Nach dem Gespräch mit seiner Mutter hatte Jungkook den Vormittag genutzt, um zu lernen. Er wollte Taehyung stolz machen. Er wollte Taehyung zeigen, dass die Folien und seine Bemühungen nicht umsonst waren.
Er lernte so viel, dass er gewisse Aufgaben schon wie automatisch rechnete, es war immer das gleiche Schema. Er wurde besser, desto mehr er lernte. Vor ein paar Monaten hätte er nie gedacht, je eine Matheaufgabe ganz allein richtig lösen zu können. Heute konnte er es. Weil Taehyung ihm half und weil er an sich selbst arbeitete und viel übte.
Und, weil er an sich selbst glaubte.
Gib nicht auf, hatte Taehyung erst gestern zu ihm gesagt. Gestern. Es fühlte sich an, als wäre es bereits eine Woche her, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Gestern war so viel passiert—so viel, dass sein Gehirn nicht wusste, was es mit diesen vielen Informationen tun sollte.
Jungkook hatte Taehyung nicht mehr geschrieben. Er vertraute Taehyung diesmal, dass er kommen würde. Er vertraute ihm.
Und Taehyung kam.
Es war Nachmittag, als es an der Tür klingelte und Jungkook schreckte in seinem Stuhl zusammen. Taehyungs Stuhl war bereits neben ihm und wartete nur darauf, von ihm besetzt zu werden.
Sein Körper kribbelte, als er die Treppen runterstürmte, so schnell wie ein Rennauto.
Aus der Küche schrie seine Mutter: „Nicht so schnell sonst stürzt du wieder so wie letzte Woche! Langsam!"
Er hörte nicht auf sie.
Er öffnete die Tür und—
Blinzelte.
Taehyung blinzelte ihm entgegen. Seine Wangen waren rosig von der Kälte, seine Haare ganz zerzaust vom Wind.
„Hi", sagte Jungkook. „Hallo, hi."
Als Jungkook heute aufgewacht war und Taehyung nicht neben ihm lag, hatte er Angst gehabt, dass sich etwas verändert hatte nach ihrem... Kuss. Dass Taehyung zu einer anderen Person wurde oder er sich plötzlich anders verhielt oder sich anders kleidete—
Es war absurd. Aber so war das bei Ängsten nun mal, da entstanden die unvernünftigsten Gedanken und Ideen und keiner konnte etwas gegen diese Angst tun.
Aber Taehyung sah aus wie immer. Wie Taehyung.
Sein Gesichtsausdruck war so wie immer. Zurückhaltend. Distanziert.
Hätte Jungkook es nicht besser gewusst, dann würde er unsicher werden, doch so sah Taehyung eben aus. Er konnte nichts dafür. Man musste einfach nur unter seine Facetten blicken und schon konnte man mehr als Kälte in ihm sehen. Man fand Wärme und Zuneigung und einen Jungen, der nichts anderes wollte, als... gemocht zu werden. Da war Jungkook sich so sicher wie noch nie.
Jungkook wollte Taehyung ausfragen, wo er wohnte und wie lange er hierher gebraucht hatte, wieso er in der Früh, ohne ein Wort zu sagen, verschwunden war, aber er konnte nicht.
Stattdessen platzte aus ihm heraus: „Du siehst schön aus, Tae."
Eine unangenehme, erdrückende Hitze schoss durch seinen ganzen Körper. Er presste die Lippen zusammen, weil Taehyung ihn noch immer ansah und nichts sagte.
„Ich dachte, deine Eltern kommen diesmal mit?", fragte Jungkook leise.
Taehyung zeigte eine Reaktion, indem er mit dem Kopf schüttelte.
„Hm, okay. Komm schon rein", murmelte Jungkook schnell und der Drang, Taehyung zu umarmen, seine Nasen gegen Taehyungs Schlüsselbein zu stecken und seinen Geruch einzuatmen wurde größer und drängender, aber er traute sich nicht.
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All The Words You Never Said [VKOOK]
Fanfiction[BEENDET] Der Junge mit der Brille war alles, woran Jungkook denken konnte. Kim Taehyung sprach nicht, er zog sich zurück und um ihn lauerte eine dunkle, wütende Wolke, die Donner und Blitze spuckte, doch Jungkook hatte schon immer etwas für Gewit...