Teil 1 [Part 1]

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Die vier Seiten eines Puzzleteils


Teil 1


Am Tag ihrer ersten Begegnung prasselten graue Regentropfen gegen die weiten Fensterscheiben des Wohnzimmers. Seine Hosenbeine waren feucht, wo er sie durch die Pfützen auf den Straßen gezogen hatte, und eine schwarze Schmutzkruste hatte sich bereits in den dicken Jeansstoff gefressen.

Er war nass und schmutzig.

Als sich ihre Augen zum ersten Mal trafen, war Kyungsoos einziger Gedanke, dass Byun Baekhyun Dreck in sein Zuhause brachte.

Die warmen Hände seiner Mutter landeten auf seinen Schultern und drückten sie in Ermutigung. „Liebling, das sind Byun Hansun und sein Sohn Baekhyunie."

Ah', dachte Kyungsoo. ‚Das Arschloch, das mit meiner Mutter ausgeht.' In Fleisch und Blut war er Kyungsoo sogar noch mehr zuwider als durch den Schleier der endlosen Erzählungen, wenn seine Mutter nach einer ihrer Verabredungen zu ihm ins Bett stieg und ihm berichtete, in welchem Restaurant Hansun und sie gegessen oder welchen Film sie sich zusammen angesehen hatten.

Ein Jahr lang konnte Kyungsoo sich einbilden, dass seine Mutter mit einem Phantom ausging, aber nun war er hier. Lebendig, atmend, grinsend.

Ew, grinsend.

Und er hatte ein Mini-Phantom angeschleppt. Seinen eigenen, kleinen Tumor. Das hier musste der schlimmste Tag seines Lebens sein. Und das musste etwas bedeuten.

„Kyungsoo." Hansun ging auf ihn zu und drückte ihm eine Schachtel in der Größe eines Schuhkartons in die Arme. Er grinste noch immer. „Ich bin so froh, dich endlich kennenzulernen. Deine Mutter hat mir schon viel von dir erzählt."

Ditto', wollte er sagen. ‚Sie mir auch, Mistkerl.'

„Es freut mich ebenfalls", brachte er über die Lippen. Es klang gar nicht so angestrengt, wie er befürchtet hatte. Vielleicht hatte das viele Üben vor dem Spiegel tatsächlich geholfen.

„Du und Baekhyun habt nur einen Altersunterschied von acht Monaten." Er zog sein Geschwür von einem Sohn an seine Seite, eine Hand locker in seinem Haar. „Ich bin mir sicher, ihr werdet gute Freunde werden."

Baekhyun lächelte. Es war ein fröhliches Lächeln – als würde er sich aufrichtig über diese dumme Zusammenkunft freuen.

Kyungsoos Fingerspitzen gruben sich in was auch immer sich unter der Schicht Geschenkpapier verbarg, dass er in den Armen hielt.

„Wie wäre es, wenn ihr euch in Kyungsoos Zimmer einander bekanntmacht, während wir das Essen vorbereiten? Es wird nicht lange dauern, versprochen", sagte Kyungsoos Mutter.

„Baekhyunie, du kannst Kyungsoo dabei helfen, sein Geschenk auszupacken."

Baekhyun nickte ernst in Anbetracht einer Aufgabe und wandte sich erwartungsvoll zu Kyungsoo um.

Es verlangte Kyungsoo so einiges ab zu nicken und zu lächeln, bevor er sich mechanisch umdrehte und bei jedem Schritt durch die Wohnung daran dachte, wie sich Baekhyuns dreckige Hosenbeine durch sein Zuhause zogen. Wie er seine ekligen, schmutzigen Spuren hinterließ.

„Du hast wirklich ein großes Zimmer!", bemerkte Baekhyun, als er sich einmal um die eigene Achse gedreht hatte, wie eine Cartoon-Figur. „Hast du all diese Bücher wirklich gelesen? Wo sind deine Comics?"

Kyungsoo lehnte sein Gewicht gegen die Tür, bis sie mit einem leisen Klicken ins Schloss fiel. Er ließ das lächerliche Geschenk mit dem lächerlich bunten Geschenkpapier aus den Armen fallen.

Die vier Seiten eines PuzzleteilsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt