Kai
Mehr schlafend als wach saß ich nach dem Telefonat mit Jule am Küchentisch und trank
meine dritte Tasse Kaffee. Eigentlich hasste ich dieses Zeug, aber es war heute wohl meine einzige Rettung, wenn ich halbwegs lebend durch den Tag kommen wollte.
Die Nacht war einfach der Horror. Ein Albtraum nach dem anderen und in jedem starb Jule. Jedes Mal auf eine andere Art und Weise. Immer musste ich zuschauen, konnte aber nichts tun. Von Traum zu Traum wurde es immer grausamer und brutaler.
Ich konnte den Gedanken daran, dass einer dieser Träume wahr werden könnte, einfach nicht ertragen.
Jedes Mal bin ich schweißgebadet aufgewacht, bin durch das Haus gegeistert, weil ich so aufgewühlt war und habe mich irgendwann wieder schlafen gelegt, nur um kurze Zeit später wieder aufzuwachen und die selbe Tortur nochmal durchzumachen.
Insgesamt habe ich wenn es hochkommt vielleicht drei Stunden geschlafen.
Und das auch nicht wirklich erholsam; immer wieder war da Jules leidendes Gesicht vor mir.
Aber es nützte ja nichts. Ich musste ins Training, sonst würde ich morgen nicht spielen dürfen.
Oh Gott; wie sollte ich den Flug nachher überstehen?
Meine total überdrehten Teamkollegen werden nicht zulassen,dass ich während des Fluges auch nur eine Sekunde schlafe.
Obwohl; vielleicht war das auch ganz gut, dann würden wenigstens diese bescheuerten Träume keine Chance mehr bekommen, mich in den Wahnsinn zu treiben.Mir war klar, dass Jule sich jetzt Sorgen um mich machte; ich hätte ihm nichts davon erzählen dürfen. Aber das Problem ist, dass er sofort merkt, wenn etwas mit mir nicht stimmt und dann auch nicht locker lässt. Mich hatte es mehr als nur gewundert, dass er heute morgen nicht weiter nachgefragt hatte sondern es einfach auf sich hatte beruhen lassen.Das war so gar nicht seine Art. Heute war ich allerdings nicht sonderlich böse drum, hatte es mir doch einiges erspart.
Aber ich wusste auch, dass das Thema noch nicht gegessen war. Beim nächsten Telefonat oder spätestens beim nächsten richtigen Treffen würde er solange nachfragen und nerven, bis ich ihm alles erzählte.
Nur was sollte ich ihm über die Träume erzählen?
Dass sie mir Angst machten?
Dass ich sie regelmäßig hatte nur noch nie so schlimm?
Dass ich ihm über ein halbes Jahr nichts davon erzählt hatte?
Das würde Ärger geben, das wusste ich jetzt schon; und das wahrscheinlich auch völlig zurecht.
Nachdem ich mich von meinen Gedanken gelöst hatte, machte ich mich fürs Training fertig und fuhr zum Trainingsgelände.
Zu meinem Glück unfallfrei, was mich in meinem aktuellen Zustand wunderte.
Lautes Stimmengewirr schlug mir entgegen, als ich die Kabine betrat.
Die einen unterhielten sich über das Spiel, die anderen über ihre Beziehungen und wieder andere lachten über unlustige Witze.
"Hey, wie siehst du denn aus?", fragte Ben mich belustigt und zog damit die Aufmerksamkeit der Mannschaft auf mich.
Alle sahen mich an und ich blickte beschämt nach unten.
Sie sollten nicht meine Augenringe und mein blasses Gesicht sehen, die auf meine miserable Nacht hindeuteten.
"Eieiei, was hast du denn gemacht?", fragte nun auch Timo.
"Erzähl ich dir später", nuschelte ich, während ich zu meinem Platz ging und mich umzog.
Daraufhin wendeten alle ihre Blicke ab und unterhielten sich weiter.
Nur Timos besorgter Blick blieb auf mir hängen.
Es nervte mich zwar, aber ich versuchte es zu ignorieren.
"Komm lass uns herausgehen", forderte Timo mich auf und legte seine Hand auf meine Schulter.
Eigentlich wollte ich nicht, wollte lieber meine Ruhe haben, aber gegen Timo kam ich nicht an; unmöglich.Auf dem Trainingsplatz angekommen begannen wir uns wie immer aufzuwärmen, bevor Thomas uns erklärte, was wir heute machen würden.
Ich quälte mich also durch das Training, wollte unbedingt mit dabei sein, wenn wir gegen Liverpool spielten. Doch gerade bezweifelte ich, dass Thomas mich mitnehmen würde.
Immer wieder schaute er mit kritischem und skeptischen Blick zu mir und schüttelte dann nahezu enttäuscht den Kopf.
Ich an seiner Stelle würde es wahrscheinlich nicht anders machen.
Mein Gesicht ähnelte heute auch eher einem Werbeplakat für den nächsten Horrorfilm.
Mehrmals musste ich eine kurze Pause machen und war heilfroh, als Thomas das Training beendete.
Froher als froh..."Kai, kommst du mal bitte?", rief der Trainer mich zu sich.
Mir war gleich klar, worüber er mit mir sprechen wollte.
Mit hängenden Schultern schleppte ich mich die letzten Meter zu ihm.
Konnte dieser Tag noch schlimmer werden?
"Ja?", fragte ich, so als wüsste ich nichts.
"Kai, was ist los mit dir?", kam er direkt zum Punkt und schaute mich sorgenvoll an," Du warst so unkonzentriert heute."
"Nichts...ich habe einfach schlecht geschlafen,wirklich. Ich kann morgen spielen."
"Du weißt, dass es mir darum gerade nicht geht. Ich freue mich,wenn du spielen kannst, aber ich will nicht, dass du deine Gesundheit dafür aufs Spiel setzt."
"Ist mir schon klar, aber es geht mir gut. Ich schlafe auf dem Flug einfach ein bisschen und dann geht das schon,versprochen", beteuerte ich weiter.
Ich wollte unbedingt spielen. Ich wollte Jule stolz machen; und mich selbst.
"Na gut, aber ich will,dass du sofort zu mir kommst, wenn du dich nicht fit genug fühlst,klar", stellte Thomas seine Bedingung.
Er klang nicht ganz überzeugt, weshalb ich überrascht davon war, dass er mir gerade inoffiziell verraten hatte, dass ich spielen würde.
Ich nickte brav, verabschiedete mich und machte mich auf den Weg in die Kabine.
Die meisten waren schon unter der Dusche verschwunden, was Timo die Möglichkeit gab nahezu ungestört mit mir reden zu können.
Kann heute nicht wenigstens eine Sache gut für mich laufen?
Eine einzige? Bitte?
"Also, was ist los? Und bitte sofort die Wahrheit", fragte er leise nach.
Mittlerweile kannte er mich gut; ein bisschen zu gut, wie ich finde.
"Nichts", wog ich ab," Ich habe einfach schlechte geschlafen. Albträume und so."
"Aha und worum ging es in deinen Albträumen?", fragte er weiter.
Wäre ja auch zu einfach gewesen.
"Timo, ich...", versuchte ich ihn abzuwiegeln, blieb aber erfolglos.
"Was.hast.du.geträumt?", wiederholte er seine Frage eindringlich.
"Timo, müssen wir das jetzt besprechen?"
"Ja müssen wir."
Auf einmal stand er auf , nahm unsere Taschen und zog mich aus der Kabine in sein Auto.
"Also?", er blickte mich herausfordernd an.
Sein Blick verriet mir,dass ich aus dieser Nummer nicht mehr heraus kommen würde.
"Behältst du es für dich?", fragte ich ihn unsicher. Wenn er es Jule erzählen würde, wäre das mein Untergang.
"Klaro."
"Ich habe von Jule geträumt. Also dass er stirbt. Immer ist er auf eine schlimmere Art gestorben und ich konnte absolut nichts dagegen tun."
"Wie lange hast du die Albträume schon?", bohrte Timo weiter nach.
"Äh seit gestern Nacht?", antwortete ich gespielt irritiert. Er sollte nicht wissen, dass ich sie schon mehr als sechs Monate hatte.
Er würde es Jule erzählen und das würde meinen Untergang bedeuten.
Timo verdrehte die Augen.
" Kannst du mich vielleicht einmal nicht anlügen?"
Fuck man. Kannte er mich so gut?
Oder war ich einfach ein miserabler Lügner?
Oder beides?
"Kannst du mich nicht einmal in Ruhe lassen?!", entgegnete ich gereizt und wollte aussteigen, aber Timo war schneller und verriegelte die Autotüren. Genervt stöhnte ich auf und ließ mich in den Sitz zurückfallen.
"Keine Ahnung, ein paar Monate halt", antwortete ich genervt auf seine Frage.
"Und lass mich raten: Jule weiß nichts davon?"
"Nein und das soll bitte auch so bleiben.Wehe du erzählst ihm auch nur ein Sterbenswörtchen." Langsam wurde ich sauer. Das ging ihn einfach nichts an.
Schön und gut, dass er sich Sorgen um mich machte, aber das war wirklich etwas, das nur mich etwas anging.
Das war zumindest meine Meinung dazu."Kai, du musst ihm davon erzählen", bat Timo mich mit Nachdruck.
"Warum sollte ich? Es geht euch beide nichts an. Mach doch nicht so ein Drama darum. Jeder hat mal Albträume. ", fauchte ich zurück.
"Es geht uns sehr wohl etwas an. Mich,weil ich denn bester Freund bin und Jule, weil er dein fester Freund ist. Du zerstörst nicht nur dich selbst, sondern auch eure Beziehung, wenn du ihm solche Sachen vorenthältst. Willst du das?"
Resigniert schüttelte ich den Kopf.
"Na also. Dann rufst du ihn heute an , bevor wir losfliegen und erklärst ihm das Ganze", schlug er vor.
Ich nickte wieder. Was anderes würde mir ja auch nicht übrig bleiben. Wenn ich es Jule nicht erzählen würde, dann würde Timo es tun.
Auch wenn ich noch immer nicht verstand, warum Timo ein solches Drama um die ganze Sache macht.
Jeder hatte mal Albträume.
Es war eine ganz normale Reaktion unseres Körpers.
So schlimm war es nun auch wieder nicht.
Aber jetzt war es nun mal so wie es ist.Nachdem ich mich von Timo verabschiedet hatte und ihm ein weiteres Mal versprochen hatte, Jule anzurufen, fuhr ich nach Hause und machte mir dort erstmal einen Tee.
Dann setzte ich mich auf die Couch und wollte gerade meinen Freund anrufen, als mein Handy klingelte und ein Bild von Jule auf meinem Display erschien.
Gedankenübertragung...
Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder traurig sein sollte; ich wusste es ehrlich nicht.
"Hey Engelchen ", nahm ich ab.
"Hi, Schatz ", antwortete er und ich sah ihm direkt an, worauf er hinaus wollte.
Wenn Timo ihm doch schon etwas verraten hatte, dann konnte er sich sicher sein, dass er morgen das Flugzeug nicht mehr lebend verlassen würde.
"Ich muss dir was sagen,Jule", kam ich direkt zum Punkt und senkte meinen Kopf.
"Das glaube ich auch."
Jetzt musste ich wohl in den sauren Apfel beißen.
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Love of my life Brandt×Havertz
FanfictionJulian und Kai sind nun schon seit knapp zwei Jahren ein Paar. Sie lieben sich und sind unendlich glücklich miteinander. Doch die Entfernung zwischen London und Dortmund macht den beiden ordentlich zu schaffen, weshalb sie sich wann immer es geht g...