafeteria gleiten.
Er war noch nicht hier, doch er müsste bald kommen, er müsste bald—
„Hast du noch immer Probleme in Mathe?", kam es besorgt von Jin, der Jungkook mit genauen Augen beobachtete. „Ist es sehr schlimm?"
Manchmal hatte Jungkook das Gefühl, dass Jin durch ihn hindurchsah und ihn einfach verstand.
Es war komisch, manchmal sogar etwas beängstigend, wenn Jin einen Blick auf Jungkook warf und sofort wusste, dass es ihm nicht gut ging. Doch manchmal war es auch gut, sich nicht erklären zu müssen und einfach... verstanden zu werden.
Jin war schon immer derjenige gewesen, der am meisten beobachtete und Sachen mitbekam, die sonst keinem anderen auffielen.
Jungkook knabberte weiter auf seinem Gemüse herum. Er hatte keinen Hunger, würgte das Essen aber trotzdem hinunter. „Ja... ich— alles ist so kompliziert. Ich habe das Gefühl, dass alles viel schwerer geworden ist", seufzte er. Mathe war noch nie seine Stärke gewesen und der Abschluss kam immer näher und er hatte das Gefühl, kaum mehr Zeit zu haben. „Ich bemühe mich wirklich, aber es gibt so viele Dinge, die ich nicht verstehe und... sie hasst mich." Seine Stimme wurde leiser, vorsichtiger. „Sie ist wirklich schrecklich."
„Wer hasst dich?", fragte Jin mit einer Schärfe in der Stimmlage. „Sag's mir und ich klär das!"
„Keiner hasst dich", warf Hoseok in die Gruppe, ohne aufzuschauen. Er tippte laut mit den Fingern am Handy, seine Bewegungen wurden immer schneller. „Das bildest du dir sicher nur ein."
„Sie hasst mich. Die Mathe Lehrerin", flüsterte Jungkook. Sein Körper erschauderte. „Ich schwöre es euch, sie hasst mich!"
„Oh", brummte Jin.
Manchmal, wenn er aufzeigte, konnte er sehen, wie ihre Augen an ihm hängenblieben und sie sich im letzten Moment umentschied. Und wenn er die Antwort nicht wusste, nahm sie ihn plötzlich dran. Warum tat man das?!
„Vielleicht liegt es daran, dass du deine Hausaufgaben nicht machst. Jedes Mal, wenn sie dich fragt, tust du so, als würdest du die Aufgaben suchen, obwohl du weißt, dass du sie nicht hast", lächelte Jimin und seine Augen formten sich zu kleinen Halbmonden. „Wo ist Yoongi heute wieder? Er fehlt schon eine Ewigkeit. Ich vermisse sein bleiches Gesicht", wechselte er das Thema.
Jungkook wusste nicht, was er darauf noch sagen sollte. Also jammerte er weiter: „Sie hasst mich!"
„Yoongi ist Zuhause", antwortete Jin auf Jimins Frage und warf Jungkook einen scharfen Blick zu, als dieser die angeknabberte Karotte zurück auf das Teller legte. „Er holt Aufgaben nach. Jungkook, dein Gemüse!"
Verdammt, Jungkook hatte geglaubt, er konnte damit davonkommen. Grummelnd aß er weiter. Es schmeckte wirklich ekelhaft. Grauenhaft.
„Da hat er aber ganz viel nachzuholen", murmelte Jimin leise. „Ich habe mir extra neue Anmachsprüche rausgesucht, die ich bei ihm testen wollte... Er wird immer so niedlich rot, wenn ich das mache. Wie ein Krebs!"
Jin schüttelte mit einem Augenrollen den Kopf, seine Lippen zeigten jedoch klare Anzeichen eines kleinen Lächelns und auch Jungkook musste schmunzeln—Yoongi wurde tatsächlich immer unnatürlich rot im Gesicht, sobald Jimin ihn ärgerte.
„Ich frage mich warum", murmelte Jin und stütze seinen Kopf auf der Hand ab.
Jungkook hob eine Augenbraue.
„Namjoon sagt, dass er gleich da ist. Sein Lehrer hat ihn noch aufgehalten!", rief Hoseok plötzlich und seine Lippen verzogen sich zu einem verliebten Lächeln, dass sein ganzes Gesicht einnahm.
Alle am Tisch seufzten.
Jimin stöhnte genervt. „Wenn du dein Handy mal weglegen würdest, würde dein Freund vielleicht schneller kommen, weil er dann nicht mehr von deinen zehntausend Nachrichten abgelenkt—"
Ab da hörte Jungkook nicht mehr zu, weil er kam.
Er zog scharf die Luft ein, leise genug, um die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu lenken, während seine Augen jeden Schritt verfolgten, den der Junge machte.
Der Junge mit der Brille.
Kim Taehyung.
Oh.
Oh.
Jungkooks Herz stolperte in seiner Brust.
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All The Words You Never Said [VKOOK]
Fanfic[BEENDET] Der Junge mit der Brille war alles, woran Jungkook denken konnte. Kim Taehyung sprach nicht, er zog sich zurück und um ihn lauerte eine dunkle, wütende Wolke, die Donner und Blitze spuckte, doch Jungkook hatte schon immer etwas für Gewit...