Teil 5 [Part 2]

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Kyungsoo war sich sicher, dass er niemals wieder eine andere Person kennenlernen würde, die mit vergleichbar viel Enthusiasmus über eine Skorpionsfliege, oder irgendein anderes Insekt, sprechen könnte als Joohyun. In diesem Moment scrollte sie durch die Fotogalerie auf ihrem iPad und zoomte im Wechsel zwischen dem langen Rüssel, dem eitrigen Oberkörper und dem geschwungenen Stachel der Fliegen hin und her. Jongin, der neben Kyungsoo saß, sah mit jeder Sekunde blasser aus. „Ich glaube, ich muss mich gleich übergeben", flüsterte er. Joohyun, zu sehr in ihrer Ausführung gefangen, schien es nicht zu bemerken.

„Auf alle Fälle", sagte sie schließlich, „wurde diese Fliege nicht als ein Experiment in einem Labor gezüchtet und mit einem Skorpion gekreuzt – auch wenn ich das wirklich gerne gesehen hätte – sondern sieht von Natur aus so aus! Mit dem Stachel produziert das Männchen einen Duft, der Weibchen anlocken soll."

„Zu meinem nächsten Geburtstag werde ich mir wünschen, so einem Tier niemals zu begegnen", fügte Jongin hinzu. Kyungsoo musste ein Lachen hinter seiner Handfläche muffeln.

„Ich habe noch mehr Bilder! Das sind zwei Skorpionsfliegen bei der Paarung und das—"

„Wieso hast du früher nie gesagt, dass du dich für Insekten interessierst?", fiel Jongin ihr ins Wort, wahrscheinlich nur um zu verhindern, dass sie noch näher an die Eier der weiblichen Skorpionsfliege zoomte.

Joohyun ließ ihr iPad sinken. „Ich weiß es nicht. Es ging meistens nur um Fußball." Sie lächelte. „Und über viel mehr haben wir nicht gesprochen. Ich wusste genauso wenig, dass du dich für Geschichte interessierst. Oder dass du tanzt."

Kyungsoo schob seine Übungsblätter zusammen, die sie während des Tutoriums ausgehändigt bekommen hatten. Es war beinahe 15 Uhr. Jongin blickte ebenfalls auf Kyungsoos Handydisplay hinunter und klappte sein dickes Geschichtsbuch zu. „Wir hätten früher anfangen sollen, uns ernsthaft zu unterhalten", sagte er und schob das Buch in seine Umhängetasche. „Ich muss los. Ich hole Seulgi gleich vom Fußball ab. Viel Spaß euch noch."

„Euch auch."

Jongin verließ das Café mit einem leichten Sprung in seinem Gang. Er sah niedlich dabei aus. „Vielleicht hat Jongin recht. Wir hätten viel früher gute Freunde werden können, wenn wir offener gewesen wären."

„Vielleicht." Joohyun lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und ging noch einmal ihre Insektenbilder durch. „Aber er ist ein wirklich guter Kerl."

„Du klingst fast ein wenig traurig darüber. Ist es wegen Seulgi?"

„Ich freue mich für sie. Sehr sogar." Sie sah mit einem geschlagenen Ausdruck auf dem Gesicht von ihrem iPad auf. „Aber es tut trotzdem ein bisschen weh. Dabei waren wir nie zusammen – nicht einmal im Entferntesten."

„So funktioniert das auch nicht", sagte Kyungsoo. Man konnte eine Person auch still und heimlich und aus weiter Ferne lieben und trotzdem Herzschmerz erleiden, wenn aus Entfernung schließlich Unerreichbarkeit wurde. „Aber ihr steht wieder häufiger in Kontakt, nicht wahr?"

„Wir treffen uns ab und an und tauschen Nachrichten aus. Wir sind immer noch Freunde."

„Trotz allem?"

„Sie hat nichts falsch gemacht."

„Das habe ich auch nicht gesagt."

Joohyun atmete laut aus. „Meine Eltern haben mir einen Brief geschrieben. Ich glaube, sie haben endlich realisiert, dass ich meine Nummer geändert habe und auf ihre E-Mails nicht antworten werde. Es ist erschreckend, dass sie meine Adresse kennen."

Die vier Seiten eines PuzzleteilsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt