five

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Julian

Hochmotiviert stand ich am nächsten Morgen auf. Endlich wieder Training.
Auch das schlechte Wetter konnte mich nicht aufhalten. Dass es grau, trüb und regnerisch war, störte mich nicht. Normalerweise zog es mich immer dermaßen runter.
Heute könnte alles sein und ich wäre trotzdem immer noch die glücklichste Person auf der Welt.
Endlich wieder Training...


Durch das Einsetzen meines Klingeltons würde ich mächtig erschreckt, hatte ich doch völlig vergessen,dass Kai und ich heute morgen telefonieren wollten.
Ich griff nach meinem Handy und nahm den Anruf an, nur um einen völlig verschlafenen, unfassbar niedlich aussehenden, im Bett liegenden Kai zu sehen.
Seine völlig zerzausten Locken standen in alle Richtungen ab und seine grünen Augen waren ganz klein, als wäre er vor wenigen Minuten erst aufgewacht.

"Morgen" nuschelte er müde in sein Kissen.
"Guten Morgen,mein Schatz", lächelte ich, "Was ist denn mit dir los?Sonst sehe ich so aus und du bist derjenige,der mich auslacht und ärgert."
Ich bekam lediglich eine murrendes "mhh" zurück.
"Hab die halbe Nacht nicht geschlafen", murmelte er und fuhr sich durch seine lockigen Haare.
"Warum? Habt ihr ne illegale Team-Party gefeiert oder was?" Ich musste schmunzeln bei dem Gedanken an einen komplett besoffenen Kai, der sich dann am nächsten Tag den Anschiss beim Trainer abholen muss, weil er verkatert ins Training gekommen ist.
So fies es vielleicht klang; ich konnte es mir irgendwie vorstellen.
Keine Ahnung, warum.

Doch Kai schüttelte den Kopf.
"Hab schlecht geschlafen", erklärte er undeutlich nuschelnd,"Albträume."
"Oh" Sofort begann ich, mir Sorgen um ihn zu machen. Ich wusste nicht warum, immerhin waren Albträume eigentlich vollkommen normal. Jeder hatte sie hin und wieder mal.
Aber trotzdem tat es mir auf Anhieb leid, solche Witze gemacht und ihn nicht ernst genommen zu haben.
"Was hast du geträumt?", fragte ich besorgt nach.
"Ach nicht so wichtig ", winkte er ab," Ich trink jetzt zwei Tassen Kaffee und dann geht das schon. Sag du mir lieber, wann du heute Training hast."
"Um eins"
Er versuchte abzulenken. Das tat er immer, wenn er nicht über ein Thema sprechen wollte.
Diesmal beließ ich es auch dabei. Normalerweise bohrte ich immer solange nach, bis er mir erzählte, was ihn bedrückte, aber ich wollte nicht schon wieder Streit provozieren.
Vielleicht war es ja auch gar nicht so tragisch, wie mein Bauchgefühl mir sagte.

Freudig vor mich hin pfeifend schlenderte ich vom Parkplatz in die Kabine, wo ich von meinen Kollegen empfangen wurde.
"Schön, dass du wieder dabei bist ,Julian", hieß auch Marco, unser Trainer, mich am Anfang der Einheit willkommen," Du machst dann alles bis auf ein paar Sachen mit, okay? Das ist mir sonst zu gefährlich, Markus hat das auch bestätigt. "
Ich nickte brav, schließlich wollte auch ich nichts riskieren.
Wir begannen ganz easy mit Aufwärmen und einigen Sprints mit Zuggewichten, bei denen ich pausieren musste. Ehrlich gesagt war ich nicht ganz böse drum, meiner Meinung nach gibt es nichts Schlimmeres als diese grässlichen Zuggewichte.
Zum Ende hin spielten wir noch ein paar Trainingsspiele und ich hatte wirklich Spaß, auch wenn ich schwitzte wie ein Wasserfall.

"So Männer, wir sind am Ende für heute. Morgen treffen wir uns um elf Uhr . Der Fokus wird auf Krafttraining liegen, wir treffen uns also erstmal im Kraftraum, alles klar?" , erzählte der Trainer uns von seinen Plänen für morgen.
Danach verabschiedeten wir uns und gingen in Richtung Umkleide, um uns umzuziehen.
"Jule?", hörte ich Marco hinter mir fragen," hast du vielleicht nachher noch kurz Zeit?"
"Ja klar, ist alles gut?", fragte ich nach. Marco war mir das ganze Training schon komisch aufgefallen. Er war nicht nur unkonzentriert, sondern hatte auch Augenringe, als hätte er seit drei Nächten nicht geschlafen.
"Ja...ich- ..also ich brauche deinen Rat", stotterte er und biss sich auf die Lippe.
"Willst du gleich mit zu mir kommen?", fragte ich nach, nachdem ich eine Hand auf seine Schulter gelegt hatte.
Er stimmte zu und so machten wir uns auf den Weg zu mir.
"Setz dich, willst du was trinken?"
"Ein Wasser bitte", entgegnete er und ich machte mich auf den Weg in die offenen Küche, um für uns beide Wasser zu holen.
"Also wo drückt der Schuh?", fragte ich, während ich ihm sein Wasser reichte.
Marco rieb sich durch das Gesicht. Ihm schien es schwer zu fallen, mir von seinen Problemen zu erzählen.
"Ich..." Er zögerte.
"Scarlett und ich haben im Moment einfach....wir sind "
Aufmerksam hörte ich ihm zu und unterbrach ihn nicht.
"Wir streiten uns in letzter Zeit öfter wegen Kleinigkeiten. In den letzten zwei Wochen habe ich auf der Couch geschlafen.Und heute morgen kurz vor dem Training da.....da hat es richtig gekracht. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll mit uns. Mit der Kleinen. Ich habe keine Ahnung, Jule."
Mittlerweile liefen Tränen über seine roten Wangen und er stützte seinen Kopf in den Händen.
Mitleidig sag ich ihn an. Sowas wünschte ich ihm nicht, generell wünschte ich es niemandem, denn Beziehungsstreit ist so ziemlich das Schlimmste,was einem passieren konnte abgesehen von Extremfällen, aber Marco wünschte ich es noch zehnmal weniger.
Er und Scarlett waren eigentlich immer ein Herz und eine Seele gewesen und mir war auch nicht aufgefallen, dass Marco sich in den letzten Tagen oder Wochen merklich verändert hatte.
War das wirklich so oder war ich zu sehr mit meinem eigenen Kram beschäftigt gewesen, um es zum merken?

"Hey", ich legte eine Hand auf seine Schulter," Das wird schon wieder, da bin ich mir ganz sicher. Vielleicht müsst ihr mal ganz in Ruhe miteinander reden., hmm?"
Okay Jule, eine schlechtere Antwort hättest du nicht geben können, du Vollidiot...
Ironisch lachte er auf." Was meinst du wie oft wir das schon gemacht haben, das hilft nicht", widersprach er niedergeschlagen.
"Oh man, ihr tut mir echt leid. Das habt ihr nicht verdient", seufzte ich nachdenklich.
Ehrlich gesagt wusste ich auch keinen Rat, auch wenn ich es mir wünschte.
"Das hilft mir auch nicht weiter."
"Ich weiß", sagte ich,"Aber was anderes als dass ihr unbedingt miteinander sprechen muss, kann ich dir auch nicht raten."
"Ich weiß, aber immer wenn wir sprechen wollen, kommt entweder die Kleine dazwischen oder wir sind eh schon gereizt, weil wir beide so viel Stress hatten", klagte er weiter.
"Wir wärs wenn ihr die Kleine mal bei Oma und Opa abliefert und dann in Ruhe miteinander sprecht und ein, zwei Tage zu genießen.", präsentierte ich meinem nächsten Vorschlag, hatte aber nicht viel Hoffnung. Sicherlich hatten die beiden auch schon mal miteinander gesprochen, wenn ihre Tochter nicht da war, doch anscheinend hatte ich mich getäuscht, denn Marco nickte hoffnungsvoll.
 "Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich frage gleich mal meine Eltern, wann sie Zeit haben. Dann haben wir mal wieder mehr Zeit für uns.Danke Juli. Da hätten wir echt auch selbst drauf kommen können."
Er stand auf und umarmte mich dankbar.
"Immer gerne, du hilfst mir ja auch immer."
"Wie geht's deinem Herzallerliebsten denn so? Ihr habt heute doch bestimmt schon telefoniert?", fragte er nach und man merkte, dass es ihm schon besser ging. 
Hoffentlich würde das auch so bleiben....

"Ja dem geht es ganz gut", antwortete ich, entschied mich, nicht zu erwähnen, dass ich mir etwas Sorgen um ihn machte,nach dem was er mir heute morgen berichtet hatte.
"Wann hat er nochmal sein nächstes Spiel?", fragte er weiter.
"Morgen Abend. Um sieben glaube ich."
"Guckst du?"
Empört schaute ich ihn an.
" Natürlich ,was denkst du denn?"
Marco lachte.
"Ja sorry, hätte ja sein können,dass du was vorhast."
"Was Wichtigeres als Kai beim Spielen zu zugucken?", fragte ich scherzhaft.
"Jajaja, sorry", lachte nun auch Marco.
"Ich will dann mal los. Danke für deinen Rat",verabschiedete er sich.
"Tschau Marco und sei pünktlich morgen beim Training ", gab ich mit Schmunzeln zurück.
Er zog eine Grimasse und verließ mein Haus.

Vor mich hin summend bereitete ich mir also Essen zu und aß es anschließend bei einer Folge der Serie, die ich am Wochenende angefangen hatte.
 Ja ich wusste,dass man nicht vor Bildschirmen essen sollte,aber diese schlechte Angewohnheit werde ich wohl nie loswerden. Kai vertrat fest die Meinung, dass es ungesund war und schüttelte deshalb immer unverständnisvoll den Kopf,wenn er mich dabei beobachtete.
Und schon wieder schweiften meine Gedanken zu meinem Freund hab, weshalb mir wieder einmal bewusst wurde, wie sehr ich ihn vermisste.
Vielleicht sollte ich ihn heute Abend noch mal anrufen..
Zum einen um ihn zu sehen und zu hören und zum anderen wollte ich noch genauer wissen, was es mit seinen Albträumen auf sich hat.
Irgendwie ließen die mich nämlich nicht los.
Warum auch immer...

Love of my life   Brandt×HavertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt