Kapitel 21

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Der schrille Schrei eines Pfaus durchbrach die Stille, als sie Hand in Hand den Pfad hinaufgingen. Es war ein wunderschönes Grundstück, dass sich bis in die Endlosigkeit zu erstrecken schien. In der Ferne glaubte Hermione mehrere Gärten und sogar einen See auszumachen.

Da waren auch diese eleganten, leuchten weißen Pfaue, welche oberhalb der Eibenbüsche auf dem perfekt getrimmten Rasen stolzierten, ihre langen Schwänze zoge sie wie Schleppen hinter sich her. Weiße Pfauen zu besitzen war wohl die malfoyschste Sache überhaupt, von der Hermione je gehört hatte. Draco musste sich wirklich zu Hause fühlen mit all dem weißen Gefieder um sich herum. Sie unterdrückte ein Kichern, dass sich in ihrer Kehle den Weg nach oben bahnen wollte. Wahrscheinlich war sie nervöser, als sie es selbst eingestehen wollte.

Noch ragte das Manor nur in der Ferne über ihnen auf. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es war hier aufzuwachsen und solch einen Ort sein "Zuhause" zu nennen. Es war riesig und sah düster aus. Hogwarts war ihr Zuhause gewesen, aber sie hatten es sich mit hunderten anderen Schülern geteilt. Es musste einsam gewesen sein, mit nur zwei anderen Personen, in solch einem großen Haus zu leben.

Als sie näher kamen schwang die Haustür auf und Narzissa rannte aus dem Manor um sich in Dracos Arme zu werfen.

"Du bist da. Du bist da. Ich hatte mir vorgenommen nicht zu weinen aber... seht euch beide nur an. Dank Merlin, dass es euch beiden gut geht", schniefte sie, während sie zuerst Draco in den Arm nahm, dann Hermione und dann wieder Draco.

"Mutter", kam es kühl von Draco, der etwas aus der Bahn geworfen aussah von dieser ganzen Zurschaustellung elterlicher Zuneigung.


"Ach du meine Güte, schau mich nur an. Das ist wirklich würdelos. Aber naja, dein Vater hat letzte Woche vor dem gesamten Zaubergamot geheult. Ich glaube nicht, dass ein paar Tränen mehr unser Ansehen noch weiter ruinieren könnten", merkte Narzissa an, aber strich sich die Tränen dennoch fort und stellte sich gerade hin. "Kommt rein, lasst uns erst einmal Tee trinken."

Es war die wohl ungemütlichste Teerunde, der Hermione je beigewohnt hatte. Kaum hatten sie die Schwelle des Manors überschritten, spannte sich Draco an. Lucius erwartete sie im Foyer und in dem Moment, in dem Vater und Sohn einander ausmachten, wurde die Luft eisig. Beide Zauberer starrten einander wortlos an. Es war ein Stiller Kampf darum, den anderen dazu zu bringen das erste Wort zu sagen.

Neben ihrem kürzlichen Besuch in Malfoy Holdings, hatte Hermione seit Jahren keine Begegnung mehr von Draco und Lucius beobachtet. Wenn sie zu der Zeit etwas weniger nervös gewesen wäre, hätte es offensichtlich sein müssen, dass Draco und Lucius nicht zusammen arbeiteten. Der Abscheu auf ihren Gesichtern war offenkundig. Die beiden machten kaum einen Hehl aus ihrer wütenden, auf Gegenseitigkeit beruhenden Ablehnung.

Bei Draco vermutete Hermione, dass er Lucius für die Rolle der Familie während des Krieges verantwortlich machte und für seine Ansichten und die Meinungen, die er während seiner Schulzeit von ihm übernommen hatte. Der Junge, der über nichts anderes als seinen Vater geredet und der nichts anderes wollte als seinem Erzeuger vollumfänglich nachzueifern, war komplett verschwunden. Die luciusschen Eigenschaften, die sie im Ministerium wahrgenommen hatte, waren in Wirklichkeit ganz Dracos eigene unverfrorene Selbstsicherheit und nicht mehr länger eine bewusste Imitation.

Sie hatte es vorher nie realisiert, weil Draco im Ministerium immer so schlagfertig von "Vaters Anweisungen" gesprochen hatte und dass er keine andere Wahl hätte, als diesen nachzukommen. All das war eine Lüge. Draco hätte nie, nicht in tausend Jahren, für seinen Vater im Ministerium gearbeitet, egal wie sehr Lucius versucht hätte ihn dazu zu nötigen.

Tatsächlich, in Anbetracht der frostigen Stimmung zwischen den beiden, hätte er auch heute wahrscheinlich nichts mit seinem Vater zu tun haben wollen, wenn er sich nicht aus Höflichkeit seiner Mutter gegenüber, dieses Treffen erduldete.

Liebe und andere UnglückeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt