Simpel und doch schön

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Einige Stunden später wurde mir klar, dass ich mir den Kopf beim Aufprall wahrscheinlich doch heftiger angeschlagen haben musste, als vermutet, denn mir fiel auf, dass ich vollkommen vergessen hatte sie nach ihrem Namen zu fragen. „Wie kann man sowas denn bitte vergessen?!“ fragte ich mich selbst immer wieder und überlegte, wie ich sie nennen sollte, wenn ich sie anrief. Schließlich entschied ich mich, der Sache erstmal aus dem Weg zu gehen bei unserem Telefonat. Aber bis ich sie überhaupt anrufen würde, gab es noch weit aus wichtigere Fragen, die ich mir stellen musste. Da wäre erstmal die Frage, wo wir überhaupt hingehen würden, wenn wir uns trafen und dann auch noch der richtige Zeitpunkt für den Anruf, den ich erwischen musste. Zuhause angekommen setzte ich mich an meinen Schreibtisch, der gleichzeitig auch mein Arbeitsplatz war und begann das Internet nach guten Ideen für ein erstes Date zu durchforsten. Wie sich schnell herausstellt, war ich nicht der Erste, der das Internet um Rat fragte, jedoch waren die Antworten enttäuschend einfallslos. Nach längerem Suchen wurde mir klar, dass ich mir wohl doch weiterhin selbst den Kopf darüber zerbrechen musste, da ich einfach nicht fündig wurde. Die besten Ideen hatte ich meist während ich Videos drehte oder schnitt und so beschloss ich mich an die Arbeit zu machen.

Nach mehreren Stunden produktivster Arbeit (und das mag bei mir schon was heißen), hatte ich endlich einen Plan für unser erstes Date. Ich wollte mit ihr in den Zoo gehen. Ja, ich weiß, das klingt jetzt nicht so, als hätte es wirklich lange gedauert, aber ich war nicht mehr im Zoo, seit ich ein kleiner Junge war, weswegen mir der Gedanke wirklich erst sehr spät kam. Eigentlich war das der perfekte Ort um sich kennenzulernen. Ich meine, überall sind Tiere verschiedenster Art und man kann sich gut unterhalten ohne peinlichem Schweigen ausgesetzt zu sein, denn es gibt immer ein neues Thema, wenn man zu neuen Tieren kommt. Natürlich wollte ich mich dann auch von meiner besten Seite zeigen, weswegen ich mich gleich mal über verschiedene Tierarten informierte, die ich als interessant erachtete. Das alles machte mir mit der Zeit richtig Spaß und ich wollte gar nicht wirklich aufhören, aber als ich irgendwann auf mein Handy schaute, bemerkte ich, dass es schon ziemlich spät, oder besser gesagt, schon ziemlich früh war. „Schon sechs Uhr morgens, shit. Ich sollte langsam schlafen gehen, wenn ich heute noch was auf die Reihe kriegen will..“. Dachte ich mir noch, bevor ich mich erneut dem Computer zuwandte um ihn auszuschalten. Tja, aber das war wohl nichts. Eins führte wieder zum anderen und schließlich schlief ich einfach an meinem Arbeitsplatz ein.

Als ich wieder aufwachte, war es bereits weit nach Mittag und die Nachmittagssonne fiel mir durch das geschlossene Fenster neben meines Schreibtisches mitten ins Gesicht. Ich streckte mich, wobei ich jämmerliche quieck-Geräusche von mir gab, die stark an ein gequältes Meerschweinchen erinnerten und als ich mir der Zeit bewusst wurde, stand ich auf und schleppte mich in die Küche, in der auch Marvin gerade tätig war. Ich wunderte mich schon lange nicht mehr, dass er immer da war, wenn ich aufstand. Er hatte den Schlüssel meiner Wohnung und wohnte schon so gut wie hier seit ich eingezogen war. „Na, Langschläfer!“, begrüßte er mich grinsend und drückte mir eine Tasse Kaffee in die Hand, die er anscheinend extra für mich bereitgestellt hatte. Er kannte mich wirklich verdammt gut, wenn er sogar schon wusste, wann ich nach einer sehr langen Nacht wieder anzutreffen war und meinen Kaffee brauchte. Ich nahm die Tasse dankend an und nach ein paar schlucken fühlte ich mich schon ein wenig wacher. „Hast mal wieder die ganze Nacht an deinen Videos gesessen, hm?“, ergänzte Marvin noch, nachdem ich mich mit Teller und Brötchen an den großen Küchentisch gesetzt hatte. „Ja, ziemlich lange.. aber es hat sich echt gelohnt! Ich hab 'ne Menge vorproduziert und außerdem eine Idee wo ich mit der Kleinen von gestern hingehe“, antwortete ich, nachdem ich endlich ganz wach war und begann mir mein Brötchen aufzuschneiden sowie es mit Marmelade zu beschmieren. „Ahaa, daher weht der Wind! Na, dann schieß mal los..“, meinte er grinsend und setzte sich mir mit erwartungsvollem Blick gegenüber, als hätte ich gerade eine Andeutung für einen super geheimen Masterplan zur Eroberung der Weltherrschaft gemacht. Lachend erläuterte ich ihm, was ich für das Date geplant hatte und nachdem ich fertig war, sah ich ihn neugierig an „Und, was meinst du? Gut oder gut?“. „Du willst mit ihr in den Zoo...? Junge.. und daran hast du die ganze Nacht gesessen?“, war seine enttäuschende Reaktion darauf. Ich biss herzhaft in mein Brötchen bevor ich ihm schließlich mit: „Hey, ich find die Idee super“ antwortete und das Thema damit für mich abschloss. „Naja, wirst ja sehen wie sie die Idee findet, wenn du sie nachher anrufst“, meinte er noch und stand dann wieder auf um sich einen Tee zu machen. Nachdem ich mit meinem Brötchen fertig war und auch den letzten Schluck meines Kaffees ausgetrunken hatte, stellte ich mein Geschirr in den Spüler und kehrte zurück in mein Zimmer, wo ich mir erstmal frische Sachen anzog. Ich sah mein Handy auf dem Schreibtisch liegen, auf dem ich es zurückgelassen hatte. Nach wenigen Sekunden des Zögerns nahm ich es mir und schmiss mich auf mein Bett. Schnell suchte ich ihre Nummer raus, da ich angst hatte zu zögern, wenn ich zu lange brauchte und als ich sie gefunden hatte, drückte ich ohne weiter darüber nachzudenken den grünen Hörer auf meinem Display. Mein Herz begann zu rasen, als mir bewusst wurde, was ich gerade tat. Ich versuchte in der Zeit, in der sie noch nicht abnahm, ruhig zu atmen und nicht zu vergessen, was genau ich sagen wollte. Ich durfte dieses Gespräch auf keinen Fall peinlich werden lassen indem ich stotterte oder mich komplett verhaspelte. Ich ging nochmal schnell meine Idee im Kopf durch, doch bevor ich mir meine Sätze richtig zurechtlegen konnte, hörte ich schon ihre weiche Stimme am anderen Ende des Hörers „Hallo? Wie kann ich ihnen helfen?“ meldete sie sich freundlich. Eine eher ungewöhnliche Begrüßung, wie ich fand, doch ich ging nicht darauf ein, weil ich viel zu nervös war. „Ehm, hey, hier ist Sky, der Junge der sich gestern vor dir richtig schön blamiert hat, haha“ begann ich und hätte mich in diesem Moment am liebsten selbst geohrfeigt. Was war das denn bitte für eine Begrüßung?! Das hatte ich doch viel besser geplant, aber wie immer in solchen Situationen beschloss mein Hirn einfach mal alles anders zu machen, toll, danke auch. Ich war schon wieder kurz davor einfach aufzulegen, als ich hörte, wie sie lachte. Fand sie das tatsächlich witzig oder zumindest nicht ganz so bescheuert, wie ich dachte? Da hatte ich ja nochmal Glück gehabt! Ehe ich noch etwas sagen konnte antwortete sie schon. „Hey, freut mich dass du anrufst! Sorry für die komische Begrüßung. Das hier ist auch mein Arbeitshandy deswegen muss ich mit Kunden rechnen sobald eine unbekannte Nummer anruft“ erklärte sie ihr Verhalten gleich noch, was für mich sehr einleuchtend klang. „Ach das ist doch kein Problem, ist verständlich und sehr professionell! Also, ich wollte dich fragen, ob du morgen mit mir ausgehen würdest“ fiel ich gleich mit der Tür ins Haus um nicht wieder zu zögern oder es zu verpatzen. Vielleicht war das etwas zu schnell, aber anders konnte ich es einfach nicht. Ich war schlecht in solchen Dingen und vor allem wenn ich mit jemandem telefonierte den ich nicht gut kannte war es schwer mich richtig zu verhalten. Doch zum Glück schien sie das überhaupt nicht zu stören, denn ohne lange zu überlegen antwortete sie „Ja, sehr gerne! Das würde mich sehr freuen“. Ein breites Grinsen durchzog mein Gesicht, als ich hörte, wie glücklich sie klang. Mein Herz, welches schon die ganze Zeit schnell schlug, machte einen kleinen Sprung. „Super! Treffen wir uns 14 Uhr am Bahnhof? Ist das okay?“ fragte ich nach und war mir sicher, dass sie mein Grinsen hören konnte. „Ehm, ja klar, das passt sehr gut! Aber, sag mal, wo gehen wir denn hin??“ fragte sie neugierig nach. „Das wird eine Überraschung, also lass dich überraschen!“ erwiderte ich selbstsicher, was mich ziemlich verblüffte, denn normalerweise war ich nach so kurzer Zeit nicht so sicher in dem, was ich sagte. Sie kicherte, was sich unglaublich niedlich anhörte. Dann meinte sie „Na gut, dann bin ich mal sehr gespannt. Ich freue mich darauf!“. „Hehe, ja ich mich auch. Gut, dann bis morgen würde ich sagen.“ beschloss ich das Gespräch zu beenden, ehe ich es vermasseln konnte. „Ja, bis morgen. 14 Uhr am Bahnhof!“ wiederholte sie nochmal glücklich, was ich vorgeschlagen hatte, bevor sie sich dann verabschiedete und wir beide auflegten. Ganz ehrlich, ich hätte Regenbögen kotzen können, so glücklich war ich in diesem Moment. Schon seit langer Zeit war ich nicht mehr so gut drauf, wie in diesem Augenblick. Ich hatte ein Date, ein richtiges Date mit einem unglaublich schönen und anscheinend auch sehr netten Mädchen. Wie lange war es jetzt schon her, dass ich mich überhaupt mit jemand Neuem getroffen hatte? Ich konnte mich kaum noch daran erinnern.

In times I need youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt