Die vier Seiten eines Puzzleteils

Teil 3

Teil 3

Als Kyungsoo zuletzt umgezogen war, hatte er das kleine Zimmer, dass er sich mit Baekhyun geteilt hatte, für ein größeres für sich allein eingetauscht. Der neue Umzug brachte ihn in ein neues Stadtteil von Seoul, an eine neue Schule und zurück in ein Zimmer, dass er sich mit jemandem teilen musste.

Der Umzug und der Wechsel in eine Pflegefamilie waren so rasant abgelaufen, dass er kaum Informationen über die Leute hatte, die dazu bereit gewesen waren, ihn aufzunehmen. Das mochte auch daran liegen, weil Kyungsoo kaum zugehört hatte, wenn Frau Kwang mit ihm darüber gesprochen hatte. Der Wille fortzukommen und die Trauer um seine Mutter waren alles, was ihm von der Zeit nach dem Umfall noch wirklich im Gedächtnis geblieben waren. Das und... Baekhyun. Seine Gedanken schafften es immer wieder, den Bogen zu ihm zurückzuschlagen.

Einen Monat nach dem Umzug konnte Kyungsoo die Gelegenheiten, wenn er derjenige war, der eine Konversation mit einem Mitglied seiner Pflegefamilie begonnen hatte, noch immer an einer Hand abzählen. Vielleicht sogar nur an drei Fingern.

Kyungsoo war in eine fünfköpfige Familie aufgenommen worden, bestehend aus Herr und Frau Kim, die gemeinsam eine Anwaltskanzlei betrieben, und drei weiteren Pflegekindern, wobei Sooyoung und Yeri bereits seit dem Kindergartenalter bei Herr und Frau Kim lebten und sie auch ohne zu zögern mit Mama und Papa ansprachen. Junmyeon, der erst vor zwei Jahren dazugekommen war und mit dem Kyungsoo sich ein Zimmer teilte, bildete ein größeres Mysterium für Kyungsoo, weil er nicht wusste, aus welchem Grund er bei den Kims war.

Die Kims selbst waren gute Leute. Beide waren bereits über 50 Jahre alt und dem Anschein nach kinderlos verheiratet. Aus irgendeinem Grund hatten sie sich mit der Aufgabe betraut, Kinder, aber auch Jugendliche aufzunehmen und großzuziehen... Vielleicht, um das ganze Geld irgendwo hineinzuinvestieren, dass sie verdienten, aber nicht anderweitig ausgaben. Kyungsoo wusste von sechs weiteren Pflegekindern, die von den Kims großgezogen wurden und heute ihr eigenes Leben führten und eigene Familien gegründet hatten. Yeri hatte ihm beim Abendessen alles über die anderen sechs erzählt und auch, dass sie zu den Festtagen alle vorbeikamen, aber Kyungsoo hatte wie üblich nur mit halbem Ohr zugehört und unterdessen in seinem Essen gestochert.

Herr und Frau Kim hatten sein Verhalten ausnahmslos hingenommen. Sie zeigten ihm denselben warmen Umgangston wie den anderen und niemand hatte ihn bisher dazu gedrängt, von seiner Vergangenheit zu erzählen. Selbst dann nicht, wenn Kyungsoo doch versehentlich zu früh einschlief und nachts mit einem Schrei von einem Albtraum erwachte. In Nächten wie diesen stand Frau Kim bald darauf geduldig und stillschweigend mit einer Tasse heißer Honigmilch vor seinem Bett und lächelte verständnisvoll.

Kyungsoo war dankbar für ihre Freundlichkeit, aber gleichzeitig erinnerte sie ihn an seine Mutter und er wollte wirklich alles andere, als an sie erinnert zu werden. Die Situation war bereits schwer genug, auch ohne ihr Lächeln in den Gesichtern aller Frauen zu sehen, die in etwa ihrem Alter entsprachen.

„Du bist früh dran", sagte Junmyeon, als Kyungsoo an der Küchentür vorüberging, sein Rucksack in der Hand hinunterbaumelnd. Er blieb stehen und wandte sich um, wo Junmyeon mit einer Tasse Tee an der Küchenzeile lehnte. „Du arbeitest heute nicht?"

Kyungsoo schüttelte den Kopf. Kurz nachdem er bei den Kims eingezogen war, hatte Kyungsoo ein Schild in einem Supermarktfenster gesehen, dass nach Mitarbeitern suchte. Er wurde noch am selben Tag eingestellt.

„Wie war die Schule?", fragte Junmyeon als nächstes. Yeri und Sooyoung gingen gemeinsam auf die Mädchenschule, die ein paar U-Bahnstationen entfernt war, aber Kyungsoo war auf eine andere Schule gekommen als Junmyeon, der dieses Jahr bereits seinen Abschluss machte.